Kindheitserinnerungen aus Meersburg. Bernhard Nessler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Bernhard Nessler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Биографии и Мемуары
Год издания: 0
isbn: 9783347030589
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vielen Manifestationen gewisse Grenzen. Die alteingesessene Bevölkerung war katholisch und blieb kirchentreu trotz aller Propaganda. Und sie war für die vielen oft versteckt zeitkritischen Predigten des Stadtpfarrers nach wie vor empfänglich. Er war gewiss die treibende Kraft hinter der Renovation. Und so war ihr Kern denn letztlich auch eine theologische Aussage, die durch das neu in die Kirche eingebrachte Deckengemälde gemacht wird. Es stellt inhaltlich „Mariä Himmelfahrt“ dar, und diese ist eigentlich eine Antwort auf „Mariä Heimsuchung“, die „Verkündigung“, die als Patronatsfest der Kirche gefeiert wird und an einem Seitenaltar auch bildlich dargestellt ist. Die theologische Besonderheit des Gemäldes besteht jedoch darin, dass es in einem Zeitpunkt entstand, bevor die Dogmatisierung von „Mariä Himmelfahrt“ durch Rom erfolgte und dass es inhaltlich klar Stellung bezieht nicht für die Konzeption eines Aufstiegs Marias in den Himmel (Ascension), sondern für die einer Aufnahme (Asomption) durch die im Himmel thronende Dreifaltigkeit. Von ihrem pompösen irdischen Grab aus umschweben Maria kleine von der Dreifaltigkeit ausgesandte Engelchen und geleiten Maria nach oben, wo sie erwartet wird. Um das Grab herum hinterbleiben in Aufruhr geratene disputierende, sehr korpulente Gestalten, wohl die Apostel und Maria Magdalena mit einem besonders dicken Arsch, das einzige, woran die Meersburger in diesem Gemälde Anstoß genommen haben.

      Es wäre interessant zu wissen, ob Otto Dix das Gemälde gesehen hat, der ja in dieser Zeit am Bodensee lebte und Malverbot hatte, weil seine Kunst als „entartet“ eingestuft und deklassiert worden ist, das neue Deckengemälde der Pfarrkirche offenbar nicht. Freilich ist die neoklassizistische Gestaltung des Raumes ein Zugeständnis an die Zeit. Es ist derselbe Stil wie derjenige der nazistischen Architektur etwa in München. Aber es gibt keine nur dekorativ eingefügten Säulen und keine funktionslosen Pilaster, also nichts vom nazistischen Monumentalismus. Das ganze Stuckgesims scheint einzig dazu da, das Deckengemälde zu tragen. Und dieses ist für eine Pfarrkirche, die geographisch im Kontext steht zu den barocken Kirchen im Neuen Schloss und im ehemaligen Priesterseminar und zu den Kirchen in Baitenhausen oder in Birnau eine analoge Notwendigkeit.

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