„Ich bin zwar nur indirekt für die Finanzen dieses Hauses verantwortlich, aber dass wir keine Verluste abwerfen, weiß ich genau“, sagte Dr. Berends lächelnd. „Wenn hier jemand eine Spritze nötig hat, sind Sie das. Ich werde Ihnen Schwester Marga schicken.“
„Sie machen wohl ernst, wie?“
„Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen“, gab Dr. Berends zurück.
„Ich habe auch noch nie etwas auf die lange Bank geschoben“, sagte Alfons Eppler. „Einverstanden. Bringen wir’s hinter uns ...“ Er setzte sich auf. „Man wird mich rasieren, wie?“
„Ja, das muss sein.“
Eppler kräuselte die Nase. „Ist ein bisschen peinlich.“
Dr. Berends lächelte. „Ach, wissen Sie, unsere Schwestern haben das schon so oft getan, die gucken da gar nicht mehr richtig hin.“
„Das sollten sie aber. Mit so ’nem Rasiermesser kann man nämlich verdammt großen Schaden anrichten.“
12
Dr. Berends betrat den OP. Die Narkoseärztin nahm sich soeben des Patienten an. Reglos lag Alfons Eppler auf dem Operationstisch.
Unter streng sterilen Bedingungen wurde das Operationsfeld gewaschen, mit Alkohol eingerieben und mit sterilen Tüchern abgedeckt. Eine Appendektomie war tatsächlich nichts Großartiges. Dennoch nahm das Operationsteam seine Aufgabe ernst.
Naturgemäß hatte Dr. Berends nicht zu allen Patienten die gleiche Beziehung, aber er ließ ihnen allen die gleiche Behandlung angedeihen, ob sie ihm nun mehr oder weniger sympathisch waren.
Alfons Eppler hatte einen besonders guten Eindruck auf ihn gemacht, und er konnte sich vorstellen, mit dem Patienten auch nach seiner Entlassung in Kontakt zu bleiben.
Der Chefarzt warf der Anästhesistin einen fragenden Blick zu. „Sind Sie soweit, Frau Kollegin?“
Die „Gräfin“, wie Dr. Doris von Ringsdorff manchmal scherzhaft genannt wurde, weil sie tatsächlich eine echte Comtesse gewesen war, bevor sie Dr. jur. Karsten von Ringsdorff geheiratet hatte, nickte.
„Ja, Herr Chefarzt.“
Dr. Berends betrachtete den Patienten. „Er fürchtet sich vor keiner Operation so sehr wie vorm Finanzamt.“
„So hat eben jeder seine Achillesferse“, meinte Dr. Büttner.
Es war warm im Operationssaal, aber daran waren Dr. Berends und Dr. Büttner gewöhnt. Für den Patienten war es sehr wichtig, dass im OP eine gleichbleibende Temperatur und eine konstante Luftfeuchtigkeit von sechzig Prozent herrschten.
Die Klimaanlage hielt eine Temperatur von zweiundzwanzig Grad Celsius, und ihr Keimfilter sorgte für eine absolut saubere Luft.
Dr. Berends kontrollierte die Werte des Blutdrucks, Puls und der Atemfrequenz. Zufrieden nickend sagte er: „Wir können beginnen.“
Schwester Thea gab ihm das Skalpell. Er setzte es entschlossen an und führte den bei der Appendektomie üblichen Zickzackschnitt durch. Sobald das Bauchfell geöffnet war, wurde der entzündete Blinddarm sichtbar.
„War höchste Zeit, dass wir uns darum kümmerten“, bemerkte Dr. Jürgen Büttner.
„Sieht schlimmer aus, als ich dachte“, meinte Dr. Berends. „Manchmal legt man mit dem Skalpell auch unangenehme Überraschungen frei.“
Allmählich begann Dr. Berends zu schwitzen. Die Hitze, die die Lampen abstrahlten, durfte nicht unterschätzt werden. Sie belastete den Chirurgen manchmal mehr als die nervliche Anspannung.
Der Mediziner wandte sich kurz der Operationsschwester zu und ließ sich von ihr den Schweiß abwischen. Dann arbeitete er weiter.
„Wie sind die Werte?“, fragte er zwischendurch.
„Alles in Ordnung“, antwortete die Narkoseärztin.
Die Operation verlief mit einer Präzision, die keine Komplikationen erwarten ließ. Bald würde Alfons Eppler wieder Geld scheffeln und über die Daumenschrauben klagen, die ihm das Finanzamt angelegt hatte.
Das Zökum, der Blinddarm, war deutlich an den bandartigen, muskulären Längsstreifen zu erkennen. Dr. Berends löste die kleine Verwachsung am unteren Ende vorsichtig.
Aufmerksam überwachte Dr. Doris von Ringsdorff den Zustand des Patienten. Dr. Berends, quetschte die Appendix an ihrem Ende ab. Nachdem er die Querfurche mit einem Seidenband abgebunden hatte, verlangte er: „Klemme!“
Schwester Thea reichte sie ihm, und er klemmte das fortfallende Teil nochmals ab.
„Das hätten wir“, sagte er zufrieden. „Nun kommt die Feinarbeit.“
Die Operationsschwester wischte ihm wieder den Schweiß ab. Nach wie vor atmete Alfons Eppler ruhig und gleichmäßig. Der Chefarzt wandte sich an Dr. Büttner.
„Möchten Sie die Etagennaht machen?“
Der junge Chirurg nickte. Dr. Berends trat zur Seite, und Dr. Büttner setzte die Stiche exakt und konzentriert.
Nachdem der junge Chirurg mit dieser Arbeit fertig war, begab sich Dr. Berends mit ihm in den Waschraum.
„Wäre herrlich, wenn alle Operationen so problemlos verliefen“, sagte Dr. Büttner. „Ehrlich gesagt, wenn ich an morgen denke, habe ich gleich ein flaues Gefühl im Magen.“
„Wegen der Eierstockoperation?“
„Das wird alles andere als ein Kinderspiel sein“, sagte Dr. Büttner.
„Dennoch bin ich zuversichtlich, dass wir der Patientin helfen können“, sagte Dr. Berends.
„Sie meinen also, wir bringen Frau Mahn durch?“
„Sie nicht?“, wollte der Chefarzt wissen.
Dr. Büttner lächelte dünn. „Welche Antwort möchten Sie hören, Herr Chefarzt.“
„Eine ehrliche.“
„Naja, also ... Also ich glaube auch, dass wir der Frau helfen können. Aber leicht wird es nicht sein.“
„Das habe ich nicht behauptet“, sagte Dr. Berends. Er trocknete sich die Hände ab. „Darf ich Ihnen etwas verraten, Herr Kollege? Ihr Optimismus ist angenehm ansteckend.“
Dr. Büttner schaute ihn überrascht an. „Mein Optimismus? Der geht doch von Ihnen aus.“
Dr. Berends erwiderte nichts darauf. Er verließ den Waschraum, um sich seinen anderen Aufgaben zu widmen.
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