Der von Installationsmeister Röhrl nicht entnommene und besteuerte Gewinn stellt ein Einkommen seines Unternehmens dar und wird vollständig zum Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Beteiligung an einem anderen Unternehmen) verwendet, da Unternehmen definitionsgemäß nicht konsumieren. Dagegen erhöht der entnommene Gewinn das Einkommen seines privaten Haushalts und steht dann (ohne nochmalige Besteuerung) für den Kauf von Konsumgütern zur Verfügung. Verbleibt danach noch ein Einkommensrest, so dient er ebenfalls dem Sparen (z. B. in Gestalt von Bankguthaben oder einer Alterssicherung).
Es darf nicht übersehen werden, dass auch die Personalkosten von Installationsmeister Röhrl aus volkswirtschaftlicher Sicht ein Einkommen entstehen lassen und damit zum Volkseinkommen beitragen, nämlich bei seinen Beschäftigten, über das diese dann nach Entrichtung der Lohn- und Einkommensteuer entsprechend ihren Wünschen verfügen. Auch bei ihnen gilt, dass die nicht zum Konsumgüterkauf verwendeten Einkommen dem Sparen dienen. Und letztlich entstehen auch durch die Steuerzahlungen (direkte und indirekte Steuern) der privaten Haushalte und Unternehmen Einkommen, nämlich im staatlichen Sektor. Sie zählen zwar nicht zum Volkseinkommen, da sie kein Faktoreinkommen sind, werden vom Staat nach Zahlung von Transfers (z. B. in Gestalt von Kindergeld an die Beschäftigten von Installationsmeister Röhrl) aber dann ebenfalls zum Kauf bzw. Eigenverbrauch von Konsumgütern (z. B. in Gestalt der produzierten Bildungsleistungen = Staatskonsum) verwendet. Der Rest stellt wiederum Sparen dar, das auch negativ sein kann, wenn die Konsumausgaben das verfügbare Einkommen überschreiten, eine im staatlichen Sektor keineswegs unrealistische Situation und mit einer Erhöhung der Staatsverschuldung verbunden.
Situationsbezogene Frage 5
Wie hat Installationsmeister Röhrl mit der Ausdehnung seiner Produktion zur volkswirtschaftlichen Vermögensbildung beigetragen?
1.2.5 Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto und die Beziehung zwischen Sparen und Investieren
Bildung und Finanzierung von Produktivvermögen
Der gesamtwirtschaftliche Vermögensbegriff ist produktionsbezogen, d. h., als Vermögensbildung gilt nur, was entweder direkt der Produktion dient wie die Nettoinvestitionen (Sachvermögensbildung) oder ihr zumindest indirekt als Finanzierungsquelle der Nettoinvestitionen über das Sparen (Reinvermögensbildung) zugute kommt. Übersteigt die Reinvermögensbildung die Sachvermögensbildung und treten demnach Finanzierungsüberschüsse (FÜ) auf, so kommt es zur Geldvermögensbildung. Das Vermögensänderungskonto macht diese Vorgänge sichtbar und übernimmt dabei wiederum die Funktion, die Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto aufzunehmen, und zwar in Gestalt der Bruttoinvestitionen und Abschreibungen bzw. in Gestalt des Sparens.
Allerdings tritt dabei das Problem auf, dass die Bruttoinvestitionen (Ib) und Abschreibungen (D) bzw. deren Differenz, die Nettoinvestitionen (In), nach dem Inlandskonzept, das Sparen (S) aber nach dem Inländerkonzept ermittelt worden sind. Ist es also zu einem Finanzierungsüberschuss gekommen, weil das Sparen größer als die Nettoinvestitionen war (S > In), so kann dieser Finanzierungsüberschuss nicht nur darauf zurückgeführt werden, dass ein Exportüberschuss (Ex > Im) entstanden ist, sondern es können auch Finanzierungsmittel aus der Differenz von Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) und Nettotransferzahlungen an die übrige Welt (TrN→üW) zugeflossen sein. Für den Fall S > In muss also für den Saldo des Vermögensänderungskontos gelten: FÜ = Ex + Im + PEN←üW − TrN→üW. Die einzelnen Komponenten des Saldos sind gleichsam die noch fehlenden Gegenbuchungen zum Produktions- und Einkommenskonto, die wir aber noch gesondert auf dem Konto der übrigen Welt erfassen werden.
Wird das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto auf die beschriebene Weise gefüllt und saldiert, so wird es auf das Inländerkonzept vereinheitlicht und erhält folgende Gestalt:
Sparen gleich Investieren
Das gesamtwirtschaftliche Vermögensänderungskonto führt uns zu der wichtigen Einsicht, dass die Höhe des gesamtwirtschaftlichen Sparens aufgrund der Begriffswahl in einer geschlossenen Volkswirtschaft (d. h., ohne Berücksichtigung der Wirtschaftsbeziehungen zur übrigen Welt wie z. B. durch Export und Import) am Ende der Rechnungsperiode immer den Nettoinvestitionen entsprechen muss: S = In.
Investitionen ohne Sparen nur durch internationale Verschuldung oder Geschenke
Positive Nettoinvestitionen und damit eine Ausdehnung des Sachkapitalbestandes bzw. der zukünftigen Produktionskapazitäten sind also in einer geschlossenen Volkswirtschaft nur durch Konsumverzicht möglich. Länder, die sich aufgrund eines ohnehin geringen Versorgungsniveaus der Bevölkerung mit Konsumgütern keinen weiteren Konsumverzicht leisten können und demnach Schwierigkeiten mit dem Sparen haben, können Investitionen daher zwangsläufig nur durch Öffnung ihrer Volkswirtschaft und über einen Importüberschuss (Im > Ex) und damit durch Verschuldung in der übrigen Welt finanzieren. Die Verschuldung lässt sich lediglich durch empfangene Nettoprimäreinkommen aus der übrigen Welt (PEN←üW) oder/und durch empfangene Nettotransferzahlungen („Geschenke“) aus der übrigen Welt (TrN←üW = − TrN→üW) mildern. Für diejenigen, die es genau wissen wollen:
In einer offenen Volkswirtschaft gilt nach den bisherigen Begriffen bzw. Symbolen:
S = Yv − C = NNE − TrN→üW − (Cpr + Cst) = NIP + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)
S = Cpr + Cst + Ibpr + Ibst + Ex − Im − D + PEN←üW − TrN→üW − (Cpr + Cst)
S = Ibpr + Ibst − D + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW
S = In + Ex − Im + PEN←üW − TrN→üW
Wenn S = 0, dann gilt:
In = (Im − Ex) − PEN←üW + TrN→üW = (Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW
Die Nettoinvestitionen (In) sind in diesem Fall mit einem Finanzierungsdefizit ((Im − Ex) − PEN←üW − TrN←üW) auf der rechten Seite des gesamtwirtschaftlichen Vermögensänderungskontos verbunden. Es entspricht dem Leistungsbilanzdefizit, wie wir im 8. Kapitel bei der Darstellung der Zahlungsbilanz noch sehen werden. Das Land ist also in diesem Fall voll auf die Hilfe aus der übrigen Welt angewiesen.
Situationsbezogene