Neben den BRCA1- und BRCA2-Genen gibt es noch weitere Gene, deren Mutationen das Brustkrebsrisiko erhöhen (z. B. ATMBARD1, CDH1, CHEK2, PALB2, PTEN, SNPs, TP53). Noch ist unklar, ob Lifestyle-Maßnahmen – wie die Reduzierung von Übergewicht – die Erkrankungs- und Sterberate bei diesen erblich belasteten Frauen senken. Mit Spannung wartet man auf die Ergebnisse einer großen deutschlandweiten Studie, die sich mit der Frage befasst, ob übergewichtige Trägerinnen mit einem angeborenem Erkrankungsrisiko von Life-Style-Einflüssen wie z. B. Übergewicht beeinflusst werden (LIBRE-Studie II, www.brca-netzwerk.de) (Zeinomar et al 2019).
Die doppelseitige Brustentfernung reduziert bei BRCA1-Mutationsträgern das Erkrankungs- und Sterberisiko. Bei BRCA2-Trägerinnen und bei den anderen vererblichen Krebsgenträgerinnen ist das weniger eindeutig.
Relatives Sterberisiko für Brustkrebspatientinnen nach den Wechseljahren (RR) (Chan, D et al 2014)
• starkes Übergewicht (BMI > 30): RR = 1,41
• starkes Übergewicht vor den Wechseljahren (BMI > 30): RR = 1,75
• starkes Übergewicht nach den Wechseljahren (BMI > 30): RR = 1,34
• mittleres Übergewicht (BMI 25 bis 30): RR = 1,07
• Untergewicht (BMI < 18,5): RR = 1,1
Hypothesen, die das erhöhte Krebsrisiko bei übergewichtigen Frauen erklären
• Die Erfahrung, dass besonders übergewichtige Frauen nach den Wechseljahren gefährdet sind und mehrheitlich hormonempfindliche Tumore entstehen, spricht für hormonelle Einflüsse.
• Auf die Entstehung von Krebsvorstufen (DCIS und CLIS) hat Übergewicht – wenn überhaupt – nur einen geringen Einfluss. Eher wird der Übergang von Krebsvorstufen zu invasiven Karzinomen gefördert und/oder die Invasionsbereitschaft des Gewebes (Microenvironment) für Krebs erhöht.
• Es kommt zu einer erhöhten Aktivierung von Onkogenen (z. B. Ras-, MAPK- und PI3K-Signalweg).
• Übergewichtige Frauen bewegen sich nur wenig und haben allein schon deshalb schon ein erhöhtes Erkrankungsrisiko. Korpulente, , jedoch körperlich aktive Frauen haben kein erhöhtes Krankheitsrisiko
• Fettgewebe wirkt wie ein latenter Entzündungsherd, der zu einer ständigen Zellstimulation führt.
• Fettgewebe ist eine Quelle für Aromatase und Östrogene, die – bei Frauen nach den Wechseljahren – hormonabhängiges Krebswachstum fördern. Der Östrogenspiegel ist bei korpulenten Frauen nach den Wechseljahren um 50 bis 100 % höher als bei schlanken Frauen (Key et al 2003).
• Fettgewebe ist ein Produktionsort von proinflammatorischen Zytokinen, wie Interleukin6, TNF alpha oder Leptin, die die Tumorprogression unterstützen.
• Fettdepots begünstigen eine Insulinresistenz, die kompensatorisch zur Bildung insulinähnlicher Wachstumsfaktoren führt. Zwischen Insulin und dem Fettstoffwechsel bzw. Östrogenspiegel bestehen Wechselwirkungen (Kabat et al 2009).
• Übergewicht ist häufig mit dem Risikofaktor Typ-2-Diabetes assoziiert.
• Da korpulente Frauen (zumeist aus Scham) seltener an Krebsvorsorge-Untersuchungen teilnehmen, wird der Krebs bei ihnen oft erst in einem fortgeschrittenen Stadium entdeckt.
Kommentar und Empfehlungen: Übergewicht sollte bereits in der Jugend und im jugendlichen Erwachsenenalter vermieden werden, denn „schlafende Krebszellen“ befinden sich lange vor Ausbruch der Erkrankung im Brustgewebe, die bei Übergewicht „geweckt“ werden und sich viele Jahre später zu einer Brustkrebserkrankung entwickeln.
Eine Reduzierung des Body-Mass-Index von 30 auf 27 senkt das Krebsrisiko bereits merklich (Parker u. Folsom 2003).
Speziell nach den Wechseljahren sollten Frauen ihren Alkoholkonsum reduzieren.
Alle Arten einer längeren Hormonersatztherapie (HRT) gehen bei Einsetzen der Wechseljahre mit einem zusätzlichen Krebsrisiko einher. Hormonersatztherapien (HRT) sollten daher – laut Europäischer Arzneimittel-Agentur (EMA) - nur kurzzeitig und niedrig dosiert eingesetzt werden. Antihormone, wie Aromatasehemmer und Tamoxifen, werden hingegen bei Frauen nach den Wechseljahren erfolgreich zur Krebsprophylaxe eingesetzt. Sie hemmen die Bildung von körpereigenen Östrogenen.
Frauen mit einem angeborenen genetischen Erkrankungsrisiko sollten über die verschiedenen Behandlungsalternativen aufgeklärt werden. Eine umfassende, individuelle und strukturierte Beratung gibt es in Zentren für Familiären Brust- und Eierstockkrebs. Diese Zentren sind im Deutschen Konsortium für Familiären Brust- und Eierstockkrebs organisiert (www.brca-netzwerk.de).
Kommentar zur Relevanz der Mammographie-Krebsvorsorge-Früherkennung
Obwohl Empfehlungen für ein Mammographie- Screening- weiterhin den Standard der Versorgung darstellen, haben Studien aus den USA und anderen Ländern, einschließlich Australien, den Niederlanden und Norwegen, ihren Wert in Frage gestellt. Sicher ist, dass der Nutzen des Mammographie-Screenings allgemein überschätzt wird. Vorteile sind nicht in allen Altersstufen erkennbar. Vor dem 40. Lebensjahr überwiegen die gesundheitlichen Nachteile. Anstatt einer Mammographie sollte in diesem Lebensabschnitt – wenn überhaupt – eine Sonographie zur Früherkennung durchgeführt werden. Sie ist bei einer dichten Brust wesentlich aussagekräftiger und hat keine strahlenbedingten Nebenwirkungen. Eine in der Mammographie dichte Brust stellt einen eigenständigen Risikofaktor dar.
Zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr ist der Nutzen routinemäßiger Mammographien fraglich. Die europäischen Leitlinien sehen erst ab dem 45. Lebensjahr einen Nutzen. Zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr überwiegen eindeutig die Vorteile. Das Mammographie-Screening sollte dann alle zwei Jahre durchgeführt werden – im Alter von 70 bis 74 Jahren alle drei Jahre.
Empfindlicher (sensitiver) als die Mammographie ist die Kernspin-Untersuchung, die gerade biologisch aggressives Gewebe gut erkennt
Die digitale Tomosynthese, die als eine “bessere Mammographie“ beworben wurde, ist mit einer etwas höheren Strahlenbelastung als die normale Mammographie assoziiert.
Frauen mit angeborenem Herzfehler sowie Frauen, die auf dem Brustkorb bestrahlt wurden sowie BRCA-Trägerinnen sind Hochrisikopatientinnen. Bei ihnen sollten ab dem 25. Lebensjahr routinemäßig MRT-Untersuchungen (Kernspin) vorgenommen werden. Sie sind aussagekräftiger – und auch nebenwirkungsärmer – als die Mammographie.
Zunehmend äußern Experten Zweifel am Wert des Brustkrebsscreenings und schlagen vor, staatlich geförderte Screening-Untersuchungen abzubrechen, da sie die Brustkrebssterblichkeit nicht verringern. Der Rückgang der Brustkrebssterblichkeit sei nicht dem Screening, sondern dem verstärkten Einsatz adjuvanter Therapien zu verdanken, sagen sie. Studien, die Überlebenszeiten ausschließlich nach diagnostischen Maßnahmen wie der Mammographie nachweisen, sind in Anbetracht der Einflüsse von adjuvanten und curativen Therapien von fraglichem Wert.
Kriterien für eine Analyse der BRCA1 und BRCA2- Gene
• Die Wahrscheinlichkeit für eine vererbliche Anlage (genetische Mutation) liegt bei mindestens 10 %.
• Mindestens drei Frauen in der Familie haben (hatten) Brustkrebs (unabhängig vom Alter).
• Mindestens zwei Frauen in der Familie haben (hatten) Brustkrebs (eine von ihnen vor dem 51. Geburtstag).
• Mindestens zwei Frauen in der Familie haben Eierstockkrebs (unabhängig vom Alter).
• Mindestens eine Frau in der Familie hat Brustkrebs vor dem 36. Geburtstag.
• Mindestens eine Frau in der Familie hat