Hinweis
Viele Chemiker bezeichnen die kleinste Einheit einer Substanz mit derselben Zusammensetzung wie das Gesamtmaterial als „Molekül“, egal ob es sich um eine kovalente oder eine ionische Verbindung handelt; sie sprechen beispielsweise auch von einem „Molekül NaCl“. Dieser unsauberen Sprechweise folgen wir nicht. Wir reservieren den Begriff „Molekül“ für individuelle, kovalent gebundene Teilchen (wie in „ein Molekül H2O“); für ionische Verbindungen verwenden wir den Begriff „Formeleinheit“.
Abb. G.1 Einige typische Lewisstrukturen von einfachen Molekülen und Ionen. Die Strukturen zeigen die Bindungs- und freien Elektronenpaare, sagen aber außer in sehr einfachen Fällen nichts über die Gestalt der Moleküle aus.
Abb. G.2 Die Bezeichnungen der geometrischen Anordnungen, die man zur Beschreibung symmetrischer mehratomiger Moleküle verwendet.
Abb. G.3 (a) Die Einflüsse auf die Molekülstruktur von SF4 nach der VSEPR-Theorie. (b) Das Ergebnis ist eine deformierte Wippe.
Kovalente Bindungen können auch polar sein, d. h. einer ungleichmäßigen Verteilung des Bindungselektronenpaars zwischen den beiden verbundenen Atomen entsprechen. In diesem Fall erhält eines der beiden verknüpften Atome eine positive Partialladung (die man durch δ+ symbolisiert) und das andere eine negative (δ–). Die Fähigkeit eines Atoms, Elektronen an sich zu ziehen, wenn es Teil eines Moleküls ist, wird durch die Elektronegativität χ des Elements beschrieben. Die benachbarte Anordnung gleich großer Partialladungen mit entgegengesetzten Vorzeichen entspricht einem elektrischen Dipol. Wenn die Ladungen +Q und –Q sind und sie einen Abstand d voneinander haben, ist der Betrag des elektrischen Dipolmoments μ = Qd. Ob ein Molekül als Ganzes polar ist oder nicht, hängt von der geometrischen Anordnung der Bindungen ab; symmetrische Molekülen sind oft unpolar, obwohl sie polare Bindungen enthalten. So enthält das Molekül CO2 (das die Struktur OCO besitzt) zwei polare CO-Bindungen, deren Dipole sich jedoch ausgleichen, sodass das Molekül insgesamt unpolar ist.
G.3 Makroskopische Materie
■ Das Wichtigste in Kürze: (a) Makroskopische Materie kommt in drei Aggregatzuständen vor: als Gas, Flüssigkeit oder Festkörper. (b) Der Zustand einer makroskopischen Probe wird durch Angabe ihrer Eigenschaften wie Masse, Volumen, Menge, Druck oder Temperatur festgelegt. (c) Die Zustandsgleichung idealer Gase ist eine Beziehung zwischen Druck, Volumen, Stoffmenge und Temperatur eines idealisierten Gases.
Makroskopische Materie besteht aus einer großen Zahl von Atomen, Molekülen oder Ionen. Sie kann als Festkörper, Flüssigkeit oder Gas vorliegen:
Ein Festkörper ist eine Substanz, die eine feste Form besitzt und diese auch beibehält, egal in welchen Behälter man sie bringt.
Eine Flüssigkeit nimmt die Gestalt des Behälters an, in dem sie sich befindet (bzw. in einem Schwerefeld des unteren Teils des Behälters), und ist von dem ungenutzten Teil des Behälters durch eine definierte Grenzfläche getrennt.
Ein Gas nimmt die Gestalt des Behälters an, in dem es sich befindet, und füllt stets das gesamte zur Verfügung stehende Volumen aus.
Flüssigkeiten und Gase sind Beispiele für den kondensierten Zustand. Flüssigkeiten und Gase bezeichnet man gemeinsam oft als Fluide: als Reaktion auf Kräfte, die von außen auf sie einwirken (z. B. die Schwerkraft) können sie fließen.
Der Zustand einer makroskopischen Probe wird festgelegt, indem man die Werte einer Reihe von Eigenschaften angibt. Zu ihnen gehören:
Die Masse m, ein Maß für die Menge einer Substanz (Einheit: Kilogramm, kg).
Das Volumen V , ein Maß für den von der Probe eingenommenen Raum (Einheit: Kubikmeter, m3).
Die Stoffmenge n, ein Maß für die Zahl von Teilchen (Atome, Moleküle oder Formeleinheiten) in der Probe (Einheit: Mol, mol).
Eine extensive Eigenschaft ist eine Eigenschaft die von der Substanzmenge in einer Probe abhängt; eine intensive Eigenschaft ist eine Eigenschaft, die nicht von der Menge der Substanz abhängt. Das Volumen oder die Masse sind beispielsweise extensive Größen, die Massendichte ρ = m/V (Masse dividiert durch Volumen) ist eine intensive Größe.
Die Stoffmenge n (umgangssprachlich auch die „Molzahl“ genannt), ist ein Maß für die Zahl der Teilchen in einer Probe. Die offizielle Bezeichnung dieser Größe ist „Stoffmenge“, oft spricht man aber kurz von der „Menge“. Die Einheit 1 mol ist als die Zahl von Kohlenstoffatomen in exakt 12 g Kohlenstoff 12 definiert. Die Zahl von Teilchen in einem Mol Substanz wird als Avogadrokonstante NA bezeichnet; ihr Zahlenwert ist 6.022 × 1023 mol–1 (NA ist somit eine Konstante mit einer Einheit und keine reine Zahl, weshalb die gelegentlich anzutreffende Bezeichnung „Avogadrozahl“ falsch ist!). Die molare Masse oder Molmasse M einer Substanz (Einheit: formal Kilogramm pro Mol, in der Praxis meist eher Gramm pro Mol, g mol–1) ist die Masse pro Mol Atome, Moleküle oder Formeleinheiten. Die Stoffmenge einer aus bekannten Teilchen bestehenden Probe kann sehr einfach berechnet werden:
(g.1)
Eine Probe kann einem Druck p (Einheit Pascal, Pa; 1 Pa = 1 kg m–1 s–2) ausgesetzt werden. Dieser ist definiert als die einwirkende Kraft F dividiert durch die Fläche A, auf die diese Kraft wirkt. Eine gasförmige Probe übt auf die Wände des Behälters, in dem sie sich befindet, einen Druck aus, da sich ihre Moleküle in einer unaufhörlichen zufälligen Bewegung befinden und eine Kraft auf die Wand ausüben. Die Häufigkeit dieser Stöße ist unter normalen Bedingungen so groß, dass wir die Kraft – und folglich den Druck – als stetig wahrnehmen. Obwohl das Pascal die SI-Einheit (Abschnitt G.6) des Drucks ist, werden Drücke oft auch in bar (1 bar = 105 Pa) oder Atmosphären (1 atm = 101 325 Pa (exakt)) angegeben, die beide dem typischen Druck der uns umgebenden Atmosphäre entsprechen. Da viele physikalischen Eigenschaften von Substanzen vom Druck abhängen, ist es sinnvoll, einen Standarddruck zu wählen, für den man Werte dieser Größen tabelliert. Dieser Standarddruck ist gegenwärtig exakt p⦵ = 1 bar. Auf die Rolle dieses Standarddrucks werden wir in Kapitel 2 zurückkommen.
Um den Zustand einer Probe vollständig festzulegen, müssen wir auch ihre Temperatur T angeben. Formal ist die Temperatur eine Größe, die angibt, in welcher Richtung Energie in Form von Wärme fließen wird, wenn wir zwei Systeme über eine wärmedurchlässige Wand im Kontakt stehen: Energie fließt vom System