„Ihr habt noch immer nicht genug?“, kam es heiser über Dans Lippen.
„Nein“, grinste Lee. „Man sieht es dir an der Nasenspitze an, dass du uns jetzt gern los sein möchtest. Wir hängen nun aber einmal an dir, ob es dir passt oder nicht. Außerdem glaube ich, dass Ann auch uns beide gern wiedersehen möchte.“
„Reitet zum Teufel!“, entfuhr es Dan böse.
„Nun, reiten wir lieber mit dem Teufel“, sagte Paul. „Ich bin überzeugt, dass die schlimmsten Burschen der Bande bei Larry und Jim Jugens aushalten und wie die Aasgeier auf einen fetten Brocken warten. Irgendwie gleichen sich die harten Rudel, und manchmal glaube ich, dass es eine Art Gesetzmäßigkeit gibt, der diese Männer unterstehen. Wichtig ist es jetzt, an Jim heranzukommen, und noch wichtiger, dass Ann befreit wird.“
Dan gab keine Antwort. Er hob sich in den Sattel seines Pferdes und ritt an. Obwohl er keine Zustimmung dazu gegeben hatte, dass man ihn begleitete, folgten ihm seine beiden Partner. Dan tat auch nichts, um sie abzuschütteln, aber er drehte sich auch nicht ein einziges Mal nach seinen beiden Freunden um. Er hörte deutlich Pauls Lachen, das den Hufschlag der Pferde übertönte. Es war das alte vertraute Lachen, das er so oft gehört hatte und das immer die Spannung von ihm genommen hatte. Ja, es war gut, Lee und Paul bei sich zu haben, zwei Kameraden, auf die man sich verlassen konnte.
Man verließ die Stadt in südlicher Richtung. Nach einer Weile, als die Stadt hinter ihnen lag, .sagte Paul:
„Ich weiß auch, warum Larry zurückblieb. Er ist derjenige, den Dans Kugel an der Schulter verletzte. Von allen war er am übelsten dran. Hannigan hatte die Rechte verletzt, aber sie behinderte ihn nicht beim Ziehen, er konnte auch mit der Linken schießen. Red Jugens’ Hand dagegen hatte keine Verletzung. Ihm hast du beim Überfall auf Frank Rüdiger die Waffe aus der Hand geprellt,
Dan. Man kann also annehmen, dass Larry seinem Bruder keine große Hilfe sein kann. Wir werden bald wissen, ob Larry seinem Bruder Jim nicht noch zur Last wird.“
17.
Die dünne Sichel des Mondes hing am Himmel, und ein ständiger Wind blies aus Norden, der dunkle Wolken herantrug. Die Sicht reichte nicht weit, doch Dan kannte hier jeden Fußbreit Boden. Seine beiden Begleiter folgten ihm dichtauf. Das Buschgelände, das so typisch für diese Landschaft war, war hier nicht mehr so dicht und zusammenhängend. Das Büffelgras reichte einem aufrecht stehenden Mann bis zur Brust. Das Land hier glich mehr einer Parklandschaft, doch das konnte man jetzt mitten in der Nacht nicht so deutlich erkennen, auch nicht die Prärierosen und die bunten Blumenteppiche, die in das saftige Gras hinein gewoben waren.
„Noch eine Meile, dann sind wir dicht vor der Drei-Stäbe-Ranch“, sagte Dan zu seinen Begleitern. „Jetzt werden wir bald wissen, ob Jim sie zur Festung machte oder sie aufgab und es vorzog, auf den langen Trail zu gehen.“
„Bevor er letzteres tut, hat er noch eine Menge mitzunehmen. Wir kommen gerade noch zurecht, um ihn daran zu hindern.“
Als Paul das sagte, krachte ein Schuss, und eine Kugel schlug über ihm in das Blattwerk der Bäume. Im nächsten Augenblick krachte und barst es wie bei einem Trommelfeuer. Blacky warf sich auf die Hinterhand und machte einen gewaltigen Satz in die Büsche hinein. Dan wurde aus dem Sattel geschleudert und kam zum Glück auf weichem Gras zwischen den Büschen nieder. Sofort war er hoch und seine Revolverhand schnellte den Colt heraus. Der Todesschrei eines Pferdes übertönte einen Moment lang das Aufbrüllen der Schüsse. Dan konnte sehen, dass Pauls Pferd tödlich getroffen noch einige Schritte vorwärts machte und in das Gewehr und Coltfeuer hineinlief, ehe es zusammenbrach.
Wo waren Paul und Lee? Weder vom Pferd Lees noch von ihm selbst war etwas zu sehen. Dan hoffte, dass es Paul gelungen war, rechtzeitig aus dem Sattel und den Steigbügeln zu kommen und sich in Deckung fallen zu lassen, er hoffte, dass es Lee gelungen war, mit dem Reittier zu Boden zu gehen und sich eine Deckung gegen die Schützen aus dem Hinterhalt zu verschaffen. Blacky war wie durch ein Wunder nur leicht verletzt. Eine Kugel hatte ihn am Halse getroffen. Jetzt jagte das Pferd durch das Gehölz, dass es krachte und splitterte.
Nun, Dan konnte sich jetzt nicht um Blacky kümmern. Er feuerte auf ein aufblitzendes Mündungslicht und ließ sich im gleichen Augenblick zur Seite fallen. Ein Schrei ertönte, und Dan, der seinen Revolver erneut hob, hörte sich seitwärts in den Büschen etwas bewegen. Sofort schoss er dorthin, doch nichts regte sich. Die Mündungslichter leuchteten dort auf, wo die Gegner hinter einem langgestreckten Erdhügel lagen. Kugeln schlugen in seiner Nähe ein. Er wurde sich dessen bewusst, dass er weder von Paul noch von Lee Feuerunterstützung bekam, dass er allein das Gegenfeuer lieferte. Kein Wunder, dass ihm das Herz vor Schreck heftig gegen die Rippenwandung pochte, musste er doch glauben, die beiden Freunde verloren zu haben.
Vielleicht begriff er jetzt, warum Dublon die Ranger nicht in der Nacht einsetzte und kein Aufgebot in der Nacht kämpfen ließ. Er schätzte die Gegner als eine Horde von skrupellosen Elementen richtig ein. Für Dan war das jetzt auch uninteressant, denn er hatte keine Zeit zum überlegen. Er wechselte die Position und hoffte damit nicht nur die Gegner zu täuschen, sondern auch Paul und Lee zu finden, die seiner Meinung nach irgendwo in der Nähe im Grase liegen mussten. Der Gedanke, dass sie hilflos, schwerverletzt sein konnten, trieb Dan den Schweiß ins Gesicht. Wieder schoss er, als ein Mündungslicht die Stellung des Gegners verriet, doch es ertönte kein Aufschrei, ein Zeichen dafür, dass man auf der anderen Seite vorsichtig geworden war.
Wieder krachten Schüsse, doch diesmal nicht in Dans Nähe. Sie waren seitwärts in das Gehölz hinein gerichtet, das sich zum Hügelrücken hinzog. Unwillkürlich hob Dan den Kopf etwas höher aus der Deckung und sofort blitzte es grell auf. Dan schoss zurück, schoss, bis das Magazin leer gefeuert war, dann hastete er vorwärts, in gebückter Haltung seinen Colt mit neuer Munition versorgend. Seine Hände waren schweißig geworden, Dreck verklebte sein Gesicht, Dornen ritzten die Gesichtshaut auf. Er begriff, dass die Feinde jeden Augenblick in seinem Rücken sein mussten und dass er den Standort nicht halten konnte. Im gleichen Augenblick riss ihn ein Geräusch seitwärts von ihm herum. Seine Waffenmündung richtete sich auf die verdächtige Stelle, doch sofort senkte er sie, als er erkannte, dass Lee es war, der auf ihn zugerobbt kam.
„Du lebst? Ein Stein fällt mir vom Herzen!“
„Teufel, ich bin waffenlos“, sagte Lee leise, „ausgerechnet mir musste so etwas passieren! Beim Sturz vom Pferd ist mein Colt verlorengegangen, und es musste mit dem Teufel zugehen, denn ich konnte das Eisen nicht wiederfinden.“
Lee sprach leise und lag ganz ruhig im Grase. Er hatte Dan eine Erklärung gegeben, und der wusste nun, warum er vergeblich auf Lees Feuerunterstützung gewartet hatte.
„Hast du Paul gesehen?“, fragte Dan unruhig. Lee nickte.
„Ja, er war sehr munter, als er dort seitlich in den Büschen verschwand. Er sagte mir noch, dass
er überrascht sei, dass Jim Jugens die Ranch zur Festung machen wollte. Das erschien ihm merkwürdig. Er wollte herausbringen, ob wir nicht nur aufgehalten werden sollen, damit Jim in Ruhe alles Wertvolle von der Ranch