„Mal sehen, wie lange es diesmal vorhält“, meinte Dr. Wolf skeptisch.
Das Mädchen brachte Dr. Holmanns Essen. Er rieb sich die Hände und strahlte:
„Na, das ist endlich mal ’n Gedicht von Mittagessen. Übrigens, Wolf, haben Sie den Kommissar gesprochen?“
„Welchen Kommissar?“, erkundigte sich Dr. Wolf verwundert.
„Hmm“, entgegnete Dr. Holmann kauend, „Polizei. Wegen der Geschichte gestern. Die Frau mit dem Dörfflerschnitt.“
„Ach so, Frau Hartwig. Und was wollte er?“
„Sie. Aber ich glaube, Sie steckten gerade im OP II. Er will wiederkommen. Aber die Fahrerin und den Mercedes haben sie immer noch nicht. Heute ist es sogar durchs Radio gekommen. Die Burschen von der Abendanzeiger-Redaktion haben wieder mal Wirbel gemacht. Belohnung und so. Ist ja auch eine Schweinerei, einfach abzuhauen. – Die Rouladen sind ganz vorzüglich.“
Mit einem Blick auf Dr. Wolfs Teller meinte er:
„Verstehe Sie nicht, Wolf.“
„Ich muss jetzt gehen. Wiedersehen, Holmann, und weiter guten Appetit“, sagte Dr. Wolf und ging.
„Trinken Sie keinen Kaffee?“, rief ihm Dr. Holmann nach.
„Nein, hier bestimmt nicht. Braunes Wasser kann ich mir auch selbst färben.“
Als er auf den langen Gang trat, kam ihm Schwester Gerda entgegen.
„Na endlich, da sind Se ja! Der Herr Kommissar von die hohe Polizei sucht Ihnen schon seit ’ne halbe Stunde verjeblich!“, meinte sie vorwurfsvoll.
„Man wird ja wohl noch essen dürfen“, grollte Dr. Wolf.
„Nu man nich’ böse sein, Doktorchen, war ja nich’ so jemeint. Er wartet in Ihnen ... Ihrem Büro.“
„In Ihrem Büro heißt das, Schwester Gerda“, knurrte Dr. Wolf.
„Nee, nich’ in meins, in Ihnen ... Ihret!“
Dr. Wolf gab es auf.
„Wie geht es Frau Hartwig?“,
„Och, wie es ’nem Kaiserschnitt so geht. Sie macht sich. Nur schlapp, Doktorchen, tüchtig schlapp.“
„Hat sie Stärkungsdiät?“
„Ich jebe ihr man schon zwei Eier mit Rotwein und Zucker extra. Is’ das nischt, Doktorchen?“
„Schon gut, und versorgen Sie mir nur ja Frau Hartwig gut.“
„Na, ’ne dritte Klasse is’ ja nun och nich’ jrade det Paradies auf Erden. Sind ja noch finfe mit drin.“
„Legen Sie Frau Hartwig vorübergehend in die zweite, wenn es geht. Mit dem Appendix in die 17 am besten.“
„Is’ jut, Doktorchen, mach’ ich alles.“
*
DER KRIMINALKOMMISSAR sah aus wie ein Universitätsprofessor, wie ein Bankdirektor oder, wenn man so will, wie ein in Ehren ergrauter solventer Firmenchef. Ganz bestimmt aber nicht wie ein Kriminalkommissar im Film.
„Glanz, Kriminalkommissar“, stellte er sich vor und zeigte Dr. Wolf seinen Ausweis.
„Herr Glanz, womit kann ich dienen?“
„Herr Dr. Wolf, Sie waren doch gestern der Aufnahmearzt im Falle Frau Hartwig. Ich muss von Ihnen Folgendes wissen: Hat sie Angaben über jenen Mercedes machen können, der noch gesucht wird? Über den Fahrer vielleicht?“
„Nein, nichts dergleichen. Sie ist zwar jetzt imstande, zu sprechen, aber wir haben bisher tunlichst vermieden, die Frau aufzuregen. Und es würde sie bestimmt aufregen. Das Leben von Frau Hartwig ist im Augenblick wichtiger als alles Übrige.“
„Sehr richtig, lieber Herr Doktor, und doch müssen wir jede Zeugenaussage mitnehmen, die wir bekommen können.“
„Sie sind noch nicht auf der Spur?“, fragte Dr. Wolf und bemühte sich, seine Stimme nicht zu interessiert klingen zu lassen.
„Darf ich rauchen?“, fragte Kommissar Glanz, und als Dr. Wolf nickte, zündete er sich eine Zigarette an. „Also das ist so“, fuhr er fort und sah den Rauchwölkchen nach, „wir wissen, dass der Wagen in einem ganz bestimmten Viereck sein muss. Da ist er nicht herausgekommen, nehmen wir an. Wir haben mit Hilfe der Kartei in der Straßenverkehrsabteilung elf ähnliche Wagen herausgepickt. Sie alle sind in diesem Viereck um die Berliner Straße angemeldet. Zwei Wagen suchen wir noch, weil die nicht da sind. Der eine ist wohl gerade auf Urlaub, vielmehr die Leute, denen er gehört, sind damit weg. Und der andere, ja, Herr Doktor, deshalb bin ich hier. Der andere gehört der Firma Peschke & Co.“
Was jetzt kommen würde, ahnte Dr. Wolf bereits.
„Ich verstehe nicht ganz, Herr Kommissar, was habe ich mit ...“
Kommissar Glanz lächelte.
„Augenblick, Herr Doktor, Sie verstehen mich gleich. Also, wie ich gehört habe, sind Sie doch mit Fräulein Peschke verlobt.“
„Na und?“, fragte Dr. Wolf.
Er wusste selbst nicht, warum er nicht sagte, dass die Verlobung von ihm aufgelöst worden war.
„Nun, wir wissen auch, dass Sie gestern Abend bei Peschkes waren. Bitte, bitte, Herr Doktor, wir haben Ihnen nicht nachspioniert. Aber in unserem Beruf ist es nun nicht so einfach. Wir müssen alles im Auge halten. Manchmal auch Leute, die gar nichts mit der Geschichte zu tun haben. Sie sind, das hat jemand gesehen, auf dem Betriebshof gewesen, bevor Sie ins Haus gingen. Einer der Italiener, die Herr Peschke als Wagenpfleger beschäftigt, hat gesehen, dass sie sich den Mercedes von Herrn Peschke sehr genau betrachtet haben sollen. Dieser Wagen, Herr Doktor, war gestern da oder nicht?“
„Ja, er stand in der Werkstatt.“
„Hatte der Wagen eine verbeulte Stoßstange hinten und rote Polster?“
„Rote Polster, ja. Aber nach der Stoßstange habe ich nicht gesehen.“
„Herr Doktor, das genügt. Der Wagen war also da. Wissen Sie, was Herr und Fräulein Peschke ausgesagt haben? Der Wagen sei seit gestern Morgen acht Uhr in der Ziegelei in Bornsdorf gewesen. Dort habe ihn Herr Peschke stehengelassen, weil der Verteiler nicht in Ordnung gewesen sei. Sie verstehen, warum ich selbst zu Ihnen gekommen bin. Herr Doktor, ich glaube, um diesen Mercedes müssen wir uns kümmern. Mir ist außerdem aufgefallen, dass der Fahrzeugmeister von Herrn Peschke, den ich zuallererst befragen ließ, widersprechende Angaben machte. Ich verstehe sehr gut, wenn Sie sich heraushalten möchten. Aber seien Sie beruhigt, Herr Peschke hat gestern Abend vergessen, das Fenster von seinem Salon zu schließen, als Sie mit ihm eine, ich möchte milde sagen, lebhafte Aussprache hatten. Und da wir nicht in der Einöde leben, hört meist immer jemand zu. In diesem Falle der Liebhaber des einen Dienstmädchens, der auf sein Mädel gewartet hat. Er war schon heute Morgen auf der Polizei, doch dort hat man ihn nicht so recht ernst genommen. Jetzt nehmen wir ihn sehr ernst. Demnach sind Sie auch nicht mehr verlobt, nicht wahr?“
„Sie sind bestens informiert“, gab Dr. Wolf zu.
„Das sind wir wirklich. Sie haben Herrn Peschke und dem Fräulein geraten, sich der Polizei zu stellen, nicht wahr?“
„Ich möchte dazu etwas sagen, Herr Kommissar. Fräulein Peschke hat nicht gewusst, dass sie ...“
Er lachte.
„Aber, aber, lieber Herr Doktor. Natürlich hat sie es gewusst. Da ist nämlich inzwischen eine Anzeige