Die Legende vom Hermunduren. G. K. Grasse. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: G. K. Grasse
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия: Die Legende vom Hermunduren
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347036192
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und ließ Worte hören, die den weit Älteren erstaunten.

      „Vor dem Kampf ist nicht während des Kampfes und auch nicht danach… Vor dem Kampf wäre dir, Alter, meine Achtung sicher gewesen. Warum schickt Rom solche Männer noch in einen Überfall? Im Kampf ist mir dein Alter gleichgültig und nach dem Kampf, ja das ist wieder eine andere Zeit… Für gewöhnlich zolle ich dem Mutigen meine Ehrerbietung… Also wollen wir es hinter uns bringen, damit ich dann deine Wunde versorge?“

      Der Gefangene nickte.

      „Kennst du den Tungerer, den ich zuerst holte?“

      „Ja und er ist ein mutiger Mann!“

      „Wen kennst du noch?“

      „Fast alle, immerhin bin ich schon lange dabei!“

      „Dann muss ich wohl anders fragen?“ Gerwin nickte zur erhaltenen Antwort.

      „Das kommt darauf an, was du wissen willst?“ beschied ihm der Alte.

      „Wenn du sie alle kennst, schließt das dann deren Namen mit ein?“

      „Zumindest bei vielen!“ Der Gefangene antwortete ohne zögern. Gerwin spürte, dass er sich an die Wahrheit hielt.

      „Welche der Männer kennst du nicht?“

      „Den dürren Ubier, den du bereits holtest. Der und weitere neun Männer tauchten erst mit Tutor auf und wurden dann im Lager belassen! Von den neun Fremden befinden sich jetzt noch sechs Männer im Gatter… Der Rest muss wohl schon unter dem Gras liegen…“

      Gerwin nahm diese Mitteilung mit Aufmerksamkeit zur Kenntnis. Nach Allem, was er bisher von den Tungerern erfuhr, begann er diesen Männern zu vertrauen. Sie sprachen offen und ihre Worte enthielten die kleinen, oft unbemerkten Einzelheiten, über die sich ein Gefangener im feindlichen Lager sorgte.

      „Was glaubst du, wird mein Legat euch alle töten lassen?“

      „Warum sollte er? Nein, mein Junge, das wäre blanker Unsinn! Er muss nur den Spreu vom Weizen trennen… Die Meisten von uns folgen dem Schwur… Stell dir vor, du bist Auxiliar und wirst einfach so versetzt? Wären wir feige gewesen und geflohen, könnte uns dein Legat in Schande vom Hof treiben… Wir wären Roms unwürdigste Auxiliaren! Ich weiß nicht, ob überhaupt einer der Männer des Lagers am Rhenus floh?“

      „Doch, meine Gefährten fingen diese… Manche wollten dann doch kämpfen und sind tot. Ich glaube es waren nur drei, die übrig blieben…“

      „Da siehst du es wieder… Gemessen an unserer Zahl, von weit über einhundert Männern, sind also nur drei mit nassen Beinen davon gerannt…“ Gerwin verstand die Bedeutung der Worte. Ein Ängstlicher pisste sich zuerst ein…

      „Welche Möglichkeiten besitzt mein Legat noch?“ bohrte der Hermundure weiter.

      „Zurücksenden, aber das wäre Unsinn… Zu viele Tote und die Jagd beginnt aufs Neue… Dann wäre da noch die Möglichkeit, dass einer von den Überlebenden plaudern könnte, vielleicht über Präfekt Tutor und das Ziel unseres Marsches in dieses Gebiet…“

      „Und sonst?“ Gerwin stocherte weiter.

      „Ich sagte es schon… Eine Versetzung! In diesem Fall zwar ohne Zustimmung des vormaligen Präfekt der Kohorte, aber das schert wohl keinen? Der streicht uns ohnehin aus seiner Bestandsliste und kümmert sich um Ersatz… Selbst kehrten wir zurück, blieben wir wohl eher für ihn tot, ob nun wirklich tot oder in Zukunft tot, weil er uns bei der nächsten kleinen Gelegenheit zuerst auf den Feind hetzt… Gelegentlich gibt es solche Vergnügungen, wenn wieder einmal eine der Sippen aufbegehrt… Weißt du, bei uns in den Sümpfen und zwischen den Hügeln ist eigentlich immer etwas im Gange…“

      Der Hermundure begriff des Mannes Überlegungen.

      „Das wird wohl so nicht gehen…“ ging Gerwin auf die Anfangsworte des Alten ein. „… oder weißt du nicht, dass der Bruder deines Statthalters unser Statthalter ist? Also verfügt er über das Kommando bei den Auxiliaren und meinem Legat wären die Hände gebunden… Würden wir diese Gefangenen als Auxiliare aufnehmen wollen, würde dies zum Einen zu viel Aufmerksamkeit heraufbeschwören, zum Anderen den Bruder deines Statthalters, der nicht unser Freund ist, aufmerksam machen und dann hätte der auch noch die Befehlsgewalt und könnte sich sehr zu euren Ungunsten einmischen… Nein, Alter, das wird wohl nichts werden…“ schloss Gerwin und bemerkte eine gewisse Ratlosigkeit im Blick des Älteren. Der Alte kratzte sich am Kinn.

      „Würde dein Legat uns aber in seine eigenen Kohorten einreihen, müssten die Statthalter erfolglos nach uns suchen… Wir leben und er gleicht seine uns geschuldeten Verluste aus, als hätte es nie einen Kampf gegeben… Das wäre schon lustig…, geht aber wohl nicht, es sei denn, wir wären Bürger Roms… Was nur Wenige von uns vorweisen könnten, es sei denn, diese Ubier…“ Gerwin begriff, der Alte hatte recht.

      In dem der Hermundure das Gehörte mit bisherigem Wissen abglich, schälte sich heraus, wer zum Weizen gehörte und wo er die Spreu fand.

      „Nehmen wir einmal an, du zeigst mir die Neuen, die mit dem dürren Ubier kamen…“ schlug Gerwin vor.

      „Nein, denn dann wäre ich mit Recht ein Verräter und das möchte ich nicht sein… Wenn du ein wenig überlegst, fällt dir gewiss ein, wie du dieses herausfindet…“ widersprach der Alte.

      „Das verstehe ich! Also gehen wir!“

      Gerwin drehte sich um und rief den Wächtern zu „Nehmt den hier wieder mit und bringt sie zurück!“

      6. Der Plan des Legat

       66 nach Christus - Herbst (7. December)

       Imperium Romanum – Exercitus Germania Superior

      Gerwin selbst ging langsam und grübelnd zurück zum Zelt des Legat. Inzwischen war es stockfinstere Nacht. Er fand Viator, dessen Begleiter und die drei Gefangenen, von Wachen und Fackeln eingeschlossen, vor dem Zelt.

      „Viator, bringt sie wieder hinein!“ befahl er und schlug den Zelteingang zur Seite.

      „Nun, mein junger Hermundure, das dauerte aber lange…“ empfing ihn der Legat.

      „Herr verzeih, es war schwieriger als ich es mir vorstellte…“

      „Eigentlich interessiert mich nur das Ergebnis, Gerwin!“

      „Herr, erlaube, dass ich dem Graukopf noch eine Frage stelle?“

      Eine gönnerhafte Handbewegung gab die Frage frei. „Meinetwegen, stelle ihm auch weitere Fragen… Hauptsache wir kommen langsam zum Ende!“ forderte Verginius Rufus.

      „Also, Graukopf, kennst du den Präfekt Tutor?“

      „Sicher, wie jeder aus dem Lager hier am Fluss… Für die Anderen kann ich nicht sprechen…“

      „Was ist das Besondere an Tutor?“

      „Er ist ein Lügner!“

      „Wieso?“

      „Er versprach uns zum Sieg zu führen und dann verschwand er spurlos… Auch im anderen Lager wurde er nicht mehr gesehen…“ Der Graukopf blieb bei der Wahrheit, so schien Gerwin.

      Darum ging es ihm. Er wusste inzwischen, wie Tutor zum Anführer der Treverer stand, wo der große Tungerer hingehörte, was für ein Mann der dürre Ubier war, aber noch nichts über diesen Usipeter…

      „Stimmt es, dass er allen hier im Lager verkündete, welches Ziel verfolgt wurde?“

      „Ja, er prahlte auch damit, eine alte Schuld begleichen zu können… Deshalb ist es umso verwunderlicher, dass er plötzlich spurlos verschwand…“ Der Graukopf stutzte plötzlich.

      „Du hattest ihn und er verriet uns im Tausch für sein Leben…“ Diese Erkenntnis ließ Zorn aufwallen. „Wo ist der Kerl jetzt, damit ich ihm für die Lügen und den Verrat seine Augen zudrücken kann…“ Der Alte