Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alfred Bekker
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные детективы
Год издания: 0
isbn: 9783745205053
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dirigierte die Packer. Er schien das Sagen zu haben. Die Strickweste passte ihm nicht, und die Knöpfe seines Hemdes drohten abzureißen. Er prustete wie eine Dampflok und schwitzte trotz der Tatsache, dass die Heizung abgestellt war und die Fenster offen standen, sodass ein kühler Durchzug durch die Wohnung wehte, der den fauligen Gestank, der in der Luft hing, aber noch nicht hatte vertreiben können. Eine leicht süßliche Geruchsnote war darunter, die Berringer unwillkürlich an seinen Aufenthalt am Arbeitsplatz von Dr. Wiebke Brönstrup erinnerte.

      Er verzog das Gesicht. Verfaulte Äpfel oder eine Leiche? Wer konnte das schon so genau auseinander halten?

      „He, was machen Sie denn hier?“, wandte sich der Dicke an Berringer. „Was wollen Sie?“

      „Ich möchte mit Herrn Matthias Gerndorf sprechen.“ Der Dicke lachte heiser und hustete daraufhin erbärmlich. Er rang nach Luft, lief rot an und brauchte einige Augenblicke, um sich wieder zu fassen. „Schuldet er Ihnen auch Geld?“

      „Nun ...“

      „Dann schreiben Sie’s besser als Verlust ab. Der hat nicht einen Cent, der Hund.“

      „Wo ist Gerndorf jetzt?“

      „Das möchte ich auch gern wissen. Glauben Sie’s mir, ich hab einiges angestellt, um das rauszufinden. Dieser Mann ist ein sogenannter Mietnomade. Der hat hier gewohnt und irgendwann einfach nicht mehr bezahlt. Aber das Gesetz nimmt einen als Vermieter ja heutzutage nicht mehr in Schutz. Was glauben Sie wohl, wie lange das gedauert hat, bis ich ihn endlich rausgeklagt habe! Aber wenn Sie vor einem deutschen Gericht eine Räumung durchgesetzt haben, dann bedeutet das noch lange nicht, dass derjenige dann raus muss. Da gibt’s immer noch ein paar Tricks, um für weitere Monate mietfrei zu wohnen. Ein Scheißdreck ist das, kann ich Ihnen sagen!“ Er rang wieder nach Luft. Die Sache schien ihn ziemlich mitzunehmen. Mit der Linken griff er sich in die Herzgegend.

      „Kann ich Ihnen irgendwie helfen?“

      „Es geht schon, Herr ...“

      „Berringer. Ich bin Privatdetektiv.“

      „Wundert mich überhaupt nicht, dass jemand einen Detektiv auf den Kerl angesetzt hat. Vielleicht werde ich das auch noch tun. Lassen Sie mir mal Ihre Karte da.“ Berringer fischte eine seiner Visitenkarten aus der Jackentasche und gab sie dem Dicken. Dieser betrachtete sie etwas umständlich, aber ziemlich eingehend, wozu er sich erst einmal die Brille zurechtrücken musste. Schließlich steckte er sie in seine Westentasche. Dann rief er einen der Packer herbei. „Ist noch ein Stuhl da?“

      „Ja, ich glaub schon. In der Küche.“

      „Dann bring den mal her!“

      Der Packer brachte einen Küchenstuhl herbei, und der Dicke setzte sich. Berringer bereitete sich innerlich schon darauf vor, dem Vermieter vom Boden aufhelfen zu müssen, da der Küchenstuhl alles andere als robust wirkte und es ziemlich unwahrscheinlich schien, dass er das immense Gewicht aushalten würde.

      Erstaunlicherweise tat er’s.

      Der angespannten Körperhaltung des Packers sah Berringer an, dass dieser den gleichen Gedanken gehabt hatte. Er atmete sichtlich auf.

      „Entschuldigen Sie, dass ich Ihnen keinen Platz anbiete“, bat er. „Mein Name ist übrigens Fernholz. Ich bin aufgrund meiner Atemwegserkrankung Frührentner. Aber da ich noch recht jung war, als ich arbeitsunfähig wurde, kommt da nicht viel zusammen. Diese Eigentumswohnung hier hab ich von meinen Eltern geerbt, und eigentlich sind die Mieteinnahmen ein fest eingeplanter Bestandteil meines Einkommens. Aber wenn man so ein Raubtier da drin hat, das einfach nicht zahlt, dann kommt man schnell an die Grenze des finanziellen Ruins. Von den Anwalts- und Gerichtskosten mal ganz abgesehen, das kommt alles noch obendrauf.“ Er machte eine wegwerfende Handbewegung und schnappte erneut nach Luft. „Ich habe es inzwischen aufgegeben, mir den Verlust in Euro und Cent auszurechnen. Das deprimiert einen einfach zu sehr.“

      „Das kann ich gut verstehen.“

      „Nicht genug, dass er mich um die Miete geprellt hat. Der hat auch noch gehaust wie ein Schwein. Riechen Sie diesen fauligen Geruch? Das waren verdorbene Lebensmittel. Dieser Gerndorf hat sie einfach hier zurückgelassen. Nach mir die Sintflut, das scheint sein Motto zu sein. Ich muss die Wohnung komplett renovieren.

      So wie sie jetzt ist, kann ich die doch niemandem mehr anbieten. Gerade bei der derzeitigen Situation auf dem Wohnungsmarkt. Die Mieten fallen nämlich, und da wird es immer schwieriger, auf seinen Schnitt zu kommen.“ Fernholz schien sich seinen gesammelten Frust einfach mal von der Seele reden zu müssen, dann aber Berringer versuchte das Gespräch behutsam auf ein ergiebigeres Terrain zu lenken. „Seit wann ist Gerndorf verschwunden?“

      „Die Nachbarn sagen, sie hätten ihn seit ein paar Wochen nicht mehr gesehen. Aber die Angaben widersprechen sich. Wissen Sie was das Dollste ist? Ich muss jetzt diesen ganzen Mist, der hier herumsteht, auch noch professionell einlagern. Auf der Lagermiete bleibe ich natürlich am Ende sitzen, ist doch klar. Sagen Sie mal ehrlich, finden Sie das gerecht?“

      „Man sagt ja nicht umsonst, dass Justitia blind ist.“

      „Aber so blind dürfte sie in einem entwickelten Land wie den unserem nicht sein!“ Er hielt inne. „Besser, ich sag nichts mehr. Die ganze Sache regt mich einfach zu sehr auf. Und bringt mich am Ende noch ins Grab.“

      „Hat Gerndorf allein in der Wohnung gelebt?“

      Fernholz schüttelte den Kopf und nahm seine Brille ab. Sie war beschlagen, wahrscheinlich, weil er so schwitzte. Er säuberte die Gläser mit dem Ärmel. „Nein, erst war eine Frau dabei. Die hat auch einigermaßen für Ordnung gesorgt, soweit ich das mitgekriegt hab. Danach ging es dann bergab mit Gerndorf.“

      „Was heißt ›danach‹?“

      „Nachdem sie sich getrennt haben. Muss recht lautstark gewesen sein, wenn man dem vertraut, was die Nachbarschaft so erzählt. Gerndorf hat ihr einen Koffer mit Klamotten hinterhergeworfen. Aus dem Fenster. Um ein Haar hätte der Postbote den abgekriegt.“

      „Einen Namen wissen Sie nicht zufälligerweise?“

      „Doch. Sie hieß Birgit Meyer.“

      „Nee, das ist doch nicht wahr!“, stieß Berringer hervor.

      „Doch. Meyer mit e. y. Ganz bestimmt!“

      Berringer seufzte entnervt. „Haben Sie eine Ahnung, wie viele Frauen es gibt, die Birgt Meyer heißen?“ Dann wollte er wissen: „Wie alt war sie denn?“

      „Deutlich jünger als Gerndorf. Anfang vierzig. Ich hab mich damals schon gefragt, wie es dieser unscheinbare Typ jemals schaffen konnte, eine relativ gut aussehende und nach meinem Eindruck auch einigermaßen kultivierte Frau für sich zu interessieren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Offenbar hat sie recht schnell gemerkt, dass mit Gerndorf was nicht stimmt.“

      „Die Adresse dieser Dame wissen Sie nicht zufällig?“

      „Nein, tut mir leid. Aber Sie können sich ja mal in der Nachbarschaft umhören.

      Nebenan wohnt eine gehbehinderte alte Frau, die den ganzen Tag nichts anderes zu tun hat, als zu lauschen, wer wen auf dem Flur anschnauzt. Könnt ja sein, dass die noch irgendwelche Informationen für Sie hat. Andererseits können Sie mir glauben, dass ich schon Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt hab, um endlich eine ladungsfähige Adresse von diesem Schmarotzer zu bekommen.“

      „Haben Sie etwas dagegen, wenn ich mich hier in der Wohnung etwas umsehe? Und in den Sachen wühle, die schon im Lastwagen sind?“

      „Sehen Sie nur zu, dass Sie die Packer nicht behindern, sodass mir hinterher nicht auch noch Mehrkosten entstehen!“

      „Ich werde mir Mühe geben.“

      „Gut.“

      Berringer sah sich eingehend in der Wohnung um. Sie war schon ziemlich kahl und leer geräumt. Die Tapete löste sich an mehreren Stellen von der Wand. Ein paar Säcke mit Müll standen gegeneinander