14
Jimmy Kim stand auf der Terrasse seiner Villa auf den Brooklyn Heights. Er rief ein scharfes Kommando in koreanischer Sprache.
Zwei Dobermänner, die sich bis dahin auf dem englisch kurz geschnittenen Rasen um einen Golfball gebalgt hatten, kehrten hechelnd zu ihrem Herrn zurück.
Sie setzten sich einen Meter vor Jimmy Kims Fußspitzen und blickten ihn aufmerksam an. Jimmy Kim trat auf sie zu und kraulten die Hunde am Nacken.
„Leider sind diese Dobermänner so ziemlich die einzigen, in unserer Familie, die noch koreanisch verstehen“, meinte er.
„Das ist der Lauf der Dinge, Mister Kim“, sagte der Mann um die fünfzig, dessen Anzug nicht nur schlecht saß, sondern auch fleckig und abgenutzt wirkte. Die Krawatte hing ihm wie ein Strick um den Hals. Seine Nase war rot und er roch nach Alkohol.
Jimmy Kim schickte die Hunde mit einem weiteren Befehl wieder auf die Wiese.
„Meine Großmutter kam als junge Frau in den Fünfziger nach New York – kurz nach dem Korea-Krieg. Sie war schwanger. Meinen Großvater hatte die Kommunisten in einem ihrer Umerziehungslager zu Tode gequält und jetzt musste sie hier ein neues Leben anfangen. Sie begann als Näherin in Chinatown – unter Bedingungen, die langnasige Amerikaner wie Sie schon damals als Sklaverei bezeichnet hätten! Es war ein langer Weg nach oben, Mister Manetta. Das können Sie mir glauben.“ Jimmy Kim drehte sich zu Manetta um. Sie waren beide etwa fünfzig. Aber da Kim jede graue Strähne sofort färben ließ, wirkten die beiden Männer, als ob eine Generation zwischen ihnen liegen würde.
Manettas Haare waren so grau wie seine Haut.
Er wirkte ziemlich heruntergekommen.
„Ich danke Ihnen, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind, Mister Manetta.“
Manetta lachte auf. „Einladung?“, höhnte er. „Sie sind gut! Ich komme morgens nach durchzechter Nacht nach Hause und da warteten Ihre Gorillas schon auf mich und steckten mich kopfüber in eine Limousine! Eine Einladung nenne ich was anders.“
„Die Begleitumstände, unter denen meine Leute Ihnen begegneten, mögen etwas unerfreulich gewesen sein, Mister Manetta...“
„Das ist aber sehr nett ausgedrückt!“
„... aber das hat auch etwas damit zu tun, dass Sie nicht so recht ansprechbar waren.“
„Ich hatte getrunken – aber noch ist das erlaubt, auch wenn ich befürchte, dass es irgendwann so kommen wird, wie beim rauchen und man sich in irgendeine Ecke zurückziehen muss, nur um ein Bier zu trinken.“
Manetta gähnte.
Er hatte in einem von Jimmy Kims luxuriös ausgestatteten Gästezimmern seinen Rausch ausgeschlafen. Auf die Möglichkeit, eine Dusche zu nehmen, hatte er allerdings verzichtet. Er wollte wissen, was der Nachfolger des großen Drogenbarons Lee Kim von ihm wollte.
„Es war übrigens gar nicht so einfach, Sie aufzuspüren“, gestand Jimmy Kim. „Mir scheint, Sie haben sich aus dem Geschäft zurückgezogen.“
„Das ist richtig.“
Jimmy Kim hob die Augenbrauen. „Sie waren mal ein Passfälscher, mit einem legendären Ruf!“
Manetta lachte heiser.
„Ja“, bestätigte er. „Ich war ganz gut im Geschäft. Aber die technische Entwicklung ist über mich hinweggegangen. Ich habe da irgendwie den Anschluss verpasst. Aber ich denke nicht, dass Sie mich haben kidnappen lassen, um mit mir über alte Zeiten zu plaudern!“
„Kidnappen - was für ein hässliches Wort, Mister Manetta. Sie können gehen, wann immer Sie wollen, aber ich dachte, es wäre Ihnen angenehmer, wenn mein Fahrer Sie nach Hause bringt. Und da ihre finanzielle Situation im Moment nicht gerade die Beste ist, dachte ich, Sie wären vielleicht daran interessiert, etwas dazu zu verdienen.“
Manetta wirkte sofort etwas wacher und aufmerksamer.
„Was muss ich dafür tun? Wenn Sie eine Fälscher-Arbeit von mir haben wollen, kann ich Sie nur warnen! Die Qualität wäre miserabel. Ich bekomme noch nicht einmal mehr einen dieser modernen Fahrlizenzen richtig hin!“
„Keine Sorge, ich will Informationen von Ihnen.“
„Alte Freunde verrate ich nicht.“
„Sie sollen niemanden verraten und soweit ich weiß, war der Mann, um den es geht auch nicht gerade Ihr Freund.“ Jimmy Kim deutete auf die Sitzecke. „Nehmen Sie Platz, wir besprechen das in aller Ruhe.“
Manetta zögerte.
Ein drahtiger Leibwächter in dunklem Rollkragenpullover und einer Automatik im Schulterholster rückte Manetta einen Stuhl zurecht.
„In Ordnung“, sagte Manetta, setzte sich und schlug die Beine übereinander.
„Entschuldigen Sie, wenn ich Ihnen erst etwas zu trinken anbiete, wenn unser Gespräch beendet ist“, sagte Jimmy Kim mit einem maskenhaften Gesicht, das vollkommen regungslos blieb.
Er schnipste mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand. Der Leibwächter verneigte sich, verschwand für kurze Zeit im Haus und kam einen Augenblick später mit einer Zeitung wieder, die er vor Manetta auf den Tisch legte.
MAFIA-BOSS IM LAKE TAPPAN!, stand dort in großen Lettern und etwas kleiner darunter: Die von Archäologen entdeckte Leiche im Lake Tappan wurde identifiziert.
„Ich weiß nicht, ob Sie das bei Ihrem Alkoholpegel überhaupt mitbekommen haben – aber unser gemeinsamer Feind Big Tony Damiani ist aus der Versenkung gestiegen – und darüber sollten wir uns vielleicht mal unterhalten!“
Manetta war blass geworden.
Er starrte auf die Schlagzeile und eine tiefe Furche erschien dabei mitten auf seiner Stirn, während er angestrengt zu lesen begann.
15
Jack Gabrielli bewohnte zwei Traumetagen am Central Park West mit zusammen mehr als vierhundert Quadratmetern. Gleichgültig, ob er Eigentümer oder Mieter war – diese Wohnung musste ein Vermögen verschlingen.
Der Sicherheitsstandard war so hoch wie man ihn sich in allen Regierungsgebäuden gewünscht hätte. Es gab eine lückenlose Kamera-Überwachung aller nicht-privaten Räume und einen zahlenmäßig sehr gut besetzten Sicherheitsdienst, der überall im Haus ständig Präsenz zeigte.
Jack Gabrielli empfing uns in seinem Wohnzimmer. Von der Fensterfront aus hatte man einen traumhaften Blick auf den Central Park.
Gabrielli war 45, dunkelhaarig und schlank. Sein maßgeschneiderter Anzug hatte mehr gekostet, als ein G-man in zwei Monaten verdiente.
Am Handgelenk glitzerte eine Rolex.
Unseren Informationen nach hatte Gabrielli vor zehn Jahren nach Big Tony Damianis Verschwinden die Nachfolge seines Onkels angetreten. Anscheinend gingen die Geschäfte nicht schlecht.
Wir stellten uns