So leise, wie es seine Plattfüße auf dem Eis zuließen, schlich er sich zur Mauer, die seine Familie vor den neugierigen Kindern beschützte. Er sah sich ein letztes Mal um. Ein Gefühl der Traurigkeit überkam ihn. Schließlich hatte er seine Familie noch nie zuvor verlassen. Aber er musste es einfach tun.
„Hoffentlich verstehen sie es“, dachte er. Dann sprang er von Stein zu Stein, immer höher, bis er endlich auf der Mauer stand.
Der Zoo sah so groß aus von hier oben. Ob er den Weg finden würde? Bisher hatte er das Gehege noch nie verlassen. Er spazierte auf der Mauer entlang, bis er eine Stelle fand, an der er problemlos hinunterspringen konnte. Dann watschelte er über die Wege, die sonst nur den Menschen vorbehalten waren.
Die meisten Tiere schliefen. Sie lagen in ihren Betten und träumten von den schönsten Dingen. Am Eulenkäfig aber sprach ihn eine alte Schleiereule mit tiefer Stimme an. Er erschrak.
„Wo willst du denn hin, kleiner Pinguin?“, raunte sie aus dem Käfig.
„Ich will wissen, was Weihnachten ist“, antwortete er.
Die Eule lachte nur. „Ganz alleine? Hast du keine Angst? Es ist gefährlich da draußen“, sagte sie.
„Gefährlich?“, fragte Pitsch verängstigt.
Die Eule nickte. „Da draußen gibt es zum Beispiel Autos. Wenn du nicht aufpasst, dann kann es passieren, dass du einen Unfall hast.“
„Einen Unfall? Dann passe ich lieber auf. Danke für die Warnung“, versuchte sich Pitsch zu verabschieden. Er wollte keine Zeit am Eulenkäfig vertrödeln. Nicht, dass seine Eltern bemerkten, dass er weg war, bevor er in Erfahrung bringen konnte, was Weihnachten war.
„Geh nur bei Grün über die Straße. Bei Rot musst du stehen bleiben“, rief ihm die Eule mahnend hinterher.
Pitsch verließ den Zoo. Er sah sofort, warum die Eule ihn gewarnt hatte. Die sogenannten Autos schossen pfeilschnell an ihm vorbei. Auf keinen Fall würde er einfach die Straße betreten. Stattdessen hielt er Ausschau nach einem grünen Licht.
Nachdem er einige Minuten am Straßenrand entlanggewatschelt war, fand er eine Ampel, an der er die große Straße überqueren konnte. Auf der anderen Seite angekommen, vernahm er ein Gurren. Es kam von oben. Neugierig legte er den Kopf in den Nacken.
„Was macht denn ein Zootier hier?“, gurrte eine Taube von einem Fenstersims.
„Ich möchte wissen, was Weihnachten ist.“
„Weihnachten?“, fragte die Taube erstaunt. Sie breitete ihre Flügel aus und glitt zu Pitsch auf den Boden. „Weihnachten ist großartig!“, rief sie und lief aufgeregt hin und her. „Überall laufen die Menschen entlang. Immer haben sie etwas zu essen in der Hand. Zu Weihnachten ist die ganze Stadt voller Krümel. Leckereien, soweit das Auge reicht.“ Sie pickte auf den leeren Boden. Dann hielt sie inne und sah Pitsch an. „Ich kann es kaum erwarten“, strahlte sie.
Pitsch verabschiedete sich von der aufgekratzten Taube und setzte seinen Weg fort. Er kam in den Stadtpark und trat auf der grünen Wiese fast in einen Igel. „He, Vorsicht!“, rief der empört. Sofort entschuldigte sich der Pinguin bei dem stacheligen Fremden. „Was machst du überhaupt hier? Ich habe noch nie ein Tier mit so großen, komischen Füßen gesehen. Sehen aus wie Entenfüße. Aber irgendwie anders. Wer bist du?“, fragte der Igel.
„Ich bin Pitsch und ich bin ein Pinguin. Wer bist du?“, gab er die Frage zurück.
„Igor Igel“, räusperte sich der Fremde.
„Kennst du Weihnachten, Igor?“
Der Igel nickte. „Aber ich kann dir nicht viel darüber erzählen. Ich bin gerade auf der Suche nach einem Schlafplatz. Es wird langsam zu kalt für mich. Deswegen muss ich in ein warmes Bett. Darin verschlafe ich Weihnachten jedes Jahr.“
„Macht dich das nicht traurig?“, fragte Pitsch.
„Manchmal. Aber das macht nichts. Ich feiere einfach mit meiner Familie, wenn wir alle wieder wach sind.“
„Die Familie“, dachte Pitsch, „sie gehört also auch zu Weihnachten.“
Während er so nachdachte, sprach ihn eine Ente an. „Hast du mein Küken gesehen?“
Pitsch zuckte mit den Flügeln. „Leider nicht.“
„Es ist weggelaufen“, erzählte die Ente. „Es hat sich in den Kopf gesetzt, Weihnachten zu feiern. Hätte ich doch nur mit ihm über Weihnachten gesprochen. Hätte ich ihm erzählt, dass das Wichtigste an Weihnachten ist, dass die Familie zusammen ist und schöne Tage miteinander verbringt“, schluchzte die Ente unter Tränen.
Pitsch überkam eine tiefe Traurigkeit. Ob es seiner Mutter in diesem Moment auch so ging wie der Entenmutter? Sie machte sich bestimmt Sorgen. Außerdem vermisste er seine Familie.
„Ich helfe dir beim Suchen“, beruhigte er die Ente.
Etwa eine Stunde liefen sie durch den Park, ehe sie das Entenküken fanden. Pitsch rechnete damit, dass die Mutter schimpfen würde. Sie nahm ihr Küken aber nur in den Arm und drückte es fest an sich.
„Danke, kleiner Pinguin“, flüsterte die Entenmutter.
Pitsch nickte nur. Er nickte, weil er genau wusste, was er jetzt tun musste. Entschlossen trat er den Rückweg in den Zoo an. Er durchquerte den Stadtpark, wartete an der Ampel, dass es Grün wurde, lief am Eulenkäfig vorbei und ignorierte die Rufe der Eule, bis er endlich wieder am Pinguingehege stand. Er sprang auf die Mauer und suchte den Weg zurück in das Gehege. Dann kuschelte er sich in das Bett seiner Eltern, die noch tief und fest schliefen.
Weihnachten war wahrscheinlich das schönste Fest der Welt. Essen, Geschenke und vieles mehr. Aber ohne die Familie wäre es nicht Weihnachten.
Das hatte er gelernt. Er schätzte sich glücklich, seine Familie jeden Tag bei sich zu haben.
Mit diesen Gedanken schlief er ein. Unwissend, dass unter dem Bett seiner Eltern eine kleine Überraschung für ihn verstaut lag.
Oliver Bruskolini, geboren 1993 in Essen, wohnhaft in Essen, NRW. Er studiert an der Universität Duisburg-Essen Lehramt mit den Fächern Deutsch und Sozialwissenschaften. Veröffentlichung verschiedener Kurzgeschichten in Anthologien.
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Die Sehnsucht nach der Weihnacht
Die Sehnsucht nach dir ist groß.
So groß ist sie, dass ich die Stunden zähle.
Ich erwarte dich jedes Jahr und freue mich sehr.
Wenn sich die Bäume in ihren Tiefschlaf verabschieden
und das Laub verschwunden ist.
Dann bist du endlich da
und mein Warten auf dich hat ein Ende.
In meinen Gedanken trage ich dich das ganze Jahr bei mir.
Doch in meinem Herzen bist du immer bei mir.
Ich freue mich auf die Weihnachtszeit.
Der weiße Glanz auf den Straßen sieht sehr schön aus
und jedes Jahr erlebe ich die Weihnacht aufs Neue.
Es ist wie ein Märchen, das jedes Jahr ins Land zieht.
Verzaubert unsere Straßen
und zaubert uns ein Lachen ins Gesicht.
Die Sehnsucht hat ein Ende
– denn es ist endlich wieder Weihnachten.
Jürgen