»Ich bin im Himmel.« Janna schnüffelte genießerisch und gab ihrer Mutter einen Kuss auf die Wange. »Du verwöhnst uns, Mama.«
Linda Berg lachte. »Guten Morgen, Janna. Irgendwie muss ich doch die wunderbaren Pfannkuchen toppen, die du gestern gemacht hast.«
»Das waren keine Pfannkuchen, sondern Pancakes«, mischte Susanna sich mit strenger Miene ein.
»Ist doch dasselbe.« Till stieß sie an, während beide sich den besten Platz auf der Eckbank zu sichern versuchten.
»Ist es gar nicht.«
»Doch, wohl, weil nämlich Pancake Englisch für Pfannkuchen ist.«
»Aber wenn Janna Pfannkuchen macht, sind die immer ganz anders als die Pancakes von gestern.«
»Schluss jetzt, ihr beiden.« Janna drehte sich zu den Geschwistern um und blickte sie milde strafend an. »Könnt ihr nicht mal fünf Minuten in einem Raum verbringen, ohne zu zanken?«
»Erinnert dich das nicht an jemanden?« Linda ließ das Rührei aus der Pfanne in eine ovale Porzellanschüssel gleiten. »Du und Frank, ihr wart genauso in dem Alter. Auch wenn Frank drei Jahre älter ist als du, konntet ihr euch doch ständig über die nichtigsten Kleinigkeiten in die Wolle bekommen.«
»Wir zanken doch gar nicht.« Till grinste. »Das nennt man Diskussion.«
»Ach so.« Janna schmunzelte. »Dann beendet mal eure Diskussion und helft Tante Linda beim Tischdecken, anstatt da so frech herumzulümmeln.«
»Aber du musst uns erst sagen, ob ich recht habe oder Till.« Susanna stand wieder auf. »Pancakes oder Pfannkuchen?«
Janna zupfte am Pferdeschwanz des Mädchens. »Till hat insofern recht, als Pancake das englische Wort für Pfannkuchen ist. Aber das weißt du doch auch.«
»Ja, aber trotzdem ...«
»Aber du hast ebenfalls recht, und zwar, weil das Rezept für die Pancakes, die ich gestern gemacht habe, ganz anders ist als das normale Pfannkuchenrezept, das ich sonst benutze. Es stammt von einer amerikanischen Koch- und Backseite, die ich vor einiger Zeit entdeckt habe.«
»Ätsch!« Die Zwillinge hatten gleichzeitig gesprochen und kicherten. Dann erhob sich auch Till, ging zur Kaffeemaschine und holte die Kanne, während seine Schwester die Schüssel mit dem Rührei vorsichtig zum Tisch trug.
»Heiß, heiß, heiß«, murmelte sie dabei und stellte die Schüssel rasch ab.
»Was ist heiß? Oha, hier riecht es ja wie im Schlaraffenland!« Bernhard Berg hatte die Küche zusammen mit der braun-schwarzen Hündin Bella betreten, die sogleich zu den Kindern rannte und sie freudig begrüßte. Er war ein mittelgroßer, schlanker Mann von sechzig Jahren mit kurzem, lockigem Haar, das früher einmal blond gewesen, nun aber vollständig ergraut war. Seine graublauen Augen funkelten vergnügt, als er auf die beiden Frauen zutrat und jeder einen Arm um die Schultern legte. Erst erhielt seine Frau, danach seine Tochter einen Kuss auf die Wange. »Kann ein Mann eigentlich mehr Glück haben als ich? An einem arbeitsfreien Montag zwei wunderschöne Rotschöpfe in der Küche zu haben, die noch dazu ein unglaublich leckeres Frühstück für mich zaubern ...«
Janna kicherte und stieß ihn spielerisch an. »Das ist ja nicht nur für dich, Papa. Und red bloß nicht so machohaft daher, sonst haut Mama dich mit dem Kochlöffel.«
»Und wie ich das tun werde.« Lachend drohte Linda ihm mit dem Pfannenwender.
»Ihr gönnt einem Mann aber auch gar nichts.« Grinsend öffnete Bernhard den Geschirrschrank über der Anrichte und nahm Teller und Tassen heraus. »Till, hol mal das Besteck aus der Schublade, sonst behaupten die Frauen wieder, wir würden uns nur bedienen lassen.«
»Hab schon.« Till trug zwei Hände voll Messer und Gabeln zum Tisch. »Tante Linda ist total streng in so was. Deshalb muss ich dauernd die Spülmaschine einräumen und Töpfe waschen und so.«
»Spülen, nicht waschen.« Susanna nahm von Linda die Schale mit den gebratenen Speckstreifen entgegen und stellte sie ebenfalls auf den Tisch. »Und warum auch nicht? Ich hab genauso keine Lust auf Küchenarbeit wie du. Bloß, weil ich ein Mädchen bin, muss ich die nicht alle alleine machen. Das ist nämlich total altmodisch und«, sie überlegte kurz, »oldschool sagt unsere Lehrerin Frau Andrees dazu.«
»Schon gut. Dafür musst du aber dann auch helfen, die Garage und den Schuppen aufzuräumen.« Till streckte seiner Schwester die Zunge heraus, fing sich dafür aber einen sanften Klaps von Janna ein und grinste wieder. »Ist doch so, oder?«
»Ja, stimmt.« Janna nickte.
»Da haben wir sie, die Kinder des einundzwanzigsten Jahrhunderts.« Bernhard lachte. »So muss das sein.«
»Jetzt setzt euch mal alle.« Linda deutete auf den Tisch und zog rasch die gestreifte Schürze aus, die sie über ihrer weißen Bluse und der lindgrünen Stoffhose trug. Sie hängte sie sorgsam an einen Haken hinter der Tür. »Und lasst uns über etwas Spannenderes als moderne Rollenverteilung sprechen.«
»Über was sollen wir denn reden?« Susanna goss sich Orangensaft in ihr Glas und reichte den Beutel an Janna weiter, die zwar den Duft von frisch gebrühtem Kaffee mochte, jedoch nur selten von dem Gebräu trank, weil es ihr nicht besonders schmeckte.
»Zum Beispiel über unseren Ausflug zum Nürburgring heute Nachmittag«, schlug Bernhard vor und hatte damit sofort die volle Aufmerksamkeit beider Kinder.
»Willst du wirklich nicht mitfahren?«, fragte Linda, während Bernhard und die Zwillinge bereits in ein Gespräch über Rennautos und das Ringtaxi verwickelt waren. »Ein bisschen Abwechslung würde dir bestimmt guttun.«
Janna, die gerade von einem aufregenden und nicht wenig gefährlichen Einsatz für das Institut zurückgekehrt war, lächelte leicht. »Ich muss hier ein bisschen nach dem Rechten sehen, Mama. Aufräumen und so. Die Arbeit bleibt ja doch immer liegen, wenn ich unterwegs bin.«
»Aber zumindest kommst du mal aus dem Haus, wenn du für das Meinungsforschungsinstitut arbeitest.«
Janna nickte vage. Dass es sich beim Institut für Europäische Meinungsforschung um die Tarnung eines Geheimdienstes handelte und worin ihre Tätigkeit bestand, durfte sie ihrer Familie nicht verraten. Ihre Eltern wären wohl auch entsetzt und außer sich vor Sorge gewesen, wenn sie davon wüssten. »Es ist ja nicht so, dass ich nicht mitfahren möchte, Mama, aber ich habe wirklich noch einiges zu tun und muss mich auch noch um meine Kunden kümmern. Wenn ich bis Juli meinen Büroservice schließen will, damit ich die Festanstellung im Institut antreten kann, ist noch vieles zu organisieren.«
»Aber das musst du doch nicht alles schon dieses Wochenende erledigen. Gönn dir auch ein bisschen Zeit für dich.«
»Das mach ich schon, keine Sorge.« Janna nahm sich eine Waffel und reichte ihrem Vater die Schüssel mit dem Rührei. Für eine kurze Weile konzentrierten sich alle mehr auf das Frühstück als auf das Tischgespräch, bis Bernhard auf die Uhr blickte und dann hinter sich griff, um die Lautstärke an dem kleinen Küchenradio aufzudrehen, das im Regal stand.
»Bernhard!« Tadelnd sah Linda ihn an.
Er hob die Schultern. »Nur kurz die Neun-Uhr-Nachrichten und den Wetterbericht.«
»Du kennst ihn doch, Mama. Papa muss immer ganz genau wissen, was in der Welt vor sich geht.« Janna lächelte ihrem Vater zu und verdrehte die Augen, als der Nachrichtensprecher von einem neuen Patentstreit zwischen Samsung und Apple sprach, den beide Firmen offenbar schnell beizulegen