Die Wohnung der Familie Mocala liegt im Erdgeschoss eines der Backsteinblöcke, nicht weit entfernt. Johannes ist es ein wenig unangenehm dort mit hinzukommen. Aber was sollte er tun, er braucht einmal mehr trockene Kleidung und Frau Mocala hatte ihn gleichermaßen herzlich wie unerbittlich in ihre Wohnung eingeladen. Neben den drei kleineren Kindern, welche auf dem Spaziergang am Harlem River dabei waren, sind in der Wohnung noch zwei ältere Schwestern, eine Großmutter und ein Baby. In einem kaum verständlichen Kauderwelsch reden alle durcheinander, bis das Geschehene in Kurzform berichtet ist und Johannes als Retter des kleinen Louis ausgiebig gepriesen ist. Eines der älteren Mädchen bringt heißen Tee, nachdem Johannes in viel zu weiter trockener Kleidung von Herrn Mocala neben dem bullernden Ölofen sitzt. Die Mocalas scheinen nicht gerade arm zu sein, so wie es in der geräumigen Wohnung aussieht und die Kinder gekleidet sind. In einem der Schränke stehen eine Menge Pokale und die Wände sind mit Fotographien behängt die Herrn Mocala im Boxring oder in Siegerpose zeigen. Einige Zeitungsauschnitte berichten über Boxkämpfe in denen er gesiegt hatte.
Johannes muss erzählen, wo er herkommt und wo er so gut schwimmen gelernt hat. Schmunzelnd denkt er an seine ersten Schwimmstunden in der Warmbadeanstalt in Hamburg. Er berichtet, dass er aus Deutschland kommt und vor einiger Zeit auf einem großen Schiff zur See gefahren sei. Herr Mocala teilt ihm mit, dass er Boxtrainer sei, was sich ja schon aus den Fotos und Pokalen ahnen lässt. Seine Frau ergänzt vorwurfsvoll: „Bärenstark ist er, Cooper kann die halbe Stadt verprügeln, nur schwimmen kann er nicht!“ Alle lachen. Cooper Mocala berichtet, dass er alle Kämpfe von dem großen Max Schmeling hier in New York gesehen hat, seine großartigen Siege gegen Joe Louis, Ben Foord und Max Baer, aber auch Schmelings schmachvolle Niederlage im letzten Jahr, technischer k.o. in der neunten Runde wiederum gegen Louis. Johannes erzählt, dass er in Hamburg den legendären Boxkampf von Max Schmeling gegen Steve Hamas gesehen hat. Cooper Mocala klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter und erzählt, dass er seinen Sohn Louis, den er gerade aus dem Wasser gefischt hat, nach dem Boxer Joe Louis benannt hat. Johannes erklärt, dass seine Freunde hier in New York ihn Joe nennen. Mocala lacht, „wenn das kein Zeichen ist!“ Er fragt, wie er seine tiefe Schuld, dass Johannes sein Leben für den kleinen Louis riskiert hat, je wieder gutmachen kann. Das Leben eines Kindes zu retten sei Ehrensache, dafür brauche er keine Belohnung, beteuert Johannes. Aber Herr Mocala besteht auf die Erfüllung eines Wunsches. Johannes überlegt. „Trainieren Sie mich im Boxen!“, antwortet er schließlich.
„Nochmal, kriegen wir deinen Anzug nicht wieder hin“, klagt Linda, als er am nächsten Tag vor Arbeitsbeginn von seinen Erlebnissen in Harlem berichtet und den erneut ruinierten noch feuchten Anzug zeigt. Erica schüttelt den Kopf und bemerkt in abfälligen Ton: „Und das wegen einem Niggerbalg, als wenn es da nicht schon genug von gibt.“ Rick, einer der Hilfsköche pflichtet ihr bei. Die anderen sagen nichts dazu. „Ein Kind ist ein Kind, egal ob schwarz oder weiß, ich würde es jederzeit wieder tun!“, erklärt Johannes wütend. „Ach, wie edel, der Herr!“, tönt Erica und verlässt die Küche. Später nimmt Linda ihn beiseite. „Ich finde es großartig, dass du den kleinen Jungen gerettet hast, Joe!“, erklärt sie mit warmherziger Stimme.
Einige Tage später, früh am Morgen betritt Johannes zusammen mit Cooper Mocala einen, zum Box-Club umgebauten Lagerraum auf einem Hinterhof in Harlem. Zwei Dutzend Schwarze sind dort und begrüßen Cooper, sehen Johannes aber argwöhnisch an. „Cooper, was hat das Weißbrot hier zu suchen?“ Cooper baut sich vor den Männern auf. „Das ist Joe, mein Freund! Er hat meinen Sohn aus dem Fluss gezogen und ihm das Leben gerettet. Er will bei uns lernen, wie man seine Fäuste richtig gebraucht. Sportsgeist, Männer, steht an oberster Stelle. Wenn sich jemand unfair gegen Joe verhält, kriegt er es mit mir zu tun, verstanden!“ Einige der Männer nicken verständig, andere murren herum und werfen Johannes böse Blicke zu. Dem ist inzwischen ein wenig blümerant zumute. Cooper führt ihn in das Gebäude. „Erstmal staffieren wir dich aus. Zeig mal deine Hände, Hm, eher Klavierspielerhände. Naja, kräftige Schultern hast du ja, wir schaffen das schon“, erklärt Cooper. Kurz darauf steht Johannes in Boxershorts und freiem Oberkörper mit angelegten Handschuhen vor Cooper. „Okay, versuche mich am Kopf zu treffen, keine Rücksicht, stell dir vor, ich wäre einer von denen, die dich mal richtig mies behandelt haben und du willst es demjenigen heimzahlen.“ Johannes fällt spontan eine ganze Reihe von Kandidaten ein. Er versucht ein paar Treffer zu landen, aber Cooper weicht ihm mühelos aus oder wehrt die Schläge mit seinen Fäusten ab. Mit viel Geduld zeigt er ihm Deckungs-, Schlag- und Abwehrtechniken, erklärt ihm, locker in den Beinen, stets in Bewegung zu bleiben. Nach knapp zwei Stunden beendet Cooper das Training, schlägt aber unvermittelt einmal zu und trifft Johannes am Kopf. Der geht sofort zu Boden. Einige der zuschauenden Sportler lachen. Cooper hilft ihm auf. „Sorry! Das gehört zum Training. Einen Mädchenschlag muss jeder in der ersten Trainingsstunde einstecken“, lacht Cooper. Johannes reibt sich den Schädel. Aha, Mädchenschlag, also. „Gar nicht schlecht, für den Anfang“, kommentiert Cooper, als sie sich mit eiskaltem Wasser an dem großen Steinbecken in dem improvisierten Umkleideraum den Schweiß herunterwaschen. „Wenn du nach dem Schlag eben in zwei Tagen wiederkommst, wirst du ein passabler Boxer.“ Er gibt ihm einen mit Sand gefüllten Punching-Ball. „Den hängst du in deiner Kammer auf und verprügelst ihn jeden Morgen 20 Minuten lang, so wie ich es dir gezeigt habe! Bis übermorgen, Joe!“
Johannes liegt auf seinem Bett in der Dachkammer, trübes Licht fällt durch das winzige Fenster. Es ist so kalt, dass er seinen warmen Mantel trägt. Harry, sein Stubengenosse ist bei seiner Familie in Ohio. Rose, Linda und die anderen sind ebenfalls bei ihren Familien. Das Restaurant hat ein paar Tage geschlossen. Das Haus ist leer. Es ist Weihnachten, er ist allein und fühlt sich hundeelend. Er hatte zwar geahnt, dass ihn irgendwann schreckliches Heimweh ereilen wird, aber dass es so schlimm wird. Was wäre passiert, wenn er auf der Bremen geblieben wäre? In der Zeitung hatte er gelesen, dass der deutsche Schnelldampfer wieder aufgetaucht war. Vor einigen Tagen war die Bremen nach Deutschland zurückgekehrt. Wahrscheinlich hatte man das inzwischen mit einem Tarnanstrich versehene Schiff in einem sowjetischen Hafen am Polarmeer versteckt und war in den dunklen Winternächten dicht an der norwegischen Küste entlang unbemerkt bis nach Bremerhaven gedampft. Die Nazis hatten ein Riesenspektakel darum gemacht.
Rose hatte ihm gestern einen kleinen Schokoladenkuchen mit einer Kerze darauf hingestellt. Sie ist längst heruntergebrannt. Wie es Rebecca und ihrer Mutter wohl ergeht? Ob sie gerade an ihn denkt. Ob sein Brief bei ihr angekommen ist und ob er bald einen Brief von ihr bekommen wird. Vermutlich kam kaum noch Post aus Europa durch. Gottseidank sind Rebecca und ihre Mutter dort in Frankreich in Sicherheit. Und seine Familie? Was würde aus ihnen werden in Deutschland? Wilhelmine würde er gern hier in Amerika haben. New York würde ihr bestimmt gefallen. Hoffentlich macht sie nichts Unüberlegtes, wurde ihre Courage ihr nicht zum Verhängnis. Wenn er ihr nur schreiben könnte. Aber seit Krieg in Europa herrscht, geht auf dem normalen Weg keine Post mehr nach Deutschland. Andererseits berichten weiterhin amerikanische Journalisten von dort, weil Amerika seine Neutralität bisher aufrechterhält. Angeblich geht Post über Schweden nach Deutschland. Aber selbst wenn er herausfindet, wie das funktioniert, wäre es riskant. Vermutlich würden die Briefe aus dem Ausland gelesen werden und er würde seine Familie in Gefahr bringen, wenn seine Flucht von der Bremen als Desertion betrachtet wird. Wie lange der Krieg wohl noch dauern wird. Im Moment tat sich kaum etwas auf dem europäischen Kriegsschauplatz, aber das mochte am Winter liegen. Er sollte hinausgehen anstatt hier Trübsal zu blasen, aber dort war es noch kälter und er besitzt zurzeit kaum noch Geld. Endlich steht er auf und schlägt wütend auf den Punchingball ein, der zwischen zwei Seilen gespannt über seinem Bett hängt.
Zum Jahreswechsel auf 1940 veranstaltet Harvey eine große Silvesterparty in seinem Restaurant. Johannes ist wieder einmal als Aushilfskellner eingesprungen und hat mit seinen Jonglierkünsten die Gäste beeindruckt und den einen oder anderen Nickel zusätzlich an Trinkgeld bekommen. Harvey hat sogar ein kleines Orchester engagiert und die Gäste tanzen die ganze Nacht zu den Stücken von Benny Goodman, Artie Shaw, Tommy Dorsey und anderen Größen des Swing. Rose hatte den ganzen Abend schon mit Johannes geflirtet, ihn im Vorbeigehen unauffällig berührt und ihn dabei kokett angesehen. Unbemerkt von Mister Harvey hatten sie im Laufe der Nacht einige Drinks konsumiert.