„Geräte?“
„Nein, die sind versteigert. Aber etwas viel Wertvolleres: nämlich erstklassiges Personal. Ich kann die Kollegen dort übernehmen. Einige sind Internisten, aber die bringe ich auch in der Inneren gut unter. Und Schwestern. Neunzehn Schwestern. Ist ja natürlich, dass wir die alle in die Chirurgie nehmen. Nun macht doch die Verwaltung wieder Schwierigkeiten mit dem Wohnraum. Diese Pfeffersäcke sollten sich um sonst was kümmern, nur nicht um eine Klinik. Aber das regele ich noch. Übrigens. Herr Wolf, da fällt mir etwas ein. Zwei Kollegen werden morgen früh kommen. Ich möchte Sie bitten, die beiden etwas einzuarbeiten.“
Er schmunzelte und drohte mit dem Finger.
„Der eine Kollege ist eine Dame. Eine sehr hübsche Dame. Ich möchte hoffen, dass hier zwischen Dienst und Freizeit scharf getrennt wird. Überhaupt warne ich jeden von Ihnen davor, das Privatleben ins Haus zu tragen.“
Er sah einen jungen Assistenten an, von dem jeder wusste, dass er ein Verhältnis mit einer OP-Schwester hatte.
„Ich bin kein Moralprediger, aber in einer Klinik führen innige Bekanntschaften zu nichts Gutem. So, meine Herren, und nun können wir in die Einzelheiten gehen ...“
*
ALWIN PESCHKE LEHNTE sich im Sessel zurück und schmauchte an seiner Zigarre.
„Und warum, Herr Professor, kommen Sie ausgerechnet zu mir?“, fragte er Professor Oberweg, der ein wenig unscheinbar im weichen Ledersessel untergegangen war.
Der Professor lächelte irritiert. Peschke hatte ihn sonst immer sehr zuvorkommend und beinahe unterwürfig behandelt. Jetzt hingegen tat er überheblich wie ein kleiner Nero.
„Warum?“
Der Professor hob beschwörend die Hände.
„Sie sind ein maßgebender Mann in der Verwaltung. Man hört auf Sie. Und ...“
Wieder lächelte Professor Oberweg
„... schließlich ist ja Ihr zukünftiger Schwiegersohn auch Arzt, zudem in meiner Klinik.“
Peschke reckte sich ein wenig, nahm die Zigarre zur Seite und sah den Professor an wie einen Mann vom Mond.
„Einen Schwiegersohn, der Arzt ist? Herr Professor Oberweg, nehmen Sie bitte zur Kenntnis: Ich habe keinen Schwiegersohn, auch keinen, der Arzt ist. Und erst recht keinen, der vielleicht Wolf heißt. Sie verstehen, was ich meine.“
Das war für den ahnungslosen Professor eine böse Neuigkeit. Seine Hoffnung, in Peschke, den er eigentlich gar nicht mochte, einen Befürworter seiner Neubaupläne zu haben, schwand dahin wie Schnee in der Sonne.
Peschke blinzelte aufmerksam zum Professor hin, der jetzt den Kopf senkte und murmelte: „Ich bitte um Verzeihung, von einer Lösung des Verlöbnisses wusste ich nichts.“
Da hakte Peschke ein.
„Herr Professor, ich will Ihnen nichts. Ich will auch, dass Sie Ihre Pläne realisieren können. Will ich wirklich. An Neubauten bin ich als Baustoffhändler immer interessiert. Aber diesmal hat die Sache ihren Preis.“
Er lehnte sich wieder zurück, paffte an seiner Zigarre und ließ die Stille wirken.
Der Professor begann wieder zu hoffen. Sein Traum von einer größeren, moderneren Klinik hatte offenbar wieder eine Chance. Seit Monaten bastelte Professor Oberweg an diesem Plan. Er hatte sich geradezu verliebt darin, weil er zudem wusste, wie dringend das alles für die Allgemeinheit war. Nichts stärkte ihn darin mehr als die Furcht, die deutsche Medizin könne an Weltgeltung verlieren, könne auf die Stufe der Entwicklungsländer rücken.
„Und welcher Preis ist das?“, fragte er.
Peschke lutschte an seiner Zigarre.
„Ein Preis, der Sie nichts kostet. Dann wäre Ihnen der Neubau zu neunundneunzig Prozent sicher. Die anderen Herren im Verwaltungsrat tun das, was ich sage. Sobald Dr. Wolf entlassen ist, kann es losgehen.“
„Was sagen Sie da? Dr. Wolf entlassen? Aber warum denn? Weil er sich mit Ihrer Tochter entzweit hat? Mein lieber Herr Peschke, finden Sie das nicht etwas persönlich?“
Peschke zuckte die Schultern.
„Wie Sie das nehmen, ist mir gleich. Ich sage ja ganz offen: Mit Dr. Wolf keinen Neubau. Ohne ihn sofort. Das ist eine ganz klare und unzweideutige Erläuterung. Und übrigens, wenn Sie das an die große Glocke hängen wollen: Ich streite das nicht nur ab, der Neubau ist dann für alle Zeiten gestrichen. Vielleicht fällt mir in einem solchen Fall auch noch etwas Zusätzliches ein.“
Professor Oberweg erhob sich empört.
„Herr Peschke, in meinen Kreisen nennt man so etwas Erpressung. Ich weiß ja nicht, ob in der Baustoffbranche derartige Manöver alltäglich sind, ich jedenfalls finde Ihr Anerbieten nahezu kriminell. Guten Tag, Herr Peschke.“
Der Professor ging, und Peschke lachte böse hinter ihm her.
*
ALWIN PESCHKE HATTE sich in die Idee verrannt, dass Dr. Wolf die Festnahme Inges veranlasst hatte. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, welche Recherchen die Kriminalpolizei angestellt hatte. So war er zu dem simplen Schluss gekommen, nur Dr. Wolf könne Inge denunziert haben.
Seine Wut auf Dr. Wolf kannte daher keine Grenzen. Und so stöberte er Fritz Gerloff auf.
Fritz Gerloff war vor Jahresfrist mit dem Fahrrad verunglückt. Ein kleines Wettrennen zwischen zwei Siebzehnjährigen, per Rad eine abschüssige Straße hinunter. Ein kleiner Ziegelstein, den Fritz Gerloff übersah, brachte das Verhängnis. Schlüsselbeinbruch, beide Arme gebrochen, Beckenbruch. Alles in allem fünf Monate Krankenhaus. Station von Dr. Wolf.
Die Beckenfraktur hatte infolge von Splitterungen nicht voll ausgeheilt werden können. Fritz Gerloff litt noch unter den Folgen und konnte seine Lehre als Dachdecker nicht fortsetzen.
Aus Erzählungen Dr. Wolfs – als der noch bei Peschke ein- und ausging – wusste Peschke, dass der Junge damals nach dem Unfall in der Narkose fast erstickt wäre. Und zwar deshalb, weil er kurz vor dem Unfall gegessen hatte, dies aber auf Befragen Dr. Wolfs verneint hatte. Da dieses Ersticken während der Operation drohte, hatte Dr. Wolf, um zunächst das Leben des Patienten zu retten, die Versorgung des Beckenbruchs abbrechen müssen. Infolgedessen waren Schäden eingetreten, die sich später nicht mehr völlig beheben ließen.
Und da setzte Peschke den Hebel an.
Der Junge war jetzt Hilfsarbeiter in einer Kürschnerei. Er verdiente wenig, die Arbeit war ungesund.
Peschke wollte das ändern.
Er fuhr im neuen Mercedes vor und blieb zwei Stunden bei den Eltern des Jungen, und als er ging, hatte er ein von Eltern und dem Jungen unterzeichnetes Schreiben bei sich. Hier behauptete der Junge, er hätte Dr. Wolf gesagt, dass er etwas vor dem Unfall gegessen habe.
Mit diesem Schreiben fuhr Peschke zu einem Arzt, den er nicht nur gut kannte, der auch, wie er genau wusste, ein Gegner Dr. Wolfs war. Die beiden waren früher bei einem Verkehrsunfall gleichzeitig alarmiert worden. Da Dr. Wolf städtischer Unfallarzt war, Dr. Werner aber Privatarzt, hatte Dr. Wolf den Fall übernommen. Dr. Werner war darüber so empört gewesen, dass er Peschke immer schon von Dr. Wolf als Schwiegersohn abgeraten hatte.
Jetzt aber wollte Peschke keinen Rat. Jetzt wollte er tätige Mithilfe. Und Dr. Werner war bereit, den Amtsarzt und die Ortskrankenkasse einzuschalten.