Ihre Augen waren voller Bewunderung, in ihren Köpfen war Rangan eine Art Superheldenversion von sich selbst. Und irgendwie hatten sie Rangan mit ihrem Enthusiasmus angesteckt und er erzählte ihnen die Geschichte. Er zeigte ihnen Ausschnitte von der grauenhaften Fahrt durch den Sturm, vom Polizeiwagen, der plötzlich im Regen auftauchte und wie der Van sich fürchterlich drehte und überschlug. Davon, wie er durch den Schlamm gekrochen ist und das Leuchtsignal entzündet hatte.
Und dann wurde ihm bewusst, dass er der Erwachsene hier war. »Ihr müsst immer daran denken, dass ihr niemals ohne einen Erwachsenen mit Feuer spielen solltet! Okay! Versprecht mir das!«
Hast du den BÖSEN COP in die Luft gejagt?!
Bei dieser Frage zuckte er zusammen. Er musste an Melanies Worte denken und hörte sich im nächsten Augenblick selbst geduldig erklären, dass Polizisten auch nur Menschen waren, echte Menschen, auch wenn sie kein Nexus in ihren Köpfen hatten. Und dass sie manchmal einfach verwirrt waren oder jemand hatte sie angelogen oder sie dazu verführt, etwas Schlechtes zu tun.
Die Jungs wurden still. Sie sogen alles in sich auf. Und für einen Moment dachte er, er hätte sie alle verloren.
Dann sendete Bobby an alle: So wie sie uns dazu gebracht hatten, zu glauben, Alfonso wäre keine echte Person mehr?
Rangan nickte langsam.
»Ja, vielleicht«, sagte er. »Vielleicht so in der Art, ja.«
Und dann streckte er sein Bewusstsein aus und zog sie alle in eine Riesenumarmung, größer als er sie mit seinen Armen je hätte bewerkstelligen können.
Ein paar Stunden später watschelte Abigail die Treppen zum Keller hinunter. Levi lief hinter ihr her und hielt ihre Hand, um sicherzustellen, dass sie nicht fiel.
»Der Gottesdienst ist vorbei«, verkündete er lächelnd, als er gebückt an Rangans Liege saß. »Alle sind nach Hause gegangen. Zumindest diejenigen, die es hinausgeschafft haben.«
»Und morgen«, sagte Abigail und klatschte dabei in ihre Hände, »wird es Zeit für euch Jungs, weiterzuziehen, zu eurem neuen Zuhause!«
KUBA!
KUBA!
Bobby griff nach Rangans Hand. »Wir gehen nach Kuba!«
Levis Lächeln bebte ein wenig.
»Nun ja, das werdet ihr wohl«, sagte er. »Aber die Art und Weise, die wir für euch Jungs geplant haben, wie ihr da hinkommt, wird für Rangan nicht funktionieren. Das heißt, ihr müsst nun für eine kurze Weile Auf Wiedersehen sagen.«
Eine Welle von Enttäuschung machte sich unter all ihnen breit.
13| GEFAHRENTRÄGER
Sonntag, 04.11.2040 Pryce empfand das Meeting des Nationalen Sicherheitsrates als eine Abhandlung von Bedrohungen, eine schlimmer als die andere. Keine Gefahrentafel war jemals komplett grün. Das hatte sie schon früh gelernt. Aber nur selten sahen sie aus wie diese hier.
»… stellte eine Aufforderung mit höchster Priorität für die Auslieferung Kaden Lanes«, verkündete der Staatssekretär von einem der riesigen Bildschirme. »Es besteht immer noch ein hohes Risiko, dass Indien aus dem Kopenhagener Abkommen austreten könnte. Sollten sie das tun, dann wäre das ein Desaster. Und sie könnten ein Dutzend unabhängiger Länder mit sich ziehen.«
»Unser Geheimdienst schlägt einen Angriff Chinas auf die Burmesische Insel vor, von der aus Lanes Flug gestartet ist«, sagte der Leiter der CIA von einem anderen Bildschirm heraus. »Sie könnten sogar bereits versucht haben, Lane selbst in die Finger zu kriegen.«
Admiral McWilliams, Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs, unterbrach. »Wir haben unmittelbares Bildmaterial von indischen Streitkräften – nicht chinesischen – die auf Apyar Kyun landeten.
»Wir sollten erwägen, eine Op…«, begann die CIA.
»Nein«, sagte Pryce. »Der Präsident hat sich klar und deutlich ausgedrückt. Indien, Kopenhagen und Lane sind nun alle in den Händen des Staates. Nächster Punkt.«
Sie befand sich in der Air Force One, in einem großräumigen Kontrollraum hinter der Präsidentensuite im oberen Stockwerk des gigantischen Doppeldeckers. John Stockton war zwar bei diesen Meetings willkommen, doch er befand sich gerade im unteren Deck und sprach zu den Pressemitarbeitern, die ihn auf der Reise begleiteten, gab Statements und versuchte Schadensbegrenzungen vorzunehmen.
Er war bei diesem Job bestens aufgehoben, dachte sich Pryce.
Ihr Job war es, die Sicherheit der freien Welt zu gewährleisten.
Die CIA meldete sich wieder zu Wort: »China. Wir haben immer mehr Bestätigung dafür, dass es sich dabei um einen Putsch handelt. Bo Jintao, der Minister für Nationale Sicherheit, ist nun anscheinend federführend in der Sache. Ein Hardliner. Progressive Mitglieder des Politbüros stehen tatsächlich unter Hausarrest …«
Flottenentsendungen. Diplomatische Rückmeldungen. Verletzungen der Menschenrechte. Auswirkungen auf Handelsabkommen. Eindämmungsmaßnahmen. Es gab noch immer so viel mehr zu diskutieren, als sie Zeit hatten.
Und selten war es so schlimm wie zu diesem Zeitpunkt.
»Nächstes Thema«, sagte Pryce nach dreißig Minuten und nickte General Gordon Reid anerkennend zu.
Der Direktor der NSA nickte ebenfalls. Sein zerfurchtes Gesicht sah fast … unbehaglich aus. Da war etwas, das Pryce in dem karriereorientierten Air-Force-Entschlüsselungsfachmann normalerweise nicht sah.
»In der Angelegenheit des Selbstmordes von Direktor Barnes haben wir Beweise gefunden, dass tatsächlich ein feindlicher Angreifer in das Sicherheitssystem seines Hauses eingedrungen war.«
Pryce fühlte einen kleinen Anflug von Überraschung.
Lag ich falsch?, wunderte sie sich. Lag doch der Präsident richtig? War Barnes ermordet worden? War sein Geständnis ein Fake?
»Können Sie den Eindringling ausfindig machen?«, fragte sie.
Reid sprach weiter. »Dr. Pryce, unser forensisches Team fand Anhaltspunkte für einen Anschlag, der von Chinas Advanced Electronic Brigade initiiert und von einem Angreifer aus China ausgeführt wurde.
Auf einmal fingen alle an, gleichzeitig zu sprechen.
Pryce schnitt mit ihrer Hand durch die Luft.
»Ruhe!«
Sie wurden alle still.
»China?«, fragte Pryce den Direktor der NSA. »Sind Sie sicher?«
Reid sah sie an. »Wie Ihnen bekannt ist, kann man in unserem Arbeitsfeld nie von hundertprozentiger Genauigkeit ausgehen.
Aber die Indizien stimmen mit einem Anschlagsmuster überein, das wir der AEB bereits zwei Mal zuvor zuordnen konnten. Und obwohl der Angreifer Maßnahmen ergriffen hat, seine Spuren zu verwischen, haben wir sie dennoch bis hin zur Volksrepublik China nachverfolgen können.«
Pryce lehnte sich zurück und atmete leise aus. China. Ihre Augen drifteten über die digitale Gefahrentafel des Kontrollraums, worauf der Chinesische Putsch mit seinen Hardlinern, die zurück an der Macht waren, stark hervorgehoben war. Taten sie das womöglich, um die USA zu täuschen? Um den Präsidenten davon abzuhalten, auf die Vorgänge dort zu reagieren? Aber dieses Risiko! Diese Provokation!
Es ergab keinen Sinn. Rational betrachtet war dieses Kosten-Nutzen-Verhältnis absurd.
Alle anderen im Raum starrten sie erwartungsvoll