Selbst die Nutzung aller Saiten ohne einen Resonanzkörper erzeugt immer noch keinen Klang. Dieser entsteht erst, wenn man zu Konzepten jeglicher Art Abstand nimmt. Wissend, dass nicht wir untauglich sind, sondern nur unsere Konzepte im Umgang mit der Welt. Platon nickt nachdenklich, denn ihm kommen diese Aspekte durchaus bekannt vor.
Ozeki Soen vom Daitokuji: Wirft man die mit Ansichten und Daten angefüllten Konzepte als Bleigürtel unseres üblichen Denkens weg, erfolgt ein Schwimmen im Ozean wie von selbst. Das oft zitierte `Loslassen` bedeutet eigentlich nur: Ballast abzuwerfen, Denk-Ballast. Was man bei dieser Schale von Meister Raku gut sehen kann. Kein Wollen mehr, kein Glänzen mehr, kein Zögern und keine Zweifel. Das jahrzehntelange Drehen half dem Keramiker offenbar, den Kern freizudrehen und die Kruste des Denkens beim Arbeiten wegzudrehen, bis nur noch ein Drehen ohne ein ICH-Drehe übrig blieb. Hier entstand ein Resonanzkörper aus der Stille des Nichts inmitten formloser Leere.
Kanno fügte hinzu: Wenn etwas nicht unbedingt so sein muß, wie wir es uns vorher im Kopf dachten, sondern einfach nur so sein kann,wie es tatsächlich ist, gelingt uns solches. Dann erleben wir die Permanessance des Ganzen, die Essenz des Ungeborenen, wie Bankei sagen würde. Der gerade zustimmend nickt. Und da hierüber gerade geschrieben wird, meint Kanno, gilt es zu bedenken, dass es nur Sinn macht sich gesprochener und geschriebener Worte zu bedienen, wenn allen bewußt bleibt, dass Worte immer nur eine andeutende Brücke sein können.
Schließlich nimmt auch keiner an, dass er schwimmen kann, nur weil er alles über das Wasser weiß. Wofür es ein passenden Bild gibt, meint Sen Soami. Denken Sie einmal an die Darstellung eines Affen, der in einem Baum hängend versucht, den sich spiegelnden Mond auf der Oberfläche eines Teiches zu ergreifen. Tanyu schmunzelt, hatte er doch gerade letzte Woche für Meister Shodo Maeda vom Zuiho-in in Kyoto solch eine Tuschspur angefertigt.
Ohne Ausnahme wird ein wirkliches Verstehen, und vor allem ein Realisieren der Nicht-Zweiheit nur durch ein Sich-Einlassen-Auf für uns Menschen Früchte tragen, fährt Soami fort. Vergleichbar der uns allen bekannten Tatsache, dass wir von gemalten Speisen nicht satt werden, wie Tokuzen sagen würde. Hieran ändern auch edle Datenberge über Atome nichts oder noch so huldvoll ausgeführte Zeremonien. Folkloristische Events bleiben naturgemäß immer nur, was sie sind: Nett erbauliche Aktionen in einem engen und verstaubten Bergtal voller Illusionen. Platon runzelt die Stirn.
Ozeki: Dieses `Loslassen` ist anders gesagt ein, nur `Sich-Einzulassen-Auf`, und zwar auf uns selbst und unser Tun, jetzt und hier. Üben wir dies, narrt uns das ICH-und-die-Welt-Denken, der oft erwähnte Dualismus, nicht mehr.All die Gaukeleien des Kopfkinos finden ein Ende. Zuerst durch ein Bemerken des Kopfkinos, dann durch ein Akzeptieren, dass wir uns selber immer wieder auf den Leim gehen, dann durch ein Auflösen. Sind mit der Zeit all die Bleigürtel verschwunden, können wir entspannt schwimmen. Das erübrigt logischerweise Gurus und sonstige Heilsverkünder. Warum? Weil wir alle diese Fähigkeit längst in uns tragen und alles haben, was wir benötigen. Wir essen doch selber, gehen selber, denken selber, also können wir auch den nächsten, entscheidenden Abschnitt in unserem Leben ebenfalls selber beschreiten. Nutzt man hierzu z.B. den Atem, und das richtige, aufrechte Sitzen und die im Tee-Machen versteckten Koan gelingt uns ALLES.
4 Kochzutaten
Hier merkte Juko an: Man könnte sich bei allem wie ein „Koch des eigenen Lebens“ sehen. Nutzen wir hierbei einfach als Grundlage die vier bekannten Kernerkenntnisse:
Ursache, Wirkung, unser Bemühen um Klärung und den Weg hin zur Klärung. Und runden wir außerdem alles mit den acht Tugenden ab:
Wahre Einsicht, wahre Gesinnung, -Rede, -Handeln, - Lebenserwerb, -Streben, -Bewusstheit, -Üben.
Hierbei sind Merkmale wie Shibumi, (kühl verdorrt), oder Yugen (Tiefgründigkeit), Wabi (schlicht und ungekünstelt), Sabi (durch Gebrauch gereift) eine weitere Koch-Hilfe. Stets beachtend, dass all diese Hinweise immer nur ein Zeigen auf den Mond sind (Mond steht symbolisch für Überwindung/ Erleuchtung). All diese sind nämlich nur der Finger, der auf ihn weist, nicht mehr.
Bereitet man im Laufe der Jahre den Tee und alles andere frei vom Dualismus zu, so gelingt es einem. Jenseits eines:
1. zu viel, zu laut, zu aufdringlich oder
2. dessen Gegenteil,
3. ohne Kompromiss zwischen diesen Gegensätzen,
4. ohne die häufige Einfach-Drauflos-Methode.
Neben unserem üblichen Herumrennen und Funktionieren gemäß zweifelhafter Normen und Wünsche suchen wir seit Urzeiten, bildlich gesprochen, den „Weg ans Meer“, meint Dogen: Wir scheinen zu ahnen, dass dieses Leben anders sein müßte. Denn oft tun wir etwas, dass wir geraume Zeit später anders hätten machen sollen und können. Da ist ein Unterschied zwischen dem `Eigentlich Müßte Es` und dem zuvor `Erfolgten`. Was jeder kennen dürfte. Im „Ozean des Lebens“ zu schwimmen, ohne Schwimmringe, also Ideologien jedweder Art, ist tatsächlich also die uns allen gemäße Natur.
Daher suchen wir nach Antworten und erhoffen eine Entspannung/Auflösung vom Zwiespalt. Wir wollen Endlich-So-Sein-Können, wie wir tatsächlich sind. Was wir tief in uns ahnen. Wobei sogleich die Frage entsteht: Woher kann man dieses ahnen, wenn man es offenkundig selber noch nicht erreicht hat?
Ozeki: Eine interessante Frage mit innen-wohnender Antwort, die weiterführen wird. Mit einer Antwort, die eine Mischung aus Erstaunt-Sein und Vertraut-Sein bildet. So, als käme man nach langer Reise und vielen langen Umwegen und Sackgassen endlich heim.
Daher wollen wir es,
das `Schwimmen im Ozean des Seins`.
Was wir mit unermüdlicher, täglicher Übung umsetzen können. Dann wird Nichi nichi kore ko nichi (Tag für Tag ein guter Tag), ergänzt Tokuzen. Dann sind Drei Pfund Flachs tatsächlich DIE Antwort auf ALLE Fragen der Menschheit. (Was Platon irritiert. Doch er sagt vorerst aus Höflichkeit nichts.)
Juko: In genau dem Moment schmeckt man es, mitten in der Stille des Alltäglichen, mitten beim Trinken von Tee. An schlichtem Ort, in einer Reedhütte am Saum des Meeres. Der Gastgeber aus Lumbini lächelt.
Als Autor sei hier verkürzt erwähnt, dass hiernach auch die Keramikdose aus der japanischen Region Bizen näher und ausgiebig betrachtet wird. Heutzutage als Behältnis für ein Teepulver höchster Güte verwendet, wurden diese Dosen (ursprünglich chinesischer Herkunft) früher für Pillen und ähnliches auf Reisen am Gürtel getragen. Selbst nachdem Japan deren Funktion veränderte und eigene landesweit herstellte (z.B. in Tanba, Seto, Seisei, Shigaraki, Mino, usw.), behielten diese chinesischen Ocha-ire Dosen ihr Ansehen.
Das Nutzen als Teedose für Koicha in wohldosierter Form gab einem langem Gespräch über Gesundheit Anlaßt. Über Ernährung in heutiger Zeit, über das unsägliche Manipulieren von Speisen bishin zur unsinnig, überflüssigen Genmanipulation aus unverhohlener Gier. Man sprach über die richtige Menge zur rechten Zeit am rechten Ort und ähnliches.In einem Umfang,der eventuell ein eigenes Büchlein (später?) zu füllen vermag.
Hiernach folgt ein Betrachten des dazugehörenden Brokat-Säckchens mit einem seltenen Webmuster in Form von Kranichen, die als Symbol für Ausdauer und Geduld stehen.
Abschließend wird auch der Bambuslöffel aus der Hand von Meister Bassho angeschaut, natürlich ohne an den zuvor getrunkenen Tee oder das Yokan zu denken. Denn Essen ist Essen, Trinken ist Trinken und Anschauen ist Anschauen.
Der Löffelname Akebono von Meister Gengensai (ca. 1867) weist auf eine Morgendämmerung,genauer,auf den Wechsel