Zen ist nichts Spekulatives oder Kompliziertes. Es ist der gewöhnliche Alltag in voller Achtsamkeit und Bewusstheit. Der Teemeister Rikyu wurde einmal gefragt, was denn das Geheimnis des Teeweges sei. Er antwortete: „Wasser holen, Brennholz sammeln, Wasser erhitzen, Tee schlagen und trinken. Das ist alles“. Der Schüler „Das kann ich schon alles!“ Rikyu: „Dann möchte ich dein Schüler werden!“
Was so einfach klingt, ist schwer zu verwirklichen. Bewegungen und Atmung werden eins. Wir beginnen, den Tee zu tanzen, sagt man. Schöpfen wir das Wasser mit der Bambuskelle, so werden Hand und Schöpfkelle Eins. Ich hatte einmal eine Teeschülerin, die an einem Gehirntumor erkrankte. Völlig selbstvergessen saß sie im Teeraum, schöpfte immer wieder Wasser und goss es langsam und achtsam in die Teeschale. Verzückt lauschte sie dem Geräusch, das wie ein klarer Wasserfall im Gebirge klang: „Das ist so schön!“ Der Klang des Wassers in der Teeschale berührte sie im tiefsten Innern.
Das kalte Wasser klingt in der Teeschale wie das frische Wasser eines Bergbaches, das auf Felsen trifft. Warmes Wasser klingt weich und mild. Tauchen wir die Schöpfkelle in das heiße Wasser des Teekessels, bemerken wir, wie die Hitze die Schöpfkelle zurückdrängt. Wir spüren am Gewicht des Wassers in der Kelle, ob wir warmes oder kaltes Wasser geschöpft haben. Durch das achtsame Schöpfen überspringen die Sinne ihre Begrenzung: Wir hören die Temperatur des Wassers und spüren sie am Gewicht. Darin liegt nichts Übernatürliches oder Magisches. Beim Schöpfen von Wasser werden wir eins mit der Natur. Zenmeister Dōgen schrieb einst: „Den Buddhaweg erlernen heißt, sich selbst erlernen. Sich selbst erlernen heißt, sich selbst vergessen.“
Dies meinte Jōshū mit der Frage: „Warst du schon einmal hier?“ Gewiß nicht, ob wir früher einmal an diesem Ort waren. HIER und JETZT. Wenn wir noch nie im Hier und Jetzt angekommen sind, dann, so seinen Empfehlung: Trink Tee.
Was gibt es Schöneres, als an einem kalten Winterabend dem Teekessel im Teeraum zu lauschen, der wie der Wind in den Kiefern singt. Die Dufthölzer im Feuer verbreiten ihren Duft und der Tee erfrischt den Geist. Wir werden immer stiller. Wenn wir dann wieder zurückkehren in den Alltag, scheint es, als wäre die Hast und Hektik verschwunden. Die gelassene Stille des Teeraumes wirkt im Alltag nach. Vielleicht meinte Jōshū diese Rückkehr in den Alltag: „Trink (erst) Tee - und dann geh!“ Geh zurück in den Alltag und bring deine Stille hinaus in die Welt, auf dass sie sich wandele. Wenn wir so zu uns selbst gefunden haben, verwirklichen wir unsere Buddhanatur.
Zenmeister Dōgen meint, dass alle Wesen vom Ursprung her die Buddhanatur haben. Wenn das so ist, warum soll man dann noch üben?
Wir verwirklichen durch Üben unsere Buddhanatur. Jeder Mensch hat die Fähigkeit, zur Quelle zu gehen und Wasser zu schöpfen. Aber er muß es TUN! So geht es auf dem Teeweg nicht darum, eine Fertigkeit zu erlernen, um sie fortan für immer zu besitzen. Wir müssen immer wieder und wieder Tee üben und zur Stille finden. Dann ist Tee-Machen Zen.
Unsere Not dies zu verstehen, ist zugleich aber eine große Chance. Auch im Westen. Und Staunen ist der Anfang des Verstehens. (Japaner fragen leider heute nicht mehr nach der Philosophie des Teeweges oder des Zen. Sie begnügen sich mit o.g. Folklore Ritual.) Westler hingegen fragen und wollen den Teeweg als Zenweg gehen.
Hoffentlich kann dieses Buch eine Brücke schlagen zwischen Ost und West. Hier wird gefragt und gedacht. Und das Fragen entstammt einer langjährigen Praxis. Vielleicht kehrt dann der Teeweg eines Tages verwandelt wieder nach Japan zurück, als ‚Zen-Tee` wie einst seit Juko bis in die Neuzeit.
Man könnte meinen, dass unsere Epoche viel zu gehetzt ist, um sich die Zeit zu nehmen, die Stille des Teeweges zu suchen. Mitten im Alltag. Schaut man auf den Wegmeister Rikyu, so war dieser kein weltabgeschiedener Eremit fern der alltäglichen Welt. Wenn der Shogun abwesend war, übertrug er ihm das Kommando über die Festung Osaka, die damals ein sehr strategischer Punkt in Japan war.
Wie gut wäre es, wenn wir Menschen in wichtigen Positionen hätten, die die Stille und den Frieden suchen, den der Teeweg schenken kann.
Trinken wir gemeinsam eine Schale Tee!
Dann lasst uns in den Alltag zurückkehren!
Abb.: Auf zu neuen Ufern - Sesshu Schule, ca. 1580
1 Tee mit Platon?
Nun, es mag ungewöhnlich sein, mit einem Griechen Tee statt Uzo zu trinken. Doch auf diesem Erdenrund hat mancher gewiß schon Sonderbareres erlebt. Wie eine jüngst zu beobachtende Massen-Hysterie wegen einer Infektion, die, wie auch all die Jahrzehnte zuvor, alle bis auf sehr, sehr wenige gut überstanden haben. Doch der Kopf wollte es diesmal dramatisch, trotz klarer Daten für den Kopf von klugen Köpfen. Panik statt Besonnenheit und Schulbildung? In aufgeklärten Zeiten? Wahrlich sonderbar und höchst erstaunlich. Nur wenige hinterfragten das alles tatsächlich.
Dagegen ist es mittlerweile vollkommen normal, in einem Teeraum japanischer Art ein paar Meister zu treffen und beim Gespräch über das Leben zu belauschen. Selbst wenn Platon und Heisenberg mit Galileo zugegen sind und auch Maria Montessori.
Gedanklich, versteht sich, denn niemand hat deren DNA im Labor benutzt, um Klone herzustellen. Was zudem äußerst hirnrissig wäre und nur kranke Primaten aus Lebensüberdruß hervorwürgen würden. Denn alles auf diesem Globus ist vollkommen und in ausreichendem Maß vorhanden. Nichts muß künstlich produziert werden. Wasser muß nicht noch nasser werden, die Wolken über Kiel nicht noch grauer und Fische müssen nicht noch schneller wachsen.Nur mehr Verstand wäre global ein deutliches Plus. Doch der muß natürlich wachsen, künstlich kann man den nicht züchten. Ob die Schulpflicht hierbei überhaupt hilft, stürzt Pädagogen derzeit in große Zweifel. Was jedoch die Chance in sich birgt, endlich jenseits kopfgemäßer Daten über das Leben wie bisher, jungen Menschen nun zukünftig reale, zeitlose Zugänge hinein ins tatsächliche Leben zu vermitteln.
Lädt man nun zu einer Teerunde der besonderen Art ein, wählt man gewiß Personen, die Interessantes beizusteuern vermögen. Es gäbe für den Autor andernfalls auch nicht viel, worüber er berichten könnte. Wetthüpfen pubertierender Erdlinge mit einem Fußball? Kennt jeder. Massenaufläufe grölender Horden? Haben wir ständig. H2O schreiben können und dafür eine Durchblickernadel - hat auch jeder. Über die geschlechtliche Vermehrung von Sand gibt es bereits viel Literatur. Und die neuen Socken von Prinz Willi dienen nur als rezeptfreies Schlafmittel. Bliebe noch das Wetter? Oder die Politik? …? Auch diese Sommerloch-Themen sind allesamt längst erschöpft.
Daher begegnet uns hier zunächst also Platon, der für seine klaren Worte und klugen Betrachtungen weithin bekannt ist. Selbst außerhalb der griechischen Inselwelt mit ihren edlen Gyrosbuden, schicken Animations Hütten, unter selbst-verständlich ägäis- blauem Himmel. Ohne Wolken, versteht sich. Und stets mit einem Syrtaki unter der Sohle und dem obligaten Balos für Touristen, zum Mitmachen.
Des weiteren wurde ein Herr Dogen* (Lebensdaten der Gäste siehe Anhang) von der Zen-Schule der Soto-Linie eingeladen. Dank viel gutem Grüntee aus dem Land des Lächelns ist dieser betagte Meister immer noch recht rüstig und in aller Munde. Seine zahlreichen Texte wirken zeitlos auch im Land von Bach, Goethe, Kant und Einstein; selbst in Nobelkutschen von Tesla, wie er einmal augenzwinkernd meinte, als man über die auslaufenden Steinzeittechnik von Verbrennungs- motoren sprach und Freie Energie.
Mit ihm kommt - in selbiger Hightech-Sänfte - auch sein Freund Ikkyu von der Lin-Chi (jap. Rinzai) Linie. Meister Ikkyu, eigentlich mag er diese Anrede nicht, war ohnehin zufällig in der Region, wobei er wie sein Kollege Nagaya hierzu bestimmt sagen würde, dass ein Zufall dasjenige ist, was einem zufällt, weil es an der Zeit ist, dass es einem zu-fällt, wie mir sein Schüler P. Zürn einmal verriet.
In solch illustrer Runde darf natürlich Teemeister Juko nicht fehlen, und dessen hochbegabter Kollege Sen Soami (Großvater von Teemeister Sen Rikyu). Der eine verursachte durch Studien bei Dogen und Ikkyu das Vorhandensein des Teewegs und diese Zeilen, der andere motivierte durch seine künstlerischen Fähigkeiten so manchen Zengarten in Heian, das seit langem schon Kyoto heißt. (Und er motivierte