4
Der blonde, gutaussehende Matthias Wylander lehnte an seinem roten Mercedes-Kabrio, als Stefanie aus dem Freibad kam. Sie trug ein beschwingtes Kleid aus Baumwollmix mit kleinen Karos, dessen raffinierter Kragen im Rücken zu einem Neckholder überging, und hatte ihre große Sporttasche geschultert.
Matthias sah wie aus dem Ei gepellt aus. Seine weißen Hosen hatten rasiermesserscharfe Bügelfalten. Er trug ein blaues Wylander-Poloshirt und mehrere Goldkettchen um den Hals.
Stefanie winkte ihm zu. Er ging ihr lächelnd entgegen, küsste sie auf die weichen, warmen Lippen und nahm ihr die Sporttasche ab. Sie strahlte ihn an.
„Ich war heute besonders gut“, erzählte sie.
„Ich habe deinen letzten Sprung von hier aus gesehen“, sagte Matthias und stellte ihre Sporttasche auf die Rücksitze. „Jedenfalls einen Teil davon.“ Er schmunzelte. „Du hast im Wylander-Badeanzug eine traumhafte Figur.“
„Sonst nicht?“
Matthias griff mit beiden Händen nach ihrer schmalen Taille. „Sonst natürlich auch.“
Plötzlich tauchte ein Fotograf auf und knipste drauflos, ohne zu fragen. Stefanie war das nicht ganz recht, aber Matthias hatte nichts dagegen.
Er drückte Stefanie an sich und posierte grinsend mit ihr. Er küsste sie sogar mehrmals und fragte den Fotografen dann lachend: „Hast du’s auch ganz sicher im Kasten, Sportsfreund, oder soll ich noch mal?“
Stefanie machte gute Miene zum bösen Spiel, aber wohl fühlte sie sich nicht dabei, und sie sagte Matthias das auch, sobald sie mit ihm allein war.
Er lachte. „Ach, komm, stell dich nicht so an! Wir können Publicity gebrauchen. Je mehr die Leute über uns reden, desto besser ist es für dich und für die Wylander-Unternehmen. Dein Marktwert steigt, und die Menschen kaufen verstärkt Wylander-Produkte. Du bist populär. Aber du hast nur ein paar fette Jahre, danach kräht kein Hahn mehr nach dir. So ist das nun mal bei Sportlern. Also muss man das Schaf scheren, solange es Wolle hat.“
Sie setzten sich in das elegante Sportcabrio.
„Manchmal habe ich den Eindruck, du bist mit mir nur zusammen, weil das gut für die Wylander-Fabriken ist“, sagte Stefanie verstimmt.
„Unsinn, aber was spricht dagegen, dass man das Angenehme mit dem Nützlichen verbindet? Du bist ein gutes Zugpferd.“
„Ich bin kein Pferd.“
„Sei doch nicht so empfindlich“, meinte Matthias leichthin. „Ich meine das doch nur im übertragenen Sinn.“
„Und ich mag es nicht, wenn mich jemand ohne mein Einverständnis vor seinen Karren spannt.“
„Vor welchen Karren denn?“ Matthias sah sie befremdet an. „Wir lieben uns. Wir gehören zusammen.“
„Du schlägst daraus Kapital, und das gefällt mir nicht.“
„Es ist ein angenehmer Nebeneffekt. Was ist denn schon dabei? Mein Vater findet, dass ich zu wenig für die Firma tue.“ Er strich ihr sanft über das dunkle Haar. „Auf diese Weise kann ich ihm den Wind aus den Segeln nehmen und habe mehr Zeit für dich. So musst du das sehen.“ Er zog sie in seine Arme und küsste sie leidenschaftlich. „Ich liebe dich irrsinnig, Stefanie.“
Sie fragte sich unwillkürlich, wie vielen Frauen er das schon vor ihr gesagt hatte.
„Ich liebe dich, wie ich noch keine andere geliebt habe“, schwor Matthias in diesem Moment, und Stefanie war bereit, ihm zu glauben, weil es so schön war, von einem Mann wie Matthias Wylander geliebt zu werden.
5
Bibiane Wylander war schrecklich aufgeregt. Sie hatte vor, ihren Mann zur Liebe zu verführen. In den fünfundzwanzig Jahren, die ihre Ehe nun schon dauerte, hatte sie das noch nie getan. Die Initiative war immer von Jan ausgegangen, doch seit seinem Herzinfarkt hatte er Angst, sie zu berühren, und es lag nun bei ihr, ihm diese Angst behutsam zu nehmen. Eine ungewohnte Rolle, in die sie da gedrängt wurde, aber wenn sie nicht den ersten Schritt tat, würde Jan wohl nie mehr mit ihr schlafen, und sie sehnte sich so sehr nach Liebe und Zärtlichkeit.
Liebe kann so rein, so schön, so erfüllend sein, auch noch für Menschen, die bereits ein Vierteljahrhundert miteinander verheiratet sind.
Bibiane hatte gebadet, bevor sie zu Dr. Härtling gefahren war, und sie badete nun noch einmal. Es war Teil ihrer Vorbereitungen für den Abend, der ihr hoffentlich endlich wieder die lange vermissten Gefühle bescheren würde.
Nach dem Bad stand sie vor dem offenen Kleiderschrank und überlegte, wie sie Jan empfangen sollte, wenn er vom Büro nach Hause kam.
Wenn er einen anstrengenden Tag hinter sich hat, fällt es ihm nicht einmal auf, wenn ich ihm nackt gegenübertrete, dachte Bibiane düster. Im Moment trug sie nur ein Höschen und den BH. Sie betrachtete sich im Wandspiegel, war eine sehr strenge Kritikerin, durfte sich aber doch bescheinigen, dass sie nach wie vor begehrenswert aussah.
Sie hatte sich lange genug zurückgehalten und ihren kranken Mann geschont, obwohl es nicht nötig gewesen wäre, wie sie seit heute wusste. Sie hatte nicht die Absicht, Jan wie einen Zwanzigjährigen zu fordern, aber zwischen hemmungsloser Ekstase und überhaupt nichts gab es ja auch noch den goldenen, gesunden Mittelweg, und den wollte sie mit ihrem Mann in inniger Verbundenheit einschlagen.
Nachdenklich sah sie ihrem attraktiven Spiegelbild in die Augen. „Ob ich’s bringen werde?“, hörte sie sich murmeln.
„Warum nicht?“, vernahm sie eine Stimme in sich. „Du bist noch immer so anziehend wie früher, ein bisschen mehr Selbstvertrauen könnte wirklich nicht schaden.“
Bibiane biss sich auf die Unterlippe. „Ich habe Angst, mich zu blamieren.“
„Du musst an dich glauben.“
Bibiane seufzte schwer: „Ach, ich wollte, ich hätte es bereits hinter mir, und es wäre gutgegangen.“
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