David Copperfield. Charles Dickens. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Charles Dickens
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783961183173
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ich kenne ihn ja ohne das weiße Zeug da, das er anhat, und fürchte, daß er sich wundert, warum ich ihn so anstarre, und er dann am Ende gar seine Predigt unterbricht und mich fragt, warum ich das täte – und – was soll ich dann tun? Das Herumgaffen ist wahrhaftig nicht hübsch – aber ich muß doch etwas tun! Ich sehe meine Mutter an: sie tut, als ob sie mich nicht sähe. Ich schaue nach einem Knaben auf dem Chore: der schneidet mir Gesichter. Ich sehe das Sonnenlicht zur offenen Kirchenpforte hereinfallen und ein einzelnes verirrtes Schaf davor, ich meine keinen Sünder damit, sondern einen Hammel, der nicht übel Lust verrät, der Kirche einen Besuch abzustatten. Ich muß fortsehen, denn es ist mir ganz so, als müßte ich laut zu ihm sprechen, und dann – wehe mir! Ich sehe nach den steinernen Gedächtnistafeln an der Wand und bemühe mich an das verstorbene Mitglied dieser Gemeinde Mr. Bodgers zu denken, und an Ms. Bodgers' Trauer, »denn gar schwerer Krankheit Walten hat er christlich ausgehalten; hilflos war der Arzte Kunst.« Ich überlegte, ob sie Mr. Chillip gehabt hätten, und ob der auch »hilflos« gewesen, und ob es ihm lieb ist, allsonntaglich daran erinnert zu werden? Von Mr. Chillip mit seiner Sonntagskrawatte sehe ich wieder zur Kanzel empor und denke, was das für ein schöner Spielplatz wäre, was für eine feine Burg, um sie zu verteidigen, wenn ein anderer Junge die Stufen zum Angriff hinaufstürmte, und ich ihm das Samtkissen mit den Troddeln an den Kopf werfen könnte. Allmählich schließen sich meine Augen, ich glaube in der Schwüle den Geistlichen noch in schläfrigem Tone ein einschläferndes Lied singen zu hören, und dann höre ich nichts mehr, bis ich mit lautem Gepolter von meinem Sitze falle und von Peggotty, mehr tot als lebendig, aufgehoben werde. Und jetzt sehe ich die Außenseite unseres Hauses mit den offenen Jalousien des Schlafzimmers, damit die herrlich duftende Luft hinein kann, und im Hintergrunde des vorderen Gartens immer noch in den hohen Ulmen die zerfetzten alten Krähennester hängen. Jetzt bin ich in dem Garten hinter dem Hofe mit dem leeren Taubenhaus und der Hundehütte – ein wahrer Park für Schmetterlinge, wo die Früchte dicht gedrängt und reifer und schöner, als ich sie irgendwo gesehen, an den Zweigen hängen, und wo meine Mutter in ein Körbchen Obst pflückt, während ich dabei stehe und heimlich ein paar entwendete Stachelbeeren rasch in den Mund stecke, und mich bemühe, ein unschuldiges Gesicht zu machen. Ein starker Wind erhebt sich, und in einem Augenblick ist der Sommer verweht. Wir spielen in dem Winterzwielicht und tanzen in der Stube herum. Wenn meine Mutter außer Atem ist und in einem Lehnstuhle ausruht, so sehe ich, wie sie ihre schönen Locken um den Finger wickelt und das Leibchen glatt zieht, und niemand weiß so gut wie ich, daß sie sich freut, so wohl auszusehen, und stolz ist, so hübsch zu sein.

      Das sind so einige meiner frühesten Eindrücke, das und ein Bewußtsein, daß wir uns beide ein wenig vor Peggotty fürchteten und in den meisten Dingen ihrer Meinung folgten, war einer meiner Schlüsse – wenn man es so nennen kann – die ich aus dem zog, was ich sah.

      Peggotty und ich saßen eines Abends allein in der Wohnstube vor dem flackernden Kamin. Ich hatte Peggotty von Krokodilen vorgelesen, und ich muß mit sehr vielem Ausdruck gelesen haben, oder das arme Ding muß sehr wenig interessiert gewesen sein, denn ich erinnere mich, als ich fertig war, hatte sie so eine Idee, daß Krokodile eine Art Gemüse wären. Darauf war ich des Lesens müde und sehr schläfrig, aber da ich besonderer Ursache halber Erlaubnis hatte, aufzubleiben, bis meine Mutter von einem Abendbesuche nach Hause kam, so wäre ich natürlich lieber auf meinem Posten gestorben, als zu Bett gegangen. Ich hatte jetzt jenen Grad von Schläfrigkeit erreicht, wo Peggotty mir immer größer und größer zu werden schien. Ich hielt meine Augenlider mit den beiden Zeigefingern offen und sah sie fest und lang an, wie sie auf ihrem Stuhle saß und unermüdlich arbeitete, sah dann das kleine Stückchen Wachslicht an, mit dem sie ihren Zwirn wichste – das ganz mit Rillen und Furchen durchackerte Wachsklümpchen! – sah das strohgedeckte Häuschen an, worin ihr Ellenbandmaß wohnte, ihr Arbeitskastchen mit dem Schiebedeckel, worauf die St. Paulskirche (die Kuppel rosenrot!) gemalt war, dann ihren messingenen Fingerhut und endlich sie selbst, die mir gar lieblich vorkam. Ich war so schläfrig, daß ich fühlte, so wie ich nur einen Augenblick meine Augen abwendete, würde ich einschlafen.

      »Peggotty,« fragte ich plötzlich, »bist du einmal verheiratet gewesen?«

      »Herjeh, Master Davy«, entgegnete Peggotty. »Wie kommst du aufs Heiraten?«

      Sie fuhr bei meiner Frage so überrascht auf, daß ich darüber ganz wach wurde. Dann hielt sie aber im Nähen inne und sah mich an, indem sie den Faden, so lang er war, straff anzog.

      »Aber bist du einmal verheiratet gewesen, Peggotty?« fragte ich. »Du bist doch sehr hübsch, nicht wahr?«

      Allerdings war ihr Typus ein anderer als der meiner Mutter; aber in einer andern Art von Schönheit hielt ich sie für ein vollkommenes Muster, In unserer Putzstube war nämlich ein Fußbänkchen von rotem Samt, auf das meine Mutter einen Strauß gemalt hatte. Dieser Samt und Peggottys Teint schienen mir zum Verwechseln gleich zu sein, Die Fußbank freilich war glatt und weich, und Peggotty war rauh, aber das machte keinen Unterschied.

      »Ich hübsch, Davy?« sagte Peggotty. »Ach du meine Güte, liebes Kind! Aber wie kommst du nur aufs Heiraten?«

      »Ich weiß nicht! – Aber du darfst nicht mehr als einen auf einmal heiraten, nicht wahr, Peggotty?« »Gewiß nicht«, sagte Peggotty mit sicherer Entschiedenheit.

      »Aber wenn du jemand heiratest und der jemand stirbt, dann kannst du einen andern heiraten, nicht wahr, Peggotty?«

      »Man kann, wenn man Lust hat, liebes Kind«, sagte Peggotty. »Das ist Meinungssache.«

      »Aber was ist deine Meinung, Peggotty?« sagte ich und blickte sie bei dieser Frage neugierig an, weil sie mich so forschend ansah.

      »Meine Meinung ist,« sagte Peggotty, als sie nach einiger Unschlüssigkeit ihre Augen von mir abgewendet und wieder zu arbeiten angefangen hatte, »daß ich niemals verheiratet gewesen bin, Master Davy, und daß ich nicht glaube, jemals zu heiraten. Weiter kann ich nichts darüber sagen.«

      »Du bist doch nicht böse, Peggotty?« sagte ich, nachdem ich ein Weilchen still dagesessen hatte.

      Ich glaubte wirklich, daß sie es wäre, denn so kurz war sie gewesen, aber ich irrte mich ganz und gar, sie legte ihre Arbeit (einen ihrer Strümpfe) beiseite, öffnete ihre Arme, nahm meinen lockigen Kopf und drückte ihn derb an sich. Daß sie mich derb herzhaft an sich drückte, weiß ich, denn da sie sehr wohlbeleibt war, so pflegten stets, wenn sie ganz angekleidet eine kleine Anstrengung machte, ein paar Knöpfe hinten von ihrem Rocke abzuspringen. Und ich besinne mich, daß diesmal zwei in die andere Ecke des Zimmers flogen, wahrend sie mich umarmte.

      »Na, nun lies mir noch etwas von den Korkodilliens vor,« sagte Peggotty, »denn ich habe noch lange nicht genug davon.«

      Ich begriff damals nicht, warum Peggotty so versessen auf ihre Korkodilliens war, aber mit neuer Frische meinerseits kehrten wir also zu den Ungeheuern zurück, ließen sie ihre Eier in den Sand legen und von der Sonne ausbrüten, rissen vor ihnen aus, entrannen ihnen durch plötzliches Umwenden, was sie wegen ihrer Ungelenkigkeit nicht rasch tun konnten, verfolgten sie als Eingeborene bis ins Wässer, steckten ihnen scharf zugespitzte Stücke Holz in den Rachen: kurz und gut, wir nahmen die Krokodile von A bis Z durch. Ich wenigstens tat es, aber über Peggotty hatte ich meinen Zweifel, denn sie stach mit ihrer Nadel gedankenvoll in verschiedene Teile ihres Gesichts und ihrer Arme.

      Nachdem wir mit den Krokodilen fertig waren, hatten wir mit den Alligatoren angefangen, als es am Gartentür klingelte. Wir gingen hinaus, und draußen stand meine Mutter, die mir ungewöhnlich hübsch vorkam, und neben ihr ein Herr mit schönem schwarzen Haar und schwarzem Backenbart, der uns schon am vorigen Sonntag aus der Kirche nach Hause begleitet hatte.

      Als meine Mutter auf der Schwelle stehen blieb und mich in ihre Arme nahm und küßte, sagte der Herr, ich sei glücklicher als ein Fürst oder etwas ähnliches. Denn ich merke, hier kommt mir mein späteres Verständnis zu Hilfe.

      »Was heißt das?« fragte ich ihn über ihre Schulter hinweg.

      Er