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© dieser Ausgabe 2020 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.
Die ausgedachten Personen haben nichts mit tatsächlich lebenden Personen zu tun. Namensgleichheiten sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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Es war das Gebot der Stunde. Sie musste sich durchsetzen. War sie denn nicht die Tochter der mächtigsten Frau von Hamburg? Zwar war Margarethe Brinkmann nur höchst inoffiziell so mächtig, aber es gab in Wahrheit nur einen einzigen Menschen in dieser großen Stadt im Jahre des Herrn 1602, der noch mächtiger war als sie: Georg Wetken!
Es gab daher niemanden auf der ganzen Welt, den Margarethe Brinkmann mehr hasste als diesen.
Aber auch die Tochter von Margarethe, Adolphine Brinkmann, hatte ein berühmtes Durchsetzungsvermögen. Sie war jedoch ganz im Gegensatz zu ihrer Mutter eine herzensgute Frau. Dabei das, was man eine dralle Schönheit nennen durfte, schön sogar im einfachsten Gewand.
Und es war in ihrer besonderen Stellung als heimliche Leiterin des Armenhauses von Hamburg sowieso opportun, nur einfache Gewänder zu tragen. Sie konnte ja schlecht unter den Ärmsten der Armen in Prunkgewändern verkehren.
Und sie musste sich eben immer wieder aufs Neue durchsetzen. Das vor allem! Nicht nur gegen alle Unbilden, die dem Armenhaus von außerhalb drohten, sondern auch gegen denjenigen, der als der eigentliche Leiter des Armenhauses galt. Denn das durfte höchst offiziell natürlich nur ein Mann sein in dieser Stadt zu dieser Zeit.
Winand Lemberg kam aus dem Hansehaus Lemberg, das schon länger dem Hansehaus Brinkmann gildenmäßig angeschlossen war. Nur so konnte es sein, dass Margarethe Brinkmann ihn überhaupt als offiziellen Leiter duldete.
So war ihre Mutter für Adolphine stets das einzige Druckmittel, das sie gegen Winand Lemberg immer wieder geltend machen konnte, um ihn in seine Schranken zu verweisen. Allerdings gab es da gewisse Grenzen, die sie dabei nicht überschreiten durfte. Eine dieser Grenzen war die gesetzliche. Und diesmal ritt Winand Lemberg genau darauf herum:
„Wir sind ein Armenhaus“, argumentierte er erneut, „und kein Obdach für kriminelle Elemente!“
Aus dem Munde des stolzen Winand Lemberg, an dem ein Aristokrat verloren gegangen zu sein schien, weil er sich gern so gab, klang das vernichtend. Seine sonore Stimme, die für gewöhnlich das Herz der mittelalten Tochter der Gildenfrau Margarethe Brinkmann höher schlagen ließ, hatte für sie in diesen Augenblicken ganz und gar nichts Erwärmendes.
„Sie ist keine Kriminelle!“, hielt sie leidenschaftlich dagegen. „Sie ist nur eine geschundene, gequälte Frau, die bei uns Schutz sucht – für sich und ihren armen kleinen Jungen.“
„Immerhin Schutz vor ihrem Ehegemahl! Und es ist das Gesetz, dass nur der Ehegemahl bestimmen darf, wo sich seine Gattin aufzuhalten hat. Wenn sie ihn gegen seinen Willen einfach so verlässt, handelt sie nun einmal höchst gesetzeswidrig!“, beharrte Winand Lemberg, was in den Ohren Adolphines recht unerbittlich klang.
In der Regel setzte sie sich ja durch gegen diesen Mann, den sie mehr liebte als ihr eigentlich selber recht war. Dabei zweifelte sie seit Jahren, ob umgekehrt seine Liebe zu ihr wirklich so groß war wie er immer wieder behauptete. Tatsache jedenfalls war, dass sie bis heute nicht verheiratet waren, was in zweifacher Hinsicht für sie eigentlich böse war: Eine unverheiratete Frau ihres Alters war gesellschaftlich gesehen eigentlich gar nichts wert. Wenn sie keinen Ehegatten vorzuweisen hatte, galt dies sogar als nichtswürdig.
Und dann hatte sie auch noch ein Verhältnis ausgerechnet mit dem Mann, in dessen Diensten sie stand, offiziell gesehen als seine ausführende Kraft in der Führung des Armenhauses von Hamburg?
Wobei die Frage blieb, wer hier wirklich die Führung übernommen hatte. Eigentlich ganz klar ja sie, Adolphine Brinkmann. Etwas anderes hätte ihre Mutter niemals zugelassen. Und Winand Lemberg war hier nur die Gallionsfigur, weil es leider ohne Mann nicht möglich war, das Armenhaus zu führen, zumal als unverheiratete Frau mittleren Alters!
Ihr Verhältnis war selbstverständlich genauso inoffiziell wie ihre eigentliche Führung. Darüber war außer ihr nur einer umfassend unterrichtet, eben Winand Lemberg selbst. Was in der Regel nicht wirklich ein großes Problem darstellte, weil sich Adolphine eben gut durchzusetzen vermochte. Wenn es jedoch um die Einhaltung von Gesetz und Ordnung ging, konnte sie sich natürlich nicht so ohne weiteres darüber hinwegsetzen.
Dabei hatte sie gar nicht anders handeln können, als diese Johanna Holbein mit ihrem kleinen Sohn Adolph hier aufzunehmen. Nicht nur, weil sie so erschrocken gewesen war über das verquollene Gesicht der jungen, zierlichen Mutter, was eindeutig von brutalen Schlägen herrührte.
Johanna hatte ihren Gatten Hans Holbein dafür verantwortlich gemacht und gehofft, hier im Armenhaus von Hamburg Schutz und Geborgenheit zu finden, weil die Gewalttätigkeiten ihres Ehegatten sich nicht nur gegen sie, sondern am Ende vielleicht auch noch gegen den kleinen Jungen richteten.
„Und außerdem“, trumpfte jetzt Winand Lemberg großspurig auf, „sind wir ein Armenhaus und kein Waisenhaus. Wir nehmen keine Kinder auf.“
„Doch!“, widersprach Adolphine jetzt, wobei sie alle Mühe hatte, ihren in der Enttäuschung geborenen Zorn zu zügeln: „Wenn dieses Kind in Begleitung ihrer besorgten Mutter ist, dann ja!“
Winand Lemberg schüttelte entschieden