Dies und p* = 101 kPa setzen wir in Gl. (4-12) ein; das Ergebnis ist 12 kPa. Der experimentell bestimmte Wert liegt bei 10 kPa.
Die Phasengrenzlinie fest/gasförmig
In allen für die Phasengrenze flüssig/gasförmig abgeleiteten Beziehungen tauschen wir einfach die Verdampfungsenthalpie gegen die Sublimationsenthalpie ΔSubH aus. Da die Sublimationsenthalpie größer ist als die Verdampfungsenthalpie ( ΔSubH = ΔSmH + ΔVH), kann man der Gleichung entnehmen, dass in der Nähe des Schnittpunkts beider Kurven (im Tripelpunkt, siehe Abb. 4-18) die Sublimationsdruckkurve steiler ansteigt als die Dampfdruckkurve.
Hinweis
Wegen der Empfindlichkeit von Exponentialfunktionen gegenüber Veränderungen des Exponenten sollte man bei numerischen Rechnungen wie dieser vermeiden, Zwischenergebnisse auszurechnen und mit gerundeten Werten fortzufahren.
4.2.3 Die Klassifikation der Phasenübergänge nach Ehrenfest
■ Das Wichtigste in Kürze: (a) Anhand des Verhaltens bestimmter thermodynamischer Größen bei der Temperatur des Übergangs unterscheidet man verschiedene Typen von Phasenübergängen. (b) Die Klassifikation verrät die Art des bei dem Phasenübergang ablaufenden Prozesses aufmolekularer Ebene.
Es existiert eine Vielzahl unterschiedlicher Phasenübergänge. Manchen begegnet man häufig, wie dem Schmelzen oder dem Verdampfen, andere sind seltener wie z. B. Übergänge zwischen verschiedenen Modifikationen von Festkörpern, leitenden und supraleitenden oder flüssigen und suprafluiden Phasen. Wie wir im Anschluss sehen werden, kann man die Phasenübergänge anhand der thermodynamischen Eigenschaften der Stoffe – insbesondere anhand des chemischen Potenzials – in verschiedene Klassen einordnen. Die Idee dieser Einteilung stammt von Paul Ehrenfest; man spricht daher von der Klassifikation nach Ehrenfest.
Abb. 4-18 Die Steigung der Phasengrenzlinie fest/gasförmig ist in der Nähe des Schnittpunkts (Tripelpunkts) steiler als die der Phasengrenzlinie flüssig/gasförmig, weil die Sublimationsenthalpie größer ist als die Verdampfungsenthalpie, aber die Temperaturen, die in der Clausius–Clapeyron-Gleichung für die Steigung auftreten, ungefähr gleich groß sind.
Die thermodynamischen Grundlagen
Viele gewöhnliche Phasenübergänge, wie Schmelzen und Verdampfen, verlaufen unter Änderung von Enthalpie und Volumen. Daraus ergeben sich charakteristische Merkmale für die Steigungen der chemischen Potenziale der beteiligten Phasen auf beiden Seiten des Phasenübergangs. Für einen Übergang von einer Phase α zu einer Phase β gilt
(4-13)
Sowohl ΔTransV als auch ΔTransH sind für Übergänge wie Schmelzen und Verdampfen verschieden von null; die Steigungen des chemischen Potenzials als Funktion des Drucks müssen demnach auf beiden Seiten des Übergangs verschieden sein (Abb. 4-19a). Mit anderen Worten: Die ersten Ableitungen der chemischen Potenziale nach Druck und Temperatur ändern sich am Punkt des Phasenübergangs sprunghaft.
Abb. 4-19 Die Änderungen der thermodynamischen Eigenschaften bei Phasenübergängen (a) erster und (b) zweiter Ordnung.
Ein Phasenübergang, für den die erste Ableitung des chemischen Potenzials nach der Temperatur dieses Merkmal aufweist, heißt Phasenübergang erster Ordnung. Die Steigung der Enthalpie als Funktion der Temperatur ist die Wärmekapazität eines Stoffs bei konstantem Druck, Cp. Bei einem Übergang erster Ordnung ändert sich H bei infinitesimaler Temperaturänderung um einen endlichen Betrag. Am Punkt des Übergangs ist daher die Steigung von H und somit die Wärmekapazität unendlich groß (in der Mathematik spricht man von einer Singularität der Funktion). Physikalisch wird dieser Befund dadurch erklärt, dass die Wärmezufuhr den Phasenübergang bewirkt und eben keine Temperaturerhöhung: Die Temperatur von siedendem Wasser bleibt gleich, obwohl ständig Wärme zugeführt wird.
Abb. 4-20 Die λ-Kurve von Helium zeigt eine Singularität: Hier wird dieWärmekapazität unendlich groß. Die Form der Kurve gab dem λ-Übergang seinen Namen.
Ein Phasenübergang zweiter Ordnung im ehrenfestschen Sinn ist dadurch charakterisiert, dass zwar die erste Ableitung von μ nach der Temperatur am Übergangspunkt stetig verläuft, nicht aber die zweite Ableitung. Ein stetiger Verlauf von μ(T– also eine Kurve, die auf beiden Seiten in der Umgebung des Übergangs die gleiche Steigung besitzt – ist ein Zeichen dafür, dass sich weder Volumen noch Entropie (und daher auch nicht die Enthalpie) während des Übergangs ändert (Abb. 4-19b). Die Wärmekapazität zeigt am Übergang zwar eine Unstetigkeit, wird aber nicht singulär. Beispiel für einen Phasenübergang zweiter Ordnung ist die Umwandlung der normalleitenden in die supraleitende feste Phase von Metallen bei tiefen Temperaturen.2)
Phasenübergänge, die nicht erster Ordnung sind, bei denen die Wärmekapazität aber unendlich wird, bezeichnet man als λ-Übergänge. Die Wärmekapazität der betreffenden Systeme steigt in der Regel bereits lange vor dem eigentlichen Phasenübergang an (Abb. 4-20). Die Gestalt der Kurve erinnert an den griechischen Buchstaben λ. Beispiele sind Ordnungs-/Unordnungsübergänge in Legierungen, das Einsetzen ferromagnetischen Verhaltens und der Übergang vom flüssigen zum suprafluiden Helium.
Mikroskopische Interpretation
Phasenübergänge erster Ordnung gehen in der Regel mit einer Umordnung von Atomen, Molekülen oder Ionen und einer entsprechenden Änderung ihrer Wechselwirkungen einher. So verschwinden z. B. bei der Verdampfung die Anziehungen zwischen den Molekülen; bei einem Phasenübergang erster Ordnung von einem ionischen Polymorph zu einem anderen (z. B. bei der Umwandlung von Calcit in Aragonit) ändert sich die relative Anordnung der Ionen.
Abb. 4-21 Ein Beispiel für einen Phasenübergang zweiter Ordnung: (a) Die tetragonale Phase dehnt sich in zwei Raumrichtungen bevorzugt aus und wandelt sich so in eine (b) Phase mit kubischer Symmetrie um. Die Ausdehnung erfolgt dann in allen drei nun äquivalenten Richtungen gleichmäßig. Da sich die Atome am Phasenübergangspunkt nicht sprunghaft umordnen, beobachtet man keine Übergangsenthalpie.
Eine