»Servus Hansi«, wurde der Vertreter des Bauhofs von der Bauleiterin in ihrer wie immer überschwänglichen Art begrüßt. Bussi links, Bussi rechts.
»Mei Mandy, ja servus. Super schaust du wieder aus heute. Wie ein Filmstar. Da geht ja die Sonne auf«, antwortete Hansi gleich freudestrahlend und grinste über das ganze Gesicht, weil Mandy ihn als Ersten angesprochen hatte.
Aber dasselbe Spiel wiederholte sie dann bei jedem der anwesenden Herren. Hansis Freude wurde dadurch augenblicklich wieder gedämpft. Es waren ausschließlich Männer bei der Besprechung dabei und da war Mandy natürlich voll in ihrem Element. Wobei Korbinian Glashauser schon ein wenig genervt wirkte, denn er hasste Unpünktlichkeit und dieses Begrüßungsspektakel war jetzt eine weitere Verzögerung des Termins. Nachdem Harald Schmal und Korbinian Glashauser dann die versammelten wichtigen Herrschaften über die Baustelle geführt hatten, waren alle beeindruckt. Keiner regte sich über die schnelle Bauweise auf, zumindest nicht offiziell. Untereinander tuschelte man allerdings schon darüber. Aber wie das halt immer so war, öffentlich sagen mochten das die wenigsten.
Roman Groß, die graue Eminenz der Gemeindepolitik, flüsterte Bürgermeister Brunner ab und zu Geheimnisvolles zu. Was werden die zwei wohl immer zu tuscheln haben?, fragte sich Hansi ein wenig nachdenklich.
Roman Groß war der Filialleiter der Sparkasse – der einzigen Bank im Dorf – und ein vordergründig angesehener Bürger. Viele hatten aber schon am eigenen Leib erfahren müssen, wie »hinterfotzig und ausg’schamt«, also wie hinterhältig und skrupellos er sein konnte. Seine Macht in Sachen Kreditvergabe oder innerhalb seiner kommunalpolitischen Tätigkeit nutzte er schamlos aus, wie Hansi aus vielerlei Geschichten im Dorftratsch immer wieder gehörte hatte. Roman Groß war ein drahtiger, eher klein geratener Endvierziger. Eigentlich hatten kleine Männer ja grundsätzlich wohl auch ein kleineres Selbstbewusstsein, wusste Hansi aus Erfahrung. Nicht so aber Roman Groß. Da war eher sein Nachname Programm. Er war nicht nur in den Gemeinderat, sondern auch in den Pfarrgemeinderat gewählt worden. Hansi fragte sich zwar schon ab und zu, wer ihn denn wohl eigentlich gewählt hatte, aber er war halt ein braver Kirchgänger und sehr »katholisch«.
Hansi glaubte an Gott, keine Frage. Er war in Bayern aufgewachsen und christlich erzogen worden. Aber mit der Institution Kirche konnte er sich im Laufe seines Lebens immer weniger identifizieren. Hauptsächlich wegen der zahlreichen Skandale, die die katholische Kirche in den vergangenen Jahren geliefert hatte. Außerdem fand Hansi schon, dass Pfarrer auch eine Familie haben sollten. Wie sonst könnten sie denn da mitreden? Kindererziehung, Ehe, Partnerschaft – das war manchmal alles kein Zuckerschlecken und halt das wahre Leben. Da sollte man schon auch in der Realität erleben, wie der Hase läuft, bevor man seinen Schäflein in der Gemeinde Ratschläge in diese Richtung erteilte, fand Hansi.
Wenn die Kirche da ein wenig offener und zeitgemäßer wäre, würden sicher auch nicht so viele Gläubige »davonlaufen«, vermutete er. Das stimmte ihn schon manchmal ein wenig traurig, zu gern dachte er an seine Ministrantenzeit zurück und an den alten gutmütigen Pfarrer, dem die Lausbuben in der Kirche damals viele Streiche gespielt hatten. Der gute Messwein, den Hansi und seine Spezln seinerzeit dem Mesner ab und an einmal stibitzt hatten, war Hansi außerdem noch in lebhafter Erinnerung. Als Elfjähriger hatte er seinen ersten richtigen Rausch gehabt und war deshalb von seiner laut schimpfenden Mutter an seinem Ohrwaschel aus der Kirche abgeführt worden, weil er sich, Gott sei Dank noch vor der Frühmesse, in der Sakristei übergeben musste. Zuerst wollte sich Hansi noch auf den Weihrauch hinausreden, aber der Mesner kannte den kleinen Scharnagl damals schon nur zu gut und hatte die leere Messweinflasche im Ministrantenkammerl sofort entdeckt. Das hielt Hansi seinem damaligen Komplizen, dem Huberbauern, heute noch vor, denn der Huber Micherl hatte damals weit mehr als Hansi vom Messwein in sich hineingekippt, aber er vertrug einfach schon als Heranwachsender mehr Alkohol als Hansi. Bei diesen Kindheitserinnerungen wurde Hansi direkt sentimental.
Als Kind nimmt man Dinge so, wie man sie vorfindet oder vorgelebt bekommt, erst später, wenn man das Nachdenken lernt, hinterfragt man vieles. Die Kirche wäre an sich ja eine gute Sache, wenn jeder alles auch so umsetzten würde, wie es gepredigt wurde. Allerdings gab es dann manchmal auch Menschen, die das »Katholisch-Sein« wie einen selbst gebastelten Heiligenschein umhertrugen. Genau die lebten dann eben nicht die Nächstenliebe in den vielen sich bietenden kleinen Möglichkeiten des wahren Lebens. Und wenn doch, dann musste das auch jeder gleich erfahren. Für Hansi waren die Zehn Gebote eine wunderbare Orientierung im Leben, darin war alles Wichtige aufgelistet. Also eigentlich so, dass es jeder kapieren konnte. Aber ihm waren diese »Marketing-Christen« mit der eigenen Auslegung ihres christlichen Lebens einfach alle nicht geheuer.
Roman Groß hatte auch so einen »selbst gebastelten Heiligenschein«, er war der Prototyp von der Sorte Selbstdarsteller-Gutmensch. Außerdem mischte er irgendwie überall mit – im Unterfilzbacher Gemeindeleben. Das mochte Hansi auch nicht. Was Roman ebenfalls vielen Menschen nicht gerade sympathisch machte, war seine Funktion als Fastenprediger beim jährlichen »Derblecken« in Unterfilzbach. So eine Fastenpredigt hatte es schon in sich, das verlangte sehr viel Fingerspitzengefühl und Sensibilität vom Redner. So manch ein Unterfilzbacher nahm ihm die ein oder andere, teils auch noch schlecht recherchierte Geschichte übel. Man konnte meinen, er genoss auch hier seine gesellschaftliche »Macht«, die er jedes Jahr wieder aufs Neue beim Starkbierfest ausüben konnte.
Zu seiner Verteidigung musste man jedoch anmerken, dass Roman vielleicht genetisch ein wenig vorbelastet war, denn er war schließlich der Neffe von Berta Hinkhofer. Alles in allem war Roman in Hansis Augen aber nicht gerade eine vertrauenswürdige Person und dass dieser Roman nun ständig mit dem Bürgermeister tuschelte, passte Hansi gar nicht. Geheimnisse hatte Hansi noch nie gut gefunden. Dazu war er selbst viel zu ehrlich, er konnte ganz schlecht lügen, ohne dass es jemand bemerkte.
Nach der Führung durch den Rohbau der neuen Seniorenresidenz wurde ein regelmäßiger vierzehntägiger Baustellen-Jour-fix vereinbart, um die Baufortschritte gut beobachten zu können. Dann löste sich die illustre Runde auf. Harald und Mandy stiegen wieder in den Porsche und alle Männer gafften der gut gebauten Sächsin mit offenem Mund hinterher, als sie, wie üblich powackelnd, durch den Matsch Richtung Auto stöckelte.
Xaverl Berger stützte sie dabei. Einfach anbiedernd, der Xaverl, dachte Hansi, als er Mandy bei der Abfahrt noch nachwinkte.
Конец ознакомительного фрагмента.
Текст предоставлен ООО «ЛитРес».
Прочитайте эту книгу целиком, купив полную легальную версию на ЛитРес.
Безопасно оплатить книгу можно банковской картой Visa, MasterCard, Maestro, со счета мобильного телефона, с платежного терминала, в салоне МТС или Связной, через PayPal, WebMoney, Яндекс.Деньги, QIWI Кошелек, бонусными картами или другим удобным Вам способом.