„Ich kann es verkraften.“
„Du, du hast die Zeitungen gelesen, ja?“, presste Matthias mühsam hervor.
„Nach dem Wettkampf. Vorher hatte ich keine Ahnung.“
„Hier ist der Teufel los“, stöhnte Matthias.
„Hier auch“, sagte Stefanie.
„Es wimmelt nur so von Reportern, aber ich sage denen kein Wort.“
„Ich auch nicht“, gab Stefanie zurück. „Das ist eine Sache, die nur uns beide angeht.“
„Und Uschi Lang“, meinte Stefanie frostig.
„Wir müssen reden, Stefanie. Mir tut das alles furchtbar leid. Ich, ich kann es erklären.“
„Ich bin an keinen Erklärungen interessiert“, erklärte sie abweisend.
„Du musst mir Gelegenheit geben, mich zu verteidigen.“
„Ich klage dich nicht an“, erwiderte sie emotionslos. „Es ist nur aus und vorbei, sonst nichts.“
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie ich mich fühle!“
Es zuckte in ihrem hübschen Gesicht. „Wie immer du dich fühlst, ich fühle mich zehnmal schlechter.“
„Lass mich dir erklären ...“
„Wozu?“, fragte sie. Ihre Stimme klirrte wie Glas.
„Es ist mir wichtig, dass du weißt, dass ich unschuldig bin.“
Unschuldig, dachte sie. Dass ich nicht lache! Ich habe die Bilder vor mir. So taktlos benimmt sich kein Unschuldiger in aller Öffentlichkeit. „Du spielst keine Rolle mehr in meinem Leben“, sagte sie rau.
„So hart kannst du nicht sein.“
„Ich kann“, erklärte Stefanie knapp und legte auf.
24
Tags darauf war sie wieder ansprechbar, und diese Gelegenheit nützte Robert, um ihr zu zeigen, dass sie auf ihn zählen konnte. Er hatte viele trostreiche Worte für sie, und sie fand es nett von ihm, dass er sich so sehr um sie kümmerte. Sie hatte jetzt viel Aufmunterung und guten Zuspruch nötig. Konnte sich keinen depressiven Durchhänger leisten, weil schon bald das nächste Meeting auf dem Programm stand, und da musste ihr Kopf frei sein, denn sie wollte ihre schlechte Leistung in Berlin vergessen machen. Wenn sie schon privat nicht erfolgreich war, wollte sie es wenigstens auf der sportlichen Schiene sein.
Robert saß auf dem Rückflug wieder neben Stefanie. „Du brauchst jetzt ein paar Tage Ruhe und Erholung, musst ausspannen“, sagte er.
„Ich hab’ noch keine Pläne“, gab sie zurück.
„Darf ich welche für dich schmieden? Und darf ich dir Gesellschaft leisten?“ Sie lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. Die Maschine war erfüllt vom gedämpften Dröhnen der Düsen. „Ich denke, ich lasse erst mal alles an mich herankommen. Ich bin im Moment nicht in der Lage, große Sprünge zu machen. Ich kann nicht so tun, als wäre nichts geschehen.“
„Das ist klar, aber daheim zu sitzen und Trübsal zu blasen ist auch keine Lösung.“
„Ich brauche etwas Zeit.“
Robert nahm ihre Hand und sah ihr in die Augen. „Du weißt, was ich für dich empfinde.“ Seine Finger strichen zärtlich über ihren Handrücken. „Ich bin immer für dich da, rund um die Uhr. Und: alle Männer sind nicht gleich.“
Stefanie schaute aus dem Fenster. „Hoffentlich kommt er nicht auf den Flugplatz, um mich abzuholen.“
„Ich glaube nicht, dass er so unvernünftig ist.“
„Wer kann wissen, was ihm einfällt?“ Robert presste die Kiefer zusammen, seine Wangenmuskeln zuckten. Es wäre nicht gut, wenn ich ihm heute begegnen würde, dachte er. Ein unbedachtes Wort von ihm, und ich würde mich vergessen. Himmel, wäre das ein Schauspiel für die Presse! Nein, es ist besser, Wylander bleibt zu Hause.
Gleich nach der Landung wurde Stefanie durch den VIP-Korridor geschleust. Am Ausgang wartete ein schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben auf sie und brachte sie nach Hause. Robert Rahner und Erik Frings kamen mit ihrem Gepäck nach.
„Er war nicht da“, informierte Robert seine Freundin und Kollegin. „Ich habe mich erkundigt.“
„Er scheint meine Entscheidung zu akzeptieren“, sagte Stefanie.
Robert lächelte. „Er hat keine andere Wahl.“
Er und Erik Frings blieben eine Stunde, dann verabschiedeten sie sich. Eigentlich hatte nur der Trainer gehen wollen, damit Stefanie und Robert allein waren, doch Robert hatte gesagt: „Ich komme gleich mit.“
„Warum bleibst du nicht und leistest Stefanie noch eine Weile Gesellschaft?“, hatte Frings erwidert.
„Ich sehe es meiner lieben Sportsfreundin an, dass sie jetzt lieber allein sein möchte“, hatte der feinfühlige Robert Rahner lächelnd erwidert. Dann hatte er sich an Stefanie gewandt und hinzugefügt: „Aber ich komme morgen wieder, und dann wird irgend etwas unternommen.“
Nachdem die beiden gegangen waren, packte Stefanie ihre Sachen aus. Die Schmutzwäsche kam in den Wäschekorb, alles andere wurde auf die Schränke verteilt.
Das Telefon läutete. Der automatische Anrufbeantworter schaltete sich ein, und Stefanie rieselte es eiskalt über den Rücken, als sie Matthias’ Stimme hörte. Es würde lange dauern, bis sie über ihn wirklich ganz hinweg war. Robert hätte ihr niemals so weh getan. Warum nur hatte sie sich für den falschen Mann entschieden? Sie hatte keine Erklärung dafür. Hatte es nicht auf der Hand gelegen, dass Matthias früher oder später ins alte Fahrwasser zurückkehren würde? Wie hatte sie annehmen können, ihn davon abhalten zu können? Sie konnte sich nicht erinnern, sich schon mal so sehr überschätzt zu haben, und sie nahm sich ganz fest vor, darauf zu achten, dass ihr das nie wieder passierte.
„Stefanie!“, rief Matthias. Seine Stimme war überall im Haus. „Stefanie!“ Ihr Herz krampfte sich zusammen. „Stefanie, bitte melde dich. Schalte diesen blöden Anrufbeantworter ab und sprich mit mir!“
Sie rührte sich nicht von der Stelle. Fröstelnd verschränkte sie die Arme.
„Ich weiß, dass du zu Hause bist, Stefanie!“, rief Matthias eindringlich. „Ich weiß, dass du mich hörst.“
Sie presste die Lippen zusammen und atmete kaum noch.
„Ich war nicht auf dem Flugplatz“, sagte Matthias.
Ich weiß, dachte Stefanie.
„Nicht, weil ich dich nicht sehen wollte, sondern wegen der Reporter“, erklärte Matthias. „Ich wollte uns beiden einen Spießrutenlauf ersparen.“
Sieh an, er kann auch mal Rücksicht nehmen, dachte Stefanie ironisch. Wer hätte das gedacht!
„Bitte sprich mit mir, Stefanie.“
Nein!
„Ich