Häufige Begleiterkrankungen bei starkem Übergewicht
• Einschränkungen des Bewegungsapparates (z. B. Rückenschmerzen, Arthrosen)
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen (z. B. Koronare Herzerkrankung, Herzinfarkt, Herzinsuffizienz)
• Bluthochdruck (z. B. Schlaganfall, Arteriosklerose)
• Beeinträchtigungen der Lungenfunktion (z. B Schlaf-Apnoe-Syndrom, Asthma, Pickwick-Syndrom)
• Beeinträchtigung der Schlafqualität
• Entstehung von Magen-Darm-Erkrankungen (z. B. Gallensteine, Reflux-Erkrankungen, Fettleber, Leberzirrhose)
• Stoffwechselerkrankungen (z. B. metabolisches Syndrom, Typ-2-Diabetes, Gicht, Fettstoffwechselstörungen, Eisenmangel)
• Urologische Erkrankungen (z. B. Urininkontinenz, Prostatakrebs, Nierenkrebs)
• Psychiatrische Erkrankungen (Angststörungen und Depressionen)
• Krebserkrankungen (z. B. Karzinome des Dickdarms, der Leber, der Gallenblase, des Uterus, der Brust, der Eierstöcke, der Prostata, der Niere und der Bauchspeicheldrüse)
• Augenerkrankungen (z. B. Katarakt)
• Dermatologische Erkrankungen (z. B. Intertrigo, Dermatitis)
• Gerinnungsstörungen (z. B. Thrombosen und Thromboembolien, tiefe Beinvenenthrombosen)
• Vorzeitiger geistiger Verfall, bis hin zur Demenz (?)
• Funktionsstörungen (z. B. Zuckerstoffwechsel, Beeinträchtigung der Periode, unerfüllter Kinderwunsch, geringere Wirksamkeit der hormonellen Antikonzeption („Pille“)
• Schwerer Verlauf bestimmter Viruskrankheiten (z. B. COVD-19)
• Hohe Operationsrisiken und Therapiekomplikationen
Übergewicht, ein Risiko für Krebserkrankungen
Die Mehrheit der Bevölkerung bringt Krebs eher mit Unter- als mit Übergewicht in Verbindung. Tatsächlich sind die Zusammenhänge zwischen Übergewicht und der Entstehung klinisch relevanter Krebserkrankungen jedoch eindeutiger. Sie sind allerdings nicht bei jeder Krebsart gleich ausgeprägt. Der zur Krebserkrankung führende Wirkmechanismus ist z. B. bei hormonempfindlichen Karzinomen (Brust-, Gebärmutter- und Prostatakrebs) ein anderer als bei hormonunabhängigen Tumoren.
Krebserkrankungen, bei denen ein ursächlicher Zusammenhang mit Übergewicht anaenommen wird (Pearson-Stuttard et al 2018)
• Speiseröhre (Adenokarzinom)
• Magen (speziell am Mageneingang)
• Bauchspeicheldrüse
• Gallenblase
• Leber
• Dickdarm (weniger der Enddarm)
• Brust (vorwiegend nach den Wechseljahren)
• Eierstock
• Gebärmutter
• Prostata
• Niere
• Melanom (?)
• Multiples Myelom
• Akute Leukämien und Non-Hodgkin-Lymphome
Je ausgeprägter das Übergewicht ist, umso größer ist die Erkrankungsgefahr. Starkes Übergewicht (BMI > 30 kg/m2) ist ein eindeutiger Risikofaktor, mittleres Übergewicht (BMI zwischen 27 und 30 kg/m2) eher ein wahrscheinliches Risiko. Leichtes Übergewicht (BMI zwischen 24 und 27 kg/m2) beeinflusst weder das Krebsentstehungs- noch das Sterblichkeitsrisiko.
Mehrere Wirkmechanismen kommen, in Frage (Heikenwälder et al 2019). Als gesichert gilt, dass Übergewicht – anders als klassische Kanzerogene – nicht die DNA-Struktur schädigt und Mutationen erzeugt, sondern die Aktivität und Wirkung von Kanzerogenen und Genmutationen beeinflusst. Übergewicht ist somit ein Tumorpromotor. Erst das Zusammenwirken von Tumorpromotoren mit Genmutationen führt zu einer Krebserkrankung!
Übergewicht ist häufig mit einer Insulinresistenz und einem erhöhten Insulinspiegel assoziiert, der das Zellwachstum stimuliert und latente Krebszellen aktiviert. Dass Insulin den Abbau von Fett hemmt und so die Bildung von Fettdepots begünstigt, ist ein weiterer Faktor, der die Krebsentstehung begünstigt.
Eine große Bedeutung haben Entzündungsfaktoren. Fettgewebe unterstützt einen dauerhaften Entzündungszustand, der zum Wachstum und zur Aggressivität von Krebszellen beiträgt. Entzündungsstoffe schwächen auch die Immunabwehr und begünstigen somit die Krebsentwicklung.
Bei Übergewichtigen kommt es häufig zu einer veränderten Zusammensetzung der Darmflora (Dysbiose). Chronische Entzündungen und Erkrankungen des metabolischen Syndroms sind die Folge. Sie gelten als Krebsrisikofaktoren
Bei korpulenten Frauen ist das Fettgewebe nach den Wechseljahren eine Quelle für die Aromatase und Östrogene. Letztere fördern hormonabhängiges Krebswachstum im Brustgewebe und in den Schleimhautzellen der Gebärmutter.
Neben Immunzellen können Fettzellen selbst Signalmoleküle produzieren (Adipokine). Zu den bekanntesten gehören Adipokin und Leptin. Leptin beeinflusst das Hungergefühl. Niedrige Adinopectin-Werte korrelieren mit einem erhöhten Risiko für Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bösartige Tumore. Bei stark übergewichtigen Personen wird Adiponectin in geringeren Mengen nachgewiesen als bei normalgewichtigen Menschen.
Übergewicht erschwert die Diagnostik, so z. B. sonografische Untersuchungen. Wegen der eingeschränkten Strahlenplanung, der beeinträchtigten Medikamentenwirkung und der höheren Operationsrisiken verlaufen Krebserkrankungen bei Übergewichtigen häufig ungünstiger.
Übergewichtige haben in der Nachsorge eindeutige Nachteile; so z. B. ein höheres Wiedererkrankungsrisiko. Für das Rehabilitationsteam stellen stark Übergewichtige eine Herausforderung dar.
Kriterien, die bei der Bewertung von Studien zu Übergewicht und Krebs zu beachten sind
Während sich der Effekt einer Krebsvorsorge-Früherkennung bzw. der einer Chemo- oder Hormontherapie relativ einfach feststellen lässt, ist dies bei der Frage, ob Übergewicht die Entstehung beeinflusst, wesentlich schwieriger. Dies liegt an der Komplexität der Krankheitsentwicklung und der manchmal bis zu Jahrzehnten dauernden Einwirkungszeit von der Einwirkung des Lifestylefaktors bis zur Krankheitsmanifestation. Dies ist aber nur einer der Gründe, weswegen der Nachweis vieler Untersuchungen zum Einfluss von Übergewicht auf das Krebsgeschehen wissenschaftlichen Ansprüchen nicht standhält.
Zahlreiche Studien sind schon vom Konzept und der Methodik her ungeeignet, da in ihnen fälschlicherweise davon ausgegangen wird, dass Krebs ausschließlich die Folge von Übergewicht ist. Es wird nicht berücksichtigt, dass noch viele andere Einflüsse vorhanden sein müssen, damit es zum Ausbruch der Erkrankung kommt (Pan et al 2009). In der Regel handelt es sich bei den Untersuchungen auch nur um Beobachtungsstudien, die nur darauf hinweisen können, dass zwei Dinge möglicherweise miteinander zusammenhängen. Im Optimalfall können sie Korrelationen, nicht aber Kausalitäten nachweisen.
Eine Korrelation sollte bestenfalls als Grundlage für eine Hypothese dienen, die mittels weiterer Untersuchungen (und anderer Methoden) erhärtet werden muss. Statistisch gesehen, ist es z. B. eindeutig, dass stark Übergewichtige häufiger an bestimmten Krebsarten erkranken als Normalgewichtige. Das ist allerdings noch kein Beweis für eine Kausalität, denn Übergewicht geht häufig mit anderen krebsfördernden