Morgen ist woanders. Elisabeth Etz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Elisabeth Etz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Книги для детей: прочее
Год издания: 0
isbn: 9783702238049
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Nachdem noch niemand in der Schule je die Unterschrift meines Vaters gesehen hat, kann ich eine erfinden, denke ich.

      Warum meldet sich Mart eigentlich nicht?

      Warum meldet sich meine Mutter nicht?

      Soll ich mich bei ihr melden?

      Sicher nicht. Darauf warten die doch bloß.

       Laaerbergstraße

      Die Klein hat Gangaufsicht und spaziert durch die Grüppchen, die in der Aula herumstehen.

      »Good Morning, Frau Professor Klein«, ruft Henrik ihr entgegen. Die Klein runzelt die Stirn. »Morgen?!«, fragt sie mit gespielter Strenge.

      »Da hat wohl jemand noch den Wochenendrhythmus drin.«

      »Dann eben good noon«, sagt Henrik.

      »Good afternoon, actually«, bemerke ich.

      Die Klein lacht. »Ein Jahr in Amerika und trotzdem hat Jakob den besseren Akzent.«

      »Der ist auch jahrelang mit britischen Au-pairs ins Bett gegangen«, grummelt Henrik.

      Die Klein sieht ihn fragend an. »Was meinst du?«

      Henrik lächelt und zwickt mich in die Wange. »Er ist halt ein ganz ein Begabter«, sagt er laut.

      »Lass das!« Ich schüttle ihn ab.

      »Oooh«, macht Lukas ironisch.

      »Ich find’s super, dass ich jetzt Sie in Englisch habe«, sagt Henrik mit breitem Lächeln. »Sie sind viel netter als der Jungwirth.«

      Die Klein macht ein Gesicht, das alles heißen kann. Von ›ja, super‹ bis ›ohne dich wäre die Klasse einfacher‹.

      »So ein Schleimer«, murmle ich.

      »Ich find’s auch super, dass wir Sie haben«, sagt Lukas laut.

      Ich ramme ihm den Ellenbogen in die Seite und schüttle den Kopf.

      »Die ist doch schon seit Ewigkeiten unser Klassenvorstand«, flüstere ich.

      Die Klein lacht. »Ich unterrichte euch auch wirklich gerne.« Dann spaziert sie weiter.

      »Siehst du«, flüstert mir Lukas zu. »Sie unterrichtet mich gerne.«

      Ich verdrehe die Augen. »Du bist peinlich. Sie unterrichtet uns gerne. Nicht dich

      Ich deute auf Henrik, der sich zu ein paar anderen aus seiner alten Klasse gesellt hat. »Siehst du, dem war’s auch peinlich, der ist abgehauen.«

      Ich bin mir nicht sicher, ob Lukas wirklich in die Klein verknallt ist oder ob er nur so tut. Ich weiß auch nicht, ob er mir eine ehrliche Antwort geben würde, wenn ich ihn frage. Interessieren würde es mich schon.

      »Wo warst du eigentlich gestern?«, kommt mir Lukas zuvor. Jetzt bin ich es, der sich das mit der ehrlichen Antwort überlegen muss. Sag ich’s ihm, sag ich’s ihm nicht? Schließlich ist Lukas mein bester Freund. Mein einziger richtiger Freund, eigentlich. Ist ja nicht so, dass mich alle so toll finden.

      »Gestern?« Ich sag’s ihm, ich sag’s ihm nicht, ich sag’s ihm, ich sag’s ihm nicht.

      »Bei Andi«, sage ich schließlich so beiläufig wie möglich.

      Lukas sieht mich interessiert an. »Andi wer?«

      »Ähm … Andi …«, stottere ich. Was soll ich jetzt sagen? ›Den kenn ich übers Internet?‹ Wie klingt denn das?!

      »Ich muss dir was erzählen«, sage ich leise. »Aber allein.«

      Lukas sieht sich um. Es hat bereits geläutet, die Aula leert sich. Henrik betrachtet sich in einer spiegelnden Glastür und zupft seine Haare zurecht. David bohrt in der Nase und streckt Henrik den Zeigefinger entgegen. »Hier, damit hält’s bestimmt.«

      Henrik rümpft die Nase. »Du bist ein Grindschwein«, sagt er verächtlich. David lacht und dreht sich zu Lukas und mir um.

      Ich verziehe das Gesicht. »Danke, wir wollen’s auch nicht.«

      »Kannst schon vorgehen«, sagt Lukas. »Wir sehen uns in der Klasse.«

      »Okay.« David macht sich auf den Weg, nicht ohne sich noch einmal zu Henrik umzudrehen. Er deutet auf seine Nase. »Du meldest dich, wenn du was brauchst?«

      Henrik folgt ihm. »Da war jemand als Kind zu lang im Kasten eingesperrt«, höre ich ihn David hinterherrufen.

      David und Henrik konnten einander noch nie leiden. Ich kann David gut verstehen. Ich kann Henrik auch nicht leiden. Mart im Kleinformat. Besonders, seit er sein Austauschjahr in den USA gemacht hat und glaubt, er ist der große Checker.

      Obwohl er immer eine Klasse über uns war, ging er uns ständig auf die Nerven, weil er es sich zum Hobby gemacht hatte, in den Pausen ausgewählte Leute aus den unteren Klassen zu ärgern. Lukas und ich haben immer versucht, ihm aus dem Weg zu gehen, und waren heilfroh, als er letztes Jahr weg war. Ich war mir sicher, dass ich ihn so bald nicht wiedersehen würde. Wenn er aus den USA zurückkäme, wäre ich nämlich schon fort, habe ich gedacht. In Schottland, Kanada oder Australien. Tja. Pech gehabt.

      Ich bin noch da.

      Und Henrik sitzt jetzt in unserer Klasse.

      Inzwischen sind wir alleine in der Aula.

      »So«, sagt Lukas. »Wer ist Andi? Was willst du mir erzählen?«

      Ich sehe auf die Uhr. Wir kommen zu spät. »Bei dem wohn ich grad«, erkläre ich, während ich langsam in Richtung unserer Klasse gehe.

      »Wie, wohnst du grad? Ist Andi der Neue deiner Mutter? Hat sie Mart endlich rausgeschmissen?«

      Bei dem Gedanken muss ich lachen. »Schön wär’s, aber das macht die doch nie. Ich hab mich selbst rausgeschmissen. Quasi. Und jetzt wohn ich bei Andi. Sagt dir It’s Your Home was?«

      »Schon mal gehört.«

      Und anstatt mich zu beeilen, um nicht allzu spät nach dem Läuten in der Klasse zu sein, erzähle ich Lukas von IYH, Jeremy und Andi blueballoon. Davon, dass ich nicht mehr nach Hause zurückgehe. Meinen Vater erwähne ich nicht. Das wäre zu umständlich. Außerdem tut es nichts zur Sache. Na ja, wahrscheinlich tut es viel zur Sache, aber darüber will ich lieber nicht nachdenken.

      Wir sind vor der Klassentür angelangt, die natürlich schon längst geschlossen ist. Lukas bleibt stehen und sieht mich mit offenem Mund an. »Du verscheißerst mich.«

      Ich halte zwei Finger in die Luft. »Ich schwör’s dir, es stimmt.«

      »Du verscheißerst mich echt nicht?«, wiederholt Lukas.

      Heftig schüttle ich den Kopf.

      »Ich glaub’s nicht. Das ist sowas von genial.«

      Ich grinse. »Hättest nicht gedacht, oder?«

      Er schüttelt den Kopf. »Ehrlich, nie im Leben. Wie fällt einem so etwas ein?«

      Das weiß ich eigentlich auch nicht. Wie fällt einem so etwas ein?

      »Da muss man schon verdammt cool sein.«

      Wahrscheinlich ist es das. Verdammt cool. Ich bin einfach verdammt cool.

      »Wie lang willst’n das durchhalten?«, will Lukas wissen.

      »Puh, frag mich das nicht. Ich schau mal, wie’s läuft. Momentan läuft’s ziemlich gut.«

      Lukas sieht mich anerkennend an. »Ich hätt mir echt nicht gedacht, dass …«

      »Was hättest du nicht gedacht?«

      Er sieht zu Boden. »Nein, ist blöd, nichts.«

      »Jetzt sag schon.« Ich weiß, was ihm auf der Zunge liegt.

      »Na,