Ich zuckte mit den Schultern.
7
Die Ermittlungen am Tatort ergaben zunächst keine weitergehenden Erkenntnisse. Immerhin wurden ein Reifenprofil des Maverick und ein Schuhsohlenabdruck des Täters sichergestellt. Nach der Schuhgröße und der Höhe des Schussloches zu urteilen suchten wir nach einem Mann, der mindestens 1,90 m groß war.
Der Ford Maverick war natürlich auch in der Fahndung. Milo und ich hatten uns das Kennzeichen merken können. Es stammte aus New Jersey, aber eine Halterüberprüfung ergab, dass es eigentlich zu einem Toyota aus Patterson gehörte.
Unsere Kollegen Clive Caravaggio und Orry Medina suchten zur selben Zeit Sonny D’Andreas Privatadresse in Riverdale auf.
Sie wurden von unseren Erkennungsdienstlern Sam Folder und Mell Horster begleitet. Zwar verlassen wir uns normalerweise auf die Arbeit, der für alle New Yorker Polizeieinheiten zuständigen Scientific Research Division, aber bei personellen Engpässen oder wenn Ermittlungen besonders aufwändig sind, können wir auch unsere eigenen Erkennungsdienstler hinzuziehen.
Clive parkte den Chevrolet aus den Beständen der FBI-Fahrbereitschaft vor D’Andreas Haus. Der flachsblonde Italo-Amerikaner und sein Kollege stiegen aus. Wenig später trafen Mell und Sam ein.
„De gelbe Lamborghini in der Einfahrt ist auf D’Andreas Namen zugelassen“, stellte Orry fest. „Das habe ich überprüft. Allerdings besaß D’Andrea seid drei Jahren keinen gültigen Führerschein mehr und hätte wegen einer ganzen Latte von Verkehrsdelikten wohl auch Schwierigkeiten bekommen, eine neure Lizenz zu bekommen.“
Sam deutete auf die Reifenspuren in der Einfahrt, die recht frisch wirkten. „Der Wagen muss aber vor kurzem bewegt worden sein.“
„Ärger mit der Highway Patrol gehört sicherlich nicht zu den größten Problemen, die D’Andrea hatte!“, warf Clive ein.
Mell Horster öffnete fachmännisch die Tür. Eigenartigerweise war bei der Leiche von Sonny D’Andrea kein Schlüsselbund gefunden worden.
Clive ging voran.
Schon nach einem Schritt griff er zur Dienstwaffe.
An der Wand im Flur klebte Blut. Orry nahm jetzt ebenfalls seine Pistole in die Rechte. Sie sicherten sich gegenseitig ab und folgten einer Blutspur bis zum Bad.
Eine junge Frau lag dort mit starrem, toten Blick in der Wanne, die voller Blut war.
Clive musste unwillkürlich schlucken.
Selbst für einen abgebrühten FBI-Agenten, der täglich mit dem Verbrechen in Kontakt kam, war dies ein besonders scheußlicher Anblick.
8
Eine Viertelstunde später traf Dr. Brent Claus, ein Gerichtsmediziner im Dienst der Scientific Research Division am Tatort ein.
„Die junge Frau wurde zweifellos gefoltert“, stellte Dr. Claus fest. „Der Täter wusste, wie man größtmöglichen Schmerz zufügt, ohne Gefahr zu laufen, dass das Opfer an den Verletzungen stirbt oder bewusstlos wird. Ich muss natürlich erst eine Obduktion vornehmen, um wirklich etwas Abschließendes sagen zu können, aber...“
„Ich verstehe schon“, murmelte Clive. „Aber sagen Sie uns trotzdem, was Sie denken!“
„Ein sexuelles Motiv würde ich ausschließen. Das war auch kein Triebtäter oder die Tat von jemandem, der seine Impulse nicht zu kontrollieren vermag. Hier ist jemand eiskalt vorgegangen...“
„Um Informationen zu erpressen?“, vermutete Orry.
Dr. Claus nickte. „Ich denke, ja. Und am Ende wurde sie mit einem aufgesetzten Schuss durch die Stirn getötet. Die Mündung hat ein Hämatom gebildet.“
„Ich vermute, dass ein Schalldämpfer benutzt wurde, sonst hätten die Nachbarn alles mitbekommen!“, sagte Clive.
„Die Schreie der Frau haben sie offensichtlich auch nicht gehört“, gab Orry zu bedenken.
„Aber der Durchmesser des Hämatoms auf der Stirn spricht auch für einen Schalldämpfer. Wenn es der Abdruck der Mündung wäre, ließe das auf ein größeres Kaliber schließen, als die Eintrittswunde vermuten lässt.“
Sam Folder fand wenig später im Wohnzimmer eine Handtasche, die ein paar aufschlussreiche Utensilien enthielt. Unter anderem Führerschein und Kreditkarte. Die Tote hieß Beverly Reynolds und hatte eine Adresse in Yonkers angegeben. Sie war 27 Jahre alt und über das Datenverbundsystem NYSIS war zu erfahren, dass sie wegen Prostitution und Drogenbesitz vorbestraft war.
In ihrer Handtasche befand sich außerdem die Visitenkarte eines Maklerbüros. Clive rief dort an und erfuhr, dass Beverly Reynolds offenbar mit Moss Rutherford, einem der Inhaber des Maklerbüros sich hatte treffen wollen.
„Stellen Sie mich doch bitte zu Mister Rutherford durch“, verlangte Clive.
„Das geht leider nicht, er ist in einer Konferenz“, behauptete die Mitarbeiterin am Telefon.
„Ich nehme an, es ist ihm lieber, wenn wir uns im Bundesgebäude an der Federal Plaza treffen.“
„Einen Moment.“
Wenig später war Rutherford doch zu sprechen. Er gab an, gegen elf Uhr am Vormittag bei D’Andreas Haus eingetroffen zu sein. „Der Verkehr hatte mich aufgehalten. Sie wissen ja, wie das ist.“
„Haben Sie mit Miss Reynolds sprechen können?“
„Nein. Vor dem Haus stand zwar ein gelber Sportwagen, aber es hat niemand geöffnet. Schon ziemlich ärgerlich für mich! Schließlich ist in meinem Business Zeit Geld und ich bin extra ihretwegen nach Riverdale raus gefahren.“
„Worum sollte es bei dem Gespräch gehen?“
„Das Haus sollte verkauft werden und Miss Reynolds gab an, die Bevollmächtigte des Eigentümers zu sein.“
„Kam Ihnen das nicht etwas seltsam vor?“
„Leider kam ich nicht dazu, das zu überprüfen. Das Haus ist jedenfalls ein schönes Objekt in guter Lage, das wäre ich leicht losgeworden.“