Ein interessantes Detail am Rande: Am 27. Juni 1889 wurde im Observatorium der erste und einzige Mensch geboren, der bisher auf dem Gipfel des Ventoux das Licht der Welt erblickte. Der Sohn des ersten Wetterbeobachters François-Auguste Blanc erhielt den Vornamen Philippe-Ventoux…
Der weiße Turm. 1966 begann der Bau des weißen Betonturms. Das Gebäude an sich ist 42 Meter hoch, einschließlich der »Mondrakete« ragt es 62 Meter in den Himmel. Natürlich musste eine solche Konstruktion fest im Boden verankert werden. Nun denn, das Fundament ist stolze 16 Meter tief.
1970 wurde das Gebäude komplett fertiggestellt. Es erfolgen dort auch meteorologische Beobachtungen, aber es ist hauptsächlich eine Station für die zivile und militärische Telekommunikation. Seit 1968 gewährleistet die französische Luftwaffe zusammen mit Télédiffusion de France (TDF), dem ehemals staatlichen französischen Betreiber von Rundfunk- und Telefonienetzwerken, von diesem Turm aus verschiedene militärische und zivile Radio- und Fernsehverbindungen.
Der braune Turm. Der holzverkleidete Turm hat eine ähnliche Funktion. Es handelt sich um eine sogenannte Station hertzienne des télécommunications, also einen Unterstützungs- bzw. Hilfssender. Dieser steht seit 1954 auf der Nordseite des Gipfels. Der Sender wurde gebaut, um der französischen Bevölkerung das Phänomen des Fernsehens durch eine Übertragung der Krönung von Elisabeth II. zur Königin von England näherzubringen. Derzeit wird er von Orange genutzt, dem ehemaligen France Télécom.
Die französische Luftwaffe, l’Armée de l’Air, ist schon seit geraumer Zeit auf dem Berg ansässig. Nach dem Ersten Weltkrieg benötigte der neue Zweig der Streitkräfte zuverlässige Wetterdaten; ab 1920 bezog man diese vom meteorologischen Dienst auf dem Ventoux, aber wie bereits erwähnt war dieser nicht sehr professionell. Ab 1930 wurde der Luftraum von der Bergspitze aus visuell überwacht. 1945 installierte das Militär eine Funkbake, die 1961 durch einen Funkstützsender ersetzt wurde. Im Laufe der 1990er Jahre wurde dann so ziemlich alles, was auf dem Ventoux passiert, digitalisiert.
Am 7. Juli 2016 wurde in Kooperation des Syndicat Mixte d’Aménagement et d’Éuipement du Mont Ventoux (SMAEMV) mit dem Département Vaucluse, der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur, Météo-France und Orange eine neue Wetterstation in Betrieb genommen. Die Anlage befindet sich in und auf dem braunen Turm, der bereits vom Telekommunikationsanbieter Orange genutzt wurde.
Die meteorologischen Daten werden alle zwei Minuten aktualisiert und nicht nur Wissenschaftlern, sondern allen Interessierten via Internet zur Verfügung gestellt. So können Sie beispielsweise mit Ihrem Laptop oder Smartphone (auf www.meteo-ventoux.fr oder über die Infoclimat-App) sehen, wie kalt es »oben« ist und wie heftig der Wind gerade weht. Die Betreiber weisen ausdrücklich darauf hin, dass insbesondere Touristen und Radfahrer sehr von diesen Daten profitieren können. Das können wir nur bestätigen!
Radarstationen. Auf einem niedrigeren Gipfel (1.810 m) an der Westseite des Berges befindet sich seit 1995 eine weiße Kugel. Darin ist ein ziviler Radarposten untergebracht. Zur Orientierung: Nicht weit entfernt befindet sich der höchste Punkt des Skilifts von Mont Serein. In der Auffahrt von Malaucène sieht man ihn kurz vor dem eigentlichen Gipfel auf der rechten Seite.
In östlicher Richtung, unweit des Col des Tempêtes, stand 31 Jahre lang eine Radaranlage der Luftwaffe. Vom 2. August 1971 bis zum 22. Februar 1996 schützte eine Betonkuppel dieses sogenannte Réseau-Terminal T2 vor möglichen Atomangriffen. Im Mai/Juni 2002 wurde die Anlage abgerissen und das Gelände in abgeräumtem Zustand übergeben. Bei diesem Anlass brachte der Bürgermeister von Bedoin sein Glück darüber zum Ausdruck, dass der Col des Tempêtes nun seine wahre Identität wiedererlangt hatte. Aber er dachte auch pragmatisch: »Wo einst der Dôme du Ventoux stand«, so Luc Reynard, »wird die Tour-Karawane von nun an einen geräumigen Parkplatz vorfinden.« Und das ist natürlich praktisch, wenn man bedenkt, dass während einer Etappe mit Ziel auf dem Ventoux etwa 40.000 Fahrzeuge einen Platz an den Flanken und am Fuß des Berges suchen.
Auch das SMAEMV, das sich mit der Flächennutzungsplanung am Mont Ventoux befasst, war mit dem Abzug der Streitkräfte zufrieden. Endlich erhielt man freie Hand, um Pläne auszuarbeiten, die den Tourismus auf dem Berg in die richtigen Bahnen lenken sollen. Etwas so Profanes wie die Flugabwehr des Landes würde der Wiederherstellung des mythischen Erscheinungsbildes des Gipfels fortan nicht mehr im Wege stehen.
Und nun wird dort oben auch endlich etwas geschehen: Ab April 2020 rücken die Bauarbeiter auf dem Gipfel des Ventoux an. Mit einem »nachhaltigen und integrierten Ansatz« wird das Département den Bereich um den weißen Turm herum ganz neu gestalten.
Zuerst wird die natürliche Umgebung wiederhergestellt. So verschwinden die unerwünschten Fußwege, die im Laufe der Zeit entstanden sind, und die Umgebung erhält so etwas wie eine Generalreinigung.
Neue Fußwege werden alle Sehenswürdigkeiten verbinden, vom Col des Tempêtes über die Chapelle de la Croix bis zum Radôme (der »Radarkugel«, wie das Gebäude hierzulande meist genannt wird). Informationstafeln und ein »Pfad der sprechenden Steine« sollen Besucher über die Besonderheiten des Naturschutzgebietes »La Réserve de Biosphère du Mont Ventoux« informieren.
Das bisher rummelige, geschäftige Gedränge vor dem weißen Gebäude wird ein völlig neues Gesicht bekommen: Bald werden Touristen hier einen attraktiven, ruhigen Platz vorfinden: mit Toiletten, mit Steinmauern, auf denen man sitzen kann, mit Abstellmöglichkeiten für Fahrräder.
Wenn alles fertig ist, wird das obere Plateau am Gipfel nur noch für Radfahrer und Fußgänger zugänglich sein. Der motorisierte Verkehr darf dann nur noch die Straße knapp unterhalb benutzen; parken muss man linkerhand der Straße zwischen dem Col des Tempêtes und dem Bar-Restaurant Vendran. Autofahrer, die ganz nach oben wollen, können das Gipfelplateau von der »unteren Straße« aus zu Fuß über eine Treppe erreichen.
Bis Ende 2021 wird es durch die Bauarbeiten rund um den Gipfel zu gehörigen Einschränkungen und Belästigungen für Besucher kommen, aber »diese Verbesserungen werden zur Qualität des Besuchserlebnisses beitragen und die Attraktivität des Ortes erhöhen«, so die Regionalzeitung La Provence. Man könnte hinzufügen: »damit der Besucher dort oben Ruhe und Zeit zur Besinnung finden kann«, ähnlich wie Petrarca es im Jahr 1336 vorhatte, als er den Gipfel bestieg, »lediglich aus Verlangen, die namhafte Höhe des Ortes kennenzulernen« – siehe Die Besteigung des Mont Ventoux, in: Der literarische Berg, S. 296. Nebenbei bemerkt: Auch ein Niederländer hat sich bereits mit der möglichen (Neu-)Gestaltung des Ventoux-Gipfels beschäftigt – siehe Einmal oben…, S. 269.
Weiter östlich, am Col de la Frache (1.588 m), kontrollierte das Réseau-Terminal T1, eine Anlage ähnlich dem T2, den Luftraum. Man muss kein ausgebildeter Spion sein, um zu verstehen, dass beide Radarposten mit den Atomraketen zu tun hatten, die während des Kalten Krieges in achtzehn Raketensilos auf dem Plateau d’Albion stationiert waren. Am 13. Februar 1996 kündigte Präsident Chirac an, dass sich Frankreich von nun an mit anderen Mitteln als ballistischen Raketen verteidigen werde; am 16. September 1996 wurde das atomare Verteidigungssystem im Vaucluse außer Betrieb gesetzt. Anschließend begann die Demontage aller Anlagen, einschließlich derer am Col des Tempêtes.
Für alle Ventoux-Besucher, die wissen wollen, wo genau Bedoin liegt oder von welchem Punkt aus der berühmte Mont Blanc sichtbar sein soll, gibt es Orientierungstafeln auf dem Parkplatz der Brasserie Vendran und auf der »Terrasse« oberhalb der letzten Kurve der Straße aus Malaucène.
Die Straßen
Die Abfahrt nach Bedoin. Ende des 19. Jahrhunderts bekam Gabriel Provane, ein Bürger von Bedoin, der sich bereits seit vielen Jahren mit Leib und Seele für die Realisierung eines solchen Vorhabens eingesetzt