»Wir können doch nicht tatenlos zusehen, wie sie immer deprimierter wird«, wandte Bianca ein und appellierte damit an Lenas weiches Herz, das sie gern hinter ihrer nur vordergründig rauhen Schale verbarg.
»Erst heute hat sie gesagt, daß sie froh ist über die viele Arbeit, weil sie dann nicht so viel grübeln kann«, fügte Alexandra hinzu. »Im übrigen wollen wir sie ja nicht gleich verkuppeln.« Sie sah Bianca und Petra an, ehe sie sich Lena wieder zuwandte. »Es würde ihr vielleicht schon guttun, mal von einem netten jungen Mann zu einer Tasse Kaffee eingeladen zu werden – ohne irgendeinen Hintergedanken.«
»Die Hintergedanken macht ihr euch schon«, vermutete Lena, mußte dabei aber lächeln. Im Grunde freute es sie ja, daß sich die Schwestern so viele Gedanken um die neue Kollegin machten. Und es stand außer Frage, daß sie es nur gut meinten.
Alexandra faßte das Lächeln der Oberschwester jedenfalls als Zustimmung auf.
»Also, dann würde ich sagen, wir stellen unser Vorhaben unter ein besonderes Motto.« Sie überlegte kurz. »Traumtyp für Schwester Sophie gesucht.«
»Und wie soll dieser Traumtyp aussehen?« fragte Lena noch immer leicht amüsiert. Sie bezweifelte ganz entschieden, daß die Bemühungen der jungen Schwestern letztlich von Erfolg gekrönt sein würden. Wenn Sophie auch nur halb so schwer enttäuscht worden war, wie es den Anschein hatte, würde sie nicht so rasch wieder an einem Mann Gefallen finden – noch dazu an einem, den andere für sie ausgesucht hatten.
»Genau da liegt das Problem«, räumte Alexandra ein. »Die besten Männer sind immer schon vergeben.«
»Wie wär’s mit Dr. Parker?« warf Bianca dazwischen. »Er sieht gut aus und ist ein unheimlich netter Mann. Darüber hinaus würde er sich bei seinen ausgezeichneten Fähigkeiten als Karate-Kämpfer auch als Beschützer für Sophie eignen.«
»Dr. Parker hat noch nie an einer Frau Interesse gezeigt«, wandte Petra Dölling ein. »Ich glaube, er hat auch schon eine große Enttäuschung erlebt. Soviel ich gehört habe, soll er in den Staaten verlobt gewesen sein.«
»Na, dann würden sie ja ausgezeichnet zusammenpassen«, urteilte Alexandra eifrig. »Geteiltes Leid ist halbes Leid.« Entschlossen rührte sie in ihrem Kaffee. »Ich werde den guten Parker morgen gleich mal drauf ansprechen. In aller Diskretion, versteht sich«, fügte sie mit einem Seitenblick zur Oberschwester hinzu.
Lena Kaufmann schmunzelte. »Na, dann viel Erfolg.«
*
Schwester Alexandra wartete am nächsten Morgen, bis Chefarzt und Oberarzt bei der Visite waren, dann betrat sie das Ärztezimmer, wo Dr. Jeffrey Parker am Schreibtisch saß und eine Krankenakte studierte.
»Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee bringen?« wollte Alexandra wissen. Sie hatte lange hin und her überlegt, wie sie den jungen Anästhesisten dazu bringen sollte, mit Sophie auszugehen, doch die zündende Idee, auf die sie gewartet hatte, war ihr noch nicht gekommen, und so hoffte sie, daß sich im Laufe eines harmlosen Gesprächs etwas ergeben würde, wo sie einhaken könnte.
Dr. Parker schmunzelte. »Schwester Alexandra, Sie wissen doch ganz genau, daß ich keinen Kaffee trinke, weil mein Magen, der um diese Zeit grundsätzlich noch leer ist, heftig rebelliert, wenn ich ihn mit Koffein abfüttere.«
Alexandra errötete. Natürlich wußte sie das, aber wie hätte sie das Gespräch sonst beginnen sollen?
»Also, Schwesterlein, raus mit der Sprache«, fuhr Dr. Parker in neckischem Ton fort. »Was wollen Sie wirklich von mir?«
»Na ja, ich meine… das heißt, wir alle haben uns Gedanken gemacht…«, begann Alexandra stockend, dann platzte sie heraus. »Es geht um Schwester Sophie.«
Der junge Anästhesist lächelte in dieser sympathischen, lausbubenhaften Art.
»Meine liebe Alexandra, das hört sich ja fast nach Verkuppeln an«, stellte er fest.
Die Krankenschwester errötete bis unter die Haarwurzeln.
»Nein, natürlich nicht«, stammelte sie verlegen. »Es ist doch nur… Sophie ist so traurig, und sie scheint sehr einsam zu sein, und da dachten wir… es wäre für sie vielleicht ganz schön, mal eingeladen zu werden…« Noch während sie das sagte, wäre sie am liebsten im Erboden versunken. Welcher Teufel hatte sie nur geritten, als sie beschlossen hatte, dieses Gespräch mit Dr. Parker zu führen. Gleichgültig, wie sie ihre Worte vorbrachte – es hörte sich immer nach Verkuppeln an, und Alexandra hätte sich ohrfeigen können, daß sie auf diese hirnverbrannte Idee gekommen war. Wie sollte sie sich jetzt aus der Affäre ziehen, ohne sich bis auf die Knochen zu blamieren – wenn das nicht schon passiert war.
Dr. Parker bemerkte natürlich, was in ihr vorging.
»Ich finde es sehr nett, daß Sie sich um Ihre Kollegin solche Gedanken machen«, meinte er. »Deswegen müssen Sie sich auch ganz bestimmt nicht schämen.«
»Das ist es ja gar nicht«, murmelte Alexandra mit gesenktem Kopf. »Es ist vielmehr…« Sie stockte.
Da stand Dr. Parker auf und legte freundschaftlich einen Arm um ihre Schultern. »Ich weiß schon, Alexandra.« Er lä-chelte. »Aber es ist ja ein großes Kompliment für mich, daß Sie da an mich gedacht haben. Glauben Sie tatsächlich, Schwester Sophie würde mit mir ausgehen wollen?«
»Warum nicht?« entgegnete Alexandra sofort. »Sie sind nett, sehen gut aus…« Verlegen senkte sie den Kopf. Das hatte sie doch gar nicht sagen wollen.
»Sprechen Sie ruhig weiter, Alexandra«, bat Dr. Parker. »Von derartigen Komplimenten kann ich gar nicht genug bekommen.«
»Ich glaube, ich gehe jetzt lieber wieder an meine Arbeit«, murmelte Alexandra und machte, daß sie aus dem Zimmer kam, bevor ihr noch weitere unbedachte Worte herausrutschten.
Dr. Parker wartete, bis sie draußen war, dann schüttelte er lachend den Kopf. Alexandras Bemühungen, ihn mit Sophie zu verkuppeln, amüsierten ihn. Doch als er der jungen Schwester später begegnete, fielen ihm unwillkürlich Alexandras Worte wieder ein. »Sophie ist so traurig, und sie scheint sehr einsam zu sein…«
»Ist etwas nicht in Ordnung, Herr Doktor?« fragte Sophie, weil sie Dr. Parkers prüfenden Blick bemerkte.
»Doch, ich habe nur gerade überlegt… wann haben Sie denn heute Dienstschluß?« wollte der junge Anästhesist wissen.
Sophie war so verblüfft, daß sie im ersten Moment keinen Ton hervorbrachte.
»Um sechs«, antwortete sie schließlich.
»Das paßt ja ausgezeichnet«, urteilte Dr. Parker. »Haben Sie Lust, mich in die gemütliche Weinstube am Ortsrand von Steinhausen zu begleiten?«
Aus großen Augen starrte Sophie ihn an. »Sie… laden mich ein?«
»Ja, wenn ich darf.« Er grinste. »Ich bin auch ganz bestimmt kein Unhold.«
Sophe mußte lachen. »Das glaube ich Ihnen unbesehen, Herr Doktor.« Sie zögerte, dann nickte sie. »Ich nehme Ihre Einladung gern an.«
*
In der Kleinen Reblaus
herrschte wieder einmal Hochbetrieb, trotzdem gelang es Dr. Parker und Sophie, einen ruhigen Nischentisch zu ergattern.
»Darf ich für Sie mitbestellen?« fragte Dr. Parker, als er sah, wie Sophie ratlos die Karte anschaute.
Sie lächelte entschuldigend. »Ich bin leider keine große Weinkennerin.«
»Ich dafür um so mehr. Ich stamme aus Kalifornien, und meine Eltern hatten dort ein kleines Weingut.« Er lächelte. »Der kalifornische Wein, den meine Eltern