Professor Kokolakis lachte laut auf.
„Was gibt’s da zu lachen?“
„Weil Sie allenfalls nur 50 kg auf die Waage bringen und so in der Tat zur Kollegin Papas vergleichsweise ein Leichtgewicht sind.“
Wieder mussten sie beide lachen.
„Ok. Ich überleg mir’s.“
„Aber nicht so lange, bitte.“
„Jetzt wollte ich aber erst mal ein wenig ausspannen. Die letzten Wochen waren nämlich nicht so ganz ohne.“
„Gut, das sehe ich ein. Was halten Sie von 4 Wochen Bedenkzeit?“
„Einverstanden, Herr Kokolaki. Ich melde mich auf jeden Fall bei Ihnen. Dann mal Antio für heute.“
Professor Kokolakis wusste nicht so recht, ob er sich da verhört hatte. Die Young Lady hatte ihn nur mit Namen und ohne Titel angesprochen? ‚Ganz schön frech meine Kleine, aber verdammt hübsch bist Du. Ich werde Dich schon kirre kriegen‘. dachte er.
„Antio Frau Mantalo – wir hören voneinander.“
‚Das könnte Dir so passen. Lieber sammle ich in Mutters Weinbergen die Läuse einzeln von den Blättern ab, als unter Dir zu arbeiten‘. dachte Nephele. An und für sich hätte sie es sich durchaus vorstellen können, in der großen Klinik in Nicosia zu arbeiten. Hatte aber den Gedanken nie ernsthaft verfolgt, weil dieser Kokolakis als größter Schürzenjäger in der ganzen Klinik nicht nur bekannt, sondern geradezu verrufen war. Allen Frauen unter 30 pflegte er nachzustellen und böse Zungen behaupteten, dass er etwa 2/3 der weiblichen Altersgruppe schon flachgelegt hatte – sofern sie einigermaßen hübsch und wohlproportioniert waren und keinen Mundgeruch hatten. Es wurde sogar kolportiert, dass selbst größere Mengen von Knobloch einen vor seinen Nachstellungen nicht bewahren könnten. Immerhin – verheiratete Frauen ließ er in Ruhe. Ob aus ‚aufrechter Gesinnung‘ oder weil er eine Tracht Prügel von gehörnten Ehemännern fürchtete, wusste man nicht so genau.
Professor Kokolakis war Anfang 40, sah blendend aus, konnte sehr charmant sein und war fachlich eine Koryphäe. Aber in puncto Frauen eben ein echter Kotzbrocken. Da nützte auch das Charmant-Sein nichts.
Nephele hielt sich für ganz ansehnlich, dass sie tatsächlich ein bildhübsches Mädchen, etwa 1,78 lang geraten war, tiefschwarze Haare und dunkelbraune Augen hatte, stets ziemlich gut gebräunt aussah und obendrein mit einer tollen Figur gesegnet war, war ihr selbst nie so recht bewusst gewesen. Aber ihr war durchaus klar, dass sie voll in das Beuteschema von Kokolakis passen würde. Ja, sie würde schon mal mit einem Mann ganz richtig zusammen sein wollen, aber nicht als Gespielin ihres potentiellen Chefs. Sondern mit einem Mann, den sie lieben könnte, mit dem sie für immer zusammenbleiben und von dem sie sich vorstellen könnte, die Mutter seiner Kinder zu werden. Da würde sie auch ganz sicher nicht bis zur Hochzeitsnacht warten wollen. Inzwischen hatte sie sich unweit der Klinik in ein Straßencafé gesetzt und einen doppelten Cyprus Coffee Sketo bestellt. Ihre Mitprüflinge hatten das Klinikgebäude inzwischen auch verlassen und zwei ihrer Kolleginnen kamen jetzt auf Nephele zu und setzten sich zu ihr.
„Was wollte denn der Kokolakis von Dir?“ fragte Helena, „Dich in sein Bett zerren?“
Alle drei mussten jetzt lachen.
„Nö, noch nicht. Er hat’s subtiler versucht und mir erst mal einen Job bei sich angeboten.“
„Und, nimmst Du den an?“
„Wohl eher nicht.“
„Warum nicht? Also, ich würde den Job sofort nehmen. Und von der Bettkante müsste man den Kerl eigentlich auch nicht unbedingt verstoßen.“
„Helena, der ist absolut nicht mein Typ. Und wenn der mir zu nahekäme, würde ich den Job gleich wieder verlieren.“
„Wieso das denn? Der hat noch keine rausgeschmissen, mit der er im Bett war.“
„Mich schon.“
„Hm…?“
„Ich würde ihm vorher noch eine kleben, so wie damals die eine Ärztin, die er angegrapscht hatte. Die ist danach in die Onkologie gegangen.“
„Mensch Nephele – warum bist Du denn so prüde?“ lachte jetzt Xenia.
„Das hat nichts mit Prüderie zu tun. Ich bin doch kein Freiwild für einen hormongesteuerten Professor, der sich für unwiderstehlich hält.“
„Deshalb kann man doch mal mit dem zusammen sein? Und ein bisschen Spaß haben? Gib’s zu – Du hast noch nie mit einem Mann geschlafen.“
„Also erstens geht Euch das nichts an und zweitens war ich schon mehr als einmal mit einem Mann zusammen. Schon als Schülerin. Und können wir jetzt mal das Thema wechseln? Was habt Ihr denn jetzt so vor?“
Nephele war ein wenig rot geworden. Aber sie hatte nicht gelogen. Sie hatte ja nur zugegeben, schon mit Jungs zusammen gewesen zu sein. Dass es ‚nur‘ Teasing und Petting gewesen war, brauchte sie denen ja nun wirklich nicht auf die Nase zu binden. Und obendrein ging das die Zwei nun wirklich absolut nichts an.
Nach weiteren zwanzig Minuten Unterhaltung löste sich der kleine Kreis auf – Nephele ging zu ihrem kleinen Wägelchen, einem uralten Honda Civic und machte sich auf den Heimweg. Vorher hatte sie noch kurz ihre Mutter verständigt und stolz von der bestandenen Prüfung berichtet.
Nach eineinhalb Stunden Autofahrt kam Nephele zu Hause an. Die Mutter hatte ihr Auto gehört und trat auf die Terrasse, um ihre kleine und nun schon große Tochter in die Arme zu schließen und ihr zu gratulieren. Sie wäre nie auf den Gedanken gekommen, dass die Tochter das Examen womöglich nicht bestanden haben könnte. Sie hatte vorher auf der schattig gelegenen Terrasse eine wunderschöne Kaffeetafel gedeckt und jede Menge der herrlichen zypriotischen in Zuckerwasser getränkten Kuchen hingestellt, die ihrer Tochter immer so gut schmeckten, dazu eine große Kanne Tee vorbereitet.
„Du, Mom, ich mag heut eigentlich gar nichts Süßes – bist Du arg enttäuscht, wenn ich lieber eine Portion gebratenen Halloumi mit Lountza haben möchte? Ich brauch erst mal was Herzhaftes und den Kuchen gern als Nachtisch. Und dann erzähl ich auch alles. Obwohl ich damit lieber warten würde, bis Dad auch da ist. Dann muss ich den Kram nicht zwei Mal erzählen?“
„Das könnte Dir so passen, meine Kleine. Ich vergehe vor Neugier, habe vor lauter Daumendrücken schon ganz steife Hände und jetzt soll ich auch noch warten? Und – na ja, Lountza ist wohl noch da. Oder darf‘s für die junge Dame auch Halloumi mit Hiromeri sein? Danae hat den Schinken erst vor zwei Stunden aus der Räucherkammer geholt. Und stell Dir vor, sie hat vorher zum marinieren nicht den üblichen Rotwein genommen, sondern den guten französischen Beaujolais aus Vaters Weinkeller. Der ist fast ausgeflippt, als er das mitgekriegt hat. Hat sie glaube ich nur wegen Dir gemacht, sonst nimmt sie ja immer unsern Rotwein fürs Marinieren.“
Mutter und Tochter lachten sich jetzt an – Nephele hatte förmlich das Bild vor Augen, als der Herr Papa Danaes ‚Missgriff‘ bemerkt hatte.
„Wo ist die überhaupt? Wieso werde ich nicht gebührend von ihr begrüßt?“
Inzwischen war Danae aus der Küche gekommen und brachte schon einen Teller mit drei Stücken gegrilltem Halloumi und sechs hauchdünn geschnittenen und gebratenem Scheiben Hiromeri mit. Und ganz ungefragt obendrein eine Flasche Weißwein.
„Hab schon mitbekommen, dass Du lieber was Herzhaftes haben möchtest. Ist auch besser als das süße ‚Schlabber-Zeug‘.“ begrüßte sie Nephele, sie genau so herzlich umarmend, wie es zuvor die Mutter getan hatte. Und küsste das Mädchen gleich drei Mal. Dann setzte sie sich dazu und Nephele berichtete von ihrer Prüfung, zwar etwas undeutlich in der Aussprache, weil sie ständig den Mund voll hatte, aber die Mutter ließ es heute ausnahmsweise mal durchgehen.
Nepheles Elternhaus stand in den Bergen mitten in einem Weinfeld in der Nähe von Plataniskia. Es war ein fast 150 Jahre alter Bau aus Feldsteinen, den ihre Urgroßeltern einst