»Du hast mich angeschossen, Boy, das wird dich teuer zu stehen kommen! Ich verspreche es dir.«
»Verschwinde!« zischte der Texa-ner ihn an.
Der Zorn verdunkelte den Blick des Cowboys, als er zurückgab:
»Ich gebe dir genau vier Stunden Zeit, Tex, dann bist du entweder verschwunden, oder ich lasse Kleinholz aus dir machen.«
»Großmaul«, stieß Meredith verächtlich hervor.
Der Weidereiter ging auf die Straße, nahm mit dem gesunden Arm die Zügelleinen vom Querholm und zog sich in den Sattel.
Meredtih hatte ihm nachgesehen. Als er jetzt ebenfalls auf den Vorbau hinauswollte, hielt der Salooner ihn am Rockärmel fest.
»Und Sie reiten am besten auch gleich weiter, Mister.«
Ganz langsam wandte der Texaner den Kopf.
»Ach, und weshalb?«
»Weil Sie nicht hierherpassen.«
Wie Gesteinssplitter sprangen die Worte von den Lippen des Fremden:
»Und weshalb passe ich Ihrer Ansicht nach nicht hierher?«
»Weil Sie zu… scharf sind. Ja, Sie sind zu scharf, zu schnell und zu gallig.«
»So. Hätte ich Ihrer werten Meinung nach vielleicht warten sollen, bis mich dieser gehirnschwache Cowpuncher aus den Angeln geschossen hätte, he?«
»Das hätte er nie getan. Freddy ist ein Großmaul, wie Sie ihm vorhin schon richtig nachgerufen haben, aber er ist kein Mann, den man gefährlich nennen könnte. Ein ungebärdiger, etwas wilder Bursche. Nichts weiter.«
»Ihre Ansicht.«
»Nein, Tatsache. Und deshalb sollen Sie weiterreiten, weil Sie gleich scharf werden, giftig und gefährlich. Wir können solche Menschen nicht in der Stadt gebrauchen. Es reicht schon, wenn wir von solchen übermütigen Boys heimgesucht werden. Aber mit denen werden wir fertig. Wird aber erst geschossen, dann kommen auch sie in Scharen und sind gefährlich.«
»Auf was sollte ich warten?«
»Auf nichts. Sie durften nur nicht schießen. Das ist eben der Kniff, den man raus haben muß. Sie haben ihn nicht raus. In dem gefährlichen Augenblick explodieren Sie.«
»Zu meinem Glück, ich wäre höchstwahrscheinlich sonst längst tot.«
Im Abwenden meinte der Salooner:
»Ob das ein Glück ist, daß Sie noch leben, weiß ich nicht…«
Meredith stieß eine pfeifende Lache aus und ging zu seinem Pferd.
Er dachte nicht daran, die Stadt zu verlassen.
Jetzt, da er wußte, daß der Marshal nicht da war, daß die Luft also rein war, würde er sich noch eine Weile hier aufhalten können.
Schließlich war er professioneller Spieler, ein Mann, der vom Poker lebte.
Und wo gab es mehr Spielsaloons als gerade in Dodge City!
Er ritt die ganze Frontstreet hinunter nach Osten bis zum großen neuerbauten Dodge House Hotel.
Der kahlköpfige Mann an der Rezeption blickte über den goldgeränderten Brillenrand und musterte ihn sorgfältig.
»Ich hätte gern ein Zimmer.«
»Natürlich, Mister. Hier ist der Schlüssel. Zimmer neun. Es geht zur Straße hinaus.«
»Laute Gäste nebenan?«
»Nein. Die beiden Räume links neben Ihnen sind noch frei, und rechts liegen zwei Zimmer, die einem Mann gehören, der nicht in der Stadt ist. Aber auch er ist sehr still.« Ein geheimnisvolles Lächeln glitt über die verwelkten Züge des Mannes. »Vielleicht haben Sie seinen Namen schon gehört, Holliday, Doc Holliday.«
Gilbert Meredith hatte alle Mühe, seine Bestürzung zu verbergen.
Doc Holliday!
Um Himmels willen! Das war ja eine tolle Überraschung. Da hatte er sich also direkt neben dem berühmten Gambler und Gunman eingenistet!
Auf diese Nachbarschaft konnte ein Mensch vom Schlage des Texaners nicht eben begierig sein. Wo Doc Holliday war, da war auch Wyatt Earp.
Und wo der war, da hatte ein Pokerspieler von der schrägen Sorte nichts mehr zu lachen.
Well, er würde andererseits aber sofort wissen, wenn der Marshal zurückgekommen war, dann war ja auch Holliday wieder hier – und er konnte weiterreiten.
Er hätte es dann nicht einmal nötig, irgend jemanden nach der Rückkehr des Marshals zu befragen und sich durch solche Fragen verdächtig zu machen.
»Ich nehme das Zimmer.«
»Bitte. Falls Sie gleich essen wollen, Mister – drüben im Speiseraum wird gegessen. Unsere Küche ist ausgezeichnet. So, und wenn Sie sich jetzt noch hier eintragen würden.«
Er reichte dem Texaner das Gästebuch.
Da er keinen Grund hatte, einen falschen Namen anzugeben, trug er sich mit einer linksfallenden, unsicheren, spitzen Schrift als Gilbert Meredith in das Gästebuch des Dodge House ein.
Er blätterte noch eine Weile in dem dicken Wälzer herum und wurde schließlich von dem Kahlköpfigen gefragt:
»Sie suchen etwas?«
»Nicht direkt.«
»Wenn Sie den Namenszug Doc Hollidays suchen, Mister – den werden Sie da nicht finden. Er wohnt schon länger hier.«
Fast wäre der Texaner zusammengezuckt.
Konnte der Kahlkopf etwa Gedanken lesen?
Joel McIntire, so hieß der Mann an der Rezeption, lächete mit einer Mischung von Nachsicht und Überlegenheit.
»Es ist nichts Ungewöhnliches. Manche Leute, die hierherkommen, suchen im Gästebuch nach dem Namen Doc Hollidays.«
Er bückte sich und nahm ein älteres Gästebuch unter dem Pult hervor, schlug mit sicherem Griff eine Seite auf und deutete oben links auf den ersten Namen.
»Hier steht er, sehen Sie.«
Meredith starrte auf die harten, steilen, kräftigen Schriftzeichen, die in schwarzer Tinte auf vergilbten Papier standen.
»John Henry Holliday.«
»Ist er denn kein Doktor?« entfuhr es dem Texaner.
»Doch, aber wenn es einer nicht nötig hat, darauf hinzuweisen, dann ist es sicher er.«
Meredith ärgerte sich über die selbstverständliche Art, mit der der Kahlköpfige über diese Dinge sprach. Wie ein festangestammter Besitz, wie eine Sehenswürdigkeit, so sprach er über den Spieler Holliday, der ein richtiger Doktor war und als Revolverschütze einen Namen hatte, wie wohl kaum ein zweiter Mann im Westen.
Der Texaner suchte sich dem Eindruck dieses Namenszuges und der Worte McIntires zu entziehen.
Was ging ihn das alles schließlich an?
Was hatte er mit Doc Holliday zu schaffen?
Der Georgier war mit Wyatt Earp unterwegs und würde sobald nicht wiederkommen.
McIntire meinte: »Sie sind in Montana.«
»Wer?« fragte Meredith, obgleich er genau wußte, wen der andere meinte.
»Der Marshal und der Doc.«
»Soso«, tat er uninteressiert. In Montana also, na, dann würde er sich ja hier eine ganze Weile aufhalten können.
Er nahm den Schlüssel und ging die Treppe hinauf.
Eine Viertelstunde später kam er frischrasiert herunter und setzte sich zum Essen nieder.
Dann