Romantic Thriller Sommer 2020: 9 Romane um Liebe und Geheimnis. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Триллеры
Год издания: 0
isbn: 9783745212884
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beobachtet haben, kann es wohl nicht anders sein. Aber sehen Sie, wir brauchen jemanden, der in der Lage ist gezielt zu agieren und Handlungen auszuführen. Daran mangelt es uns nämlich. Wir brauchen jemanden, der etwas für uns tut. Da wir uns notgedrungen vorher mit ihm verständigen müssen, blieb uns nichts anderes übrig, als solange zu warten, bis ein Mensch in der Lage war uns zu verstehen.“

      „Aha“, machte ich und wusste selbst, dass ich im Augenblick nicht sehr intelligent klang. Doch was mir hier passierte, hätte vermutlich auch andere Leute an den Rand eines Nervenzusammenbruchs getrieben.

      Wieder klang das leise Lachen des Mannes auf, und irgendwie beruhigte mich dieses Geräusch etwas. Es hörte sich so sicher und überlegen an, es vermittelte so etwas wie Zuversicht.

      „Ich will es Ihnen erklären, Mylady. Wir drei hier haben mittlerweile nur noch den Wunsch, endgültig zu sterben, oder vielmehr endlich die ewige Ruhe zu finden. Das können wir nur, wenn es uns gelingt, etwas von dem wieder gut zu machen, was wir in unserem Zorn und Blutrausch damals angerichtet haben.“

      „Na, wunderbar, dann tun Sie das doch endlich und lassen mich und meinen Vater ganz einfach in Ruhe“, schlug ich praktisch vor.

      „So einfach funktioniert das leider nicht, Mylady. Wie schon gesagt, wir brauchen tatkräftige Hände. Dafür sind wir jedoch im Gegenzug bereit unseren Schatz demjenigen auszuhändigen, der seine Angst und Vorbehalte überwindet.“

      „Ich will Ihr Geld und Gold nicht“, stieß ich hervor. Ich bin doch nicht käuflich.

      „Gold ist eigentlich das wenigste, was wir zu bieten haben“, kam die erstaunliche Antwort. „Wir sind noch immer im Besitz der alten Schriften und Bücher, die damals die Macht unseres Temple begründet haben. Heute ist dieser Besitz von unschätzbarem Wert. Aber ich kann mir vorstellen, dass es Ihnen schwer fallen musste, meinen Worten Glauben zu schenken. Sie werden morgen einen Hinweis darauf bekommen, wo sich eines dieser Bücher befindet. Vielleicht gelingt es Ihnen dann leichter, uns zu glauben. Außerdem beinhaltet dieses Buch den Zugang zu dem, was uns erlösen kann. Nun aber haben wir Ihre kostbare Nachtruhe lange genug gestört. Gestatten Sie uns bitte, uns zurückzuziehen.“

      „Halt, warten Sie“, rief ich empört. „Was ist das eigentlich für eine Aufgabe, die erledigt werden musste, damit Sie Ihre ewige Ruhe finden?“

      „Oh, eigentlich ist das recht einfach. Wir müssen – und damit meine ich Sie und uns – ein Leben retten und unsere Grabstätten finden.“

      Übergangslos verschwanden die drei, und ich saß wie betäubt im Sessel. War das nun doch nur ein ungeheuer intensiver Traum, oder unterlag ich Halluzinationen? Was hatte ich mit Geistern zu schaffen, und wieso war eine Katze schuld an meinen sogenannten Fähigkeiten? Alles das war einfach nur verrückt, und ich tat sicher gut daran, sofort ins Bett zu gehen. Am Morgen sah die Welt sicher wieder anders aus. Todmüde ließ ich mich in die Kissen fallen, doch in meinen Träumen wurde ich weiter verfolgt.

      4

      „Miss Jessica, so wachen Sie doch auf, bitte.“ Eine beharrliche Stimme holte mich aus den Tiefen eines totenähnlichen Schlafes in die Wirklichkeit zurück.

      Henson stand an meinem Bett und mühte sich redlich mich zu wecken. Mein Blick fiel auf die Uhr, und ich unterdrückte einen lauten erschreckten Ruf. Da hätte ich doch fast verschlafen.

      „Sie sind ein Schatz, Henson“, rief ich, sprang aus dem Bett und verschwand in Windeseile im Bad. Noch war es früh genug, um in aller Ruhe dem üblichen morgendlichen Ritual nachzugehen, Dank sei dem ewig fleißigen und aufmerksamen Butler.

      Ich streifte gerade einen Pulli über, als mein Blick wie magisch angezogen wurde von einem Gegenstand auf dem Nachtisch.

      Eine schwarze Rose!

      Ganz bestimmt hatte nicht Henson die hinterlassen. Die Ereignisse der vergangenen Nacht fielen mir schlagartig wieder ein. Ich hatte nicht geträumt. Und diese Geister besaßen auf irgendeine Art doch die Möglichkeit etwas zu berühren und zu bewegen, sonst hätte diese Rose da nicht gelegen.

      Ich nahm sie auf. Die Blüte verbreitete einen betäubenden Duft, und ich konnte sehen, dass die Farbe nicht völlig schwarz war. Ein tiefdunkles rot, eine Farbe, die ein Züchter nur durch jahrelange Kreuzungen erreichen konnte, und die immer selten bleiben würde. Hier auf dem Anwesen gab es jedenfalls keinen Rosenstock in dieser Farbe. Ich wollte auch gar nicht so genau wissen, woher die Blume kam.

      Darunter befand sich ein Blatt Papier, wie ich erst jetzt sah – nein, ein Blatt Pergament. Verwundert nahm ich es auf und versuchte zu entziffern, was da stand. Eine alte Sprache, Latein, jedoch in einer seltsam abgewandelten Form. Kopfschüttelnd versuchte ich mich daran zu erinnern, was ich gelernt hatte. Man verlor den Zugang zu einer Sprache ziemlich schnell, wenn man sie nicht täglich benutzte. Und mir waren höchstens noch die medizinischen Diagnosen geläufig. Vielleicht konnte mein Vater etwas damit anfangen.

      Im gleichen Moment, da ich diese Überlegung hegte, verwarf ich sie auch schon wieder. Eine innere Stimme riet mir davon ab, meinem Vater von der nächtlichen Begegnung zu berichten. Er sollte damit nicht belastet werden, redete ich mir ein, doch ich wusste, dass es noch einen anderen Grund gab, den ich mir selbst nicht eingestehen wollte. Die Geister hatten gesagt, er hätte die Hilfe abgelehnt. Wenn er nun etwas davon erfuhr, dass man mich gebeten hatte, bestand die Möglichkeit, dass er mir abraten würde. Und ich wollte meine Entscheidung allein treffen, wie ich es bisher immer gehalten hatte.

      Ich verbarg das Blatt Pergament in meiner Handtasche, schnupperte ein letztes Mal an der wunderschönen Blume und legte sie in meinen Nachttisch. Niemand sollte etwas davon wissen.

      Mein Vater saß am Frühstückstisch und studierte die Zeitung, alles wirkte wie jeden Morgen, es gab keinen Hinweis darauf, dass in dieser Nacht etwas Ungewöhnliches geschehen war. Nur mein Herz pochte allein bei dem Gedanken daran wie wild, und das Pergament in der Tasche schien heiße Strahlen auszusenden, die ich selbst durch das Leder hindurch spüren konnte. Kaum gelang es mir, mich so unbefangen zu geben, wie ich es gern wollte.

      „Wie geht es deinem Arm, mein Liebes?“, fragte mein Vater mitfühlend, als ich nur mit Vorsicht eine Tasse Tee in der Hand hielt.

      „Ach, das wird schon wieder“, gab ich wegwerfend zurück und bemerkte seine prüfenden Blicke.

      „Irgendetwas stimmt aber nicht mit dir“, stellte er hellsichtig fest. Nun ja, mein Vater liebte mich und kannte mich wahrscheinlich viel zu gut. Er würde es immer bemerken, wenn mich etwas bewegte oder bedrückte. Es widerstrebte mir ihn zu belügen, aber die Wahrheit konnte ich ihm auch nicht sagen, obwohl das vielleicht einiges leichter gemacht hätte. Nur ich durfte ihm nichts sagen, ich hätte ihn sonst vielleicht sogar in Gefahr gebracht. Diese neue Erkenntnis war nichts, was mir besonders gefiel, vor allem auch deswegen, weil ich nicht hätte sagen können, woher ich das wusste.

      Ich zwang mich zu einem beruhigenden Lächeln und gab ihm einen Kuss auf die Wange.

      „Du bildest dir da etwas ein, Dad. Ich habe schlecht geschlafen, und natürlich schmerzt der Arm auch noch etwas. Aber du wirst sehen, morgen ist alles schon wieder besser.“

      Er runzelte die Stirn. „Willst du nicht lieber heute hierbleiben? Dein Kollege kann doch sicher auch mal die Arbeit einen Tag lang allein schaffen.“

      „Aber, Dad, was denkst