Er beugte sich hinunter zum Swimmingpool und hantierte mit einer kleinen Apparatur aus winzigen Glasröhrchen herum. Elsa blinzelte, aber sie konnte nicht erkennen, worum es sich handelte.
Sie trat hinaus.
„Guten Morgen“, sagte sie.
Aziz blickte auf. Ohne darüber nachzudenken, hatte Elsa ihn auf Deutsch begrüßt. Aziz antwortete ihr auf Englisch.
„Guten Morgen, Miss.“ Sein Englisch war akzentbeladen, aber dennoch gut verständlich.
„Was machen Sie da?“, fragte sie - nun ebenfalls auf Englisch. Sie hörte sich in der fremden Sprache reden, und ihre eigene Stimme klang fremd für sie.
„Ich überprüfe den pH-Wert“, erklärte Aziz. „So ein Pool braucht regelmäßige Wartung. Vielleicht muss ich etwas Chlor zusetzen...“
Aziz hantierte noch etwas herum, dann erhob er sich ächzend. Er schien fertig zu sein.
„Und?“, fragte sie.
„Und was?“
„Müssen Sie Chlor zusetzen?“
„Ja. Sonst ist bald alles grün, und der Pool wird zu einer einzigen, stinkenden Kloake!“
„Na, aber das dauert doch eine Weile, bis es so weit kommt, oder?“
„Das geht viel schneller, als viele Leute glauben. Zumal wenn die Sonne so scheint.“ Er deutete zum Himmel. „Wird heute wieder ein heißer Tag!“
„Ja“, murmelte Elsa nachdenklich. „Scheint so...“
Der Marokkaner wollte sich zum Gehen wenden, aber Elsa hielt ihn zurück.
„Aziz...?“
„Ja, Miss?“
„Ich darf Sie doch so nennen, ich meine...“
Er lachte. „Aziz ist mein Name. Warum sollten Sie mich nicht so nennen dürfen?“
„Wie lange arbeiten Sie schon für Robert?“
„Für Mister Jensen? Schon sehr lange...“
„Wie lange?“
„Es werden jetzt bald drei Jahre, schätze ich.“
„Und seit wann ist Robert hier in Tanger?“
„Ich weiß es nicht, aber als ich hier angefangen habe, hatte er das Haus wohl noch nicht lange.“
Elsa machte eine unbestimmte Bewegung mit der Hand. „Er ist ein reicher Mann“, murmelte sie.
Und Aziz nickte. „Ja, sehr reich.“
„Was denken Sie über Robert?“
Aziz machte auf einmal einen ziemlich hilflosen Eindruck. In den Händen hielt er noch die Apparatur, die er zur pH-Wert-Bestimmung des Wassers gebraucht hatte. Er zuckte leicht mit den Schultern und lächelte etwas verlegen.
„Ich weiß nicht, was ich dazu sagen soll...“
Elsa kam in den Sinn, dass sie Aziz mit dieser Frage vielleicht überforderte. Schließlich lebte er von Robert... Aber sie bohrte dennoch weiter. Sie musste einfach mehr über den Mann erfahren, den sie liebte und in dessen Haus sie lebte.
„Sie werden doch sicher eine Meinung über einen Mann haben, für den Sie schon seit fast drei Jahren arbeiten!“
„Ich bin sehr zufrieden hier und kann mich nicht beklagen. Ich habe einen guten Job - und nicht nur ich, sondern auch meine Frau und meine Töchter. Sie kommen hierher zum Putzen. Wir alle verdanken Mister Jensen viel.“
„Das meine ich nicht.“
„Dann verstehe ich Sie nicht.“
„Was ist er für ein Mensch?“
„Er ist sehr verschlossen, Miss.“
„Was heißt das?“
„Dass er nicht gerne mit anderen über seine Angelegenheiten redet! Aber ist das nicht auch sein gutes Recht? Alles in allem weiß ich nicht viel über ihn, obwohl ich schon seit drei Jahren fast täglich sein Haus betrete. Etwas merkwürdig ist das schon.“ Er zuckte mit den Schultern. „Er vertraut mir immerhin so weit, dass er mir seinen Haustürschlüssel überlässt.“
„Ich meine...“
„Hören Sie, vielleicht können wir uns ein anderes Mal ein wenig unterhalten, aber im Augenblick habe ich eigentlich alle Hände voll zu tun...“
Er wandte sich bereits halb um.
„Nur noch eins!“
„Was?“
„Womit verdient Robert sein Geld?“
„Das geht mich nichts an. Hat er es Ihnen nicht gesagt?“
„Nein.“
„Haben Sie ihn gefragt?“
„Schon, aber... Ich werde nicht schlau aus der Sache. Aus allem hier.“
„An diesen Zustand sollten Sie sich gewöhnen.“
„Weshalb?“
„Weil der Besitzer dieses Hauses einen gewissen Hang zur Geheimniskrämerei hat. Ich habe es aufgegeben, mich über irgend etwas zu wundern. Und Sie sollten dasselbe tun.“
„Ich weiß nicht...“
„Es ist ein Rat, mehr nicht.“
„Gut.“
„Stellen Sie sich eine Rose auf einem Misthaufen vor.“
„Eine Rose auf einem Misthaufen? Etwas merkwürdig, nicht?“
Aziz entblößte seine Zähne, als er ein breites Lächeln aufsetzte. „So etwas gibt es, Miss.“
„Wenn Sie es sagen.“
„Sie sollten sich an der Rose freuen, Miss - und nicht in dem Mist graben, auf dem sie gewachsen ist!“
Dann wandte er sich mit einer entschlossenen Bewegung um und ging davon.
6
Vom Madrider Bahnhof Chamartin aus hatte Robert die Untergrundbahn genommen, war ein paar Stationen gefahren und dann an einer bestimmten Stelle ausgestiegen. Er kannte sich in Madrid aus, aber hier Ort - und vor allem in dem Hotel, vor dem er jetzt stand - war er noch nie gewesen.
Er hatte das extra so arrangiert.
Es sollte sich später niemand an ihn erinnern.
Das Hotel war eine Absteige, aber genau richtig für seine Zwecke. Man kümmerte sich in solchen Etablissements nicht besonders um die Gäste. Und ein Teil der Gäste schätzte das.
Die Fassade hätte eine Überholung dringend nötig gehabt, aber damit machte sie unter den anderen Gebäuden der Straße keine Ausnahme. Es war eine heruntergekommene