bye bye SPD. Reinhard Vieth. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Reinhard Vieth
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Сделай Сам
Год издания: 0
isbn: 9783347078406
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Damals war die Autorität des Staates überhaupt nicht infrage zu stellen. Und mit diesem Nimbus wucherte der Staat geradezu, denn dem Staatswillen damals zu widersprechen war praktisch Ketzerei. Bürgerlicher Ungehorsam oder gar Demos gegen den Staat das war undenkbar.

      Vor dem Hintergrund, dass wir gerade mal zwanzig Jahre das Hitlerregime, das ja total autoritär war, hinter uns gebracht hatten, war unsere noch junge Demokratie dennoch auch auf den gehorsamen Bürger und den väterlich gestrengen Staat ausgerichtet. Erst Willy Brandt prägte gerade zu dieser Zeit den Ausspruch: „Mehr Demokratie wagen.“ Allein der Satz stieß bei mir auf offene Ohren. Schon durch mein gewerkschaftliches Engagement war ich auch politisch schon ein bisschen eingenordet und Willy Brandt hatte mit seiner politischen Aussage Interesse geweckt.

      Auch wenn ich, wie sollte es in einem Beamtenhaushalt anders sein, staatsgläubig erzogen wurde. Die Frage der Wehrpflichtverweigerung stellte sich nicht sehr ernsthaft, zumal der Ersatzdienst auch nicht gerade sehr zum Ausruhen gedacht war. Als Ersatzdienstleistender wurde man zu Sanitätsdienst oder verschiedenen anderen, eher unangenehmen, Diensten herangezogen. Es ging damals immer um die Frage: Gehst du zum Bund oder willst du Pisspötte schwenken.

      Für mich hatte ich eigentlich immer den Weg des geringsten Aufwandes und des geringsten Widerspruchs gewählt. Weil sich mein soziales Interesse eher in die politische Richtung entwickelte, als im Kontakt mit anderen Menschen, stellte sich die Frage, ob ich Kranken die Bettpfanne unterschiebe sowieso nicht. Es ging für mich darum zur Bundeswehr ja aber wie.

      Also fing ich an mich über die Bundeswehr zu informieren. Da gab es Wanderausstellungen, auf denen für die Bundeswehr geworben wurde und auch so gab es einiges an Informationen. Einige von den Broschüren, in denen die Bundeswehr in ihren besten Farben dargestellt wurde nahm ich mit. Aber das Problem war, wenn man die Broschüren dann gelesen hatte und etwas nachfragen wollte, war niemand da. Wen wollte man auch fragen, die Wanderausstellung war, wie der Name sagt, schon längst woanders wieder auf Wanderschaft. Also hörte man von Kumpels oder von denen, die einen kannten, der einen kennt, der das schon hinter sich hat. Auf diesen Suchpfaden jedenfalls wurde mir erklärt, dass ich bei den Heeresfliegern unwahrscheinlich viel marschieren müsse und sowieso kaum je ein Flugzeug von innen zu sehen bekäme. Außerdem müsste ich einen technischen Beruf haben. So als Ladenschwengel würde ich sowieso bloß Propellerputzer, weil ich zudem so schön lang sei und wunderbar an die Hubschrauberflügel heranreichen würde. Aber die Luftwaffenuniform gefiel mir sowieso besser, also warum nicht zur Luftwaffe? Aber auch da wurde mir gleich gesagt, dass ich, wenn ich fliegen wolle, einen technischen Beruf erlernt haben müsste, ansonsten würde ich auch dort damit rechnen können, als Propellerputzer oder im Nachschub eingesetzt zu werden. Und überhaupt müsse man damit rechnen, dass Truppenteile die in Landkasernen untergebracht sind, immer viel marschieren müssten. Und marschieren war ganz gewiss nicht mein Ding.

      Was blieb, war die Marine, und wollte ich nicht früher schon an Bord? Außerdem hatte die Marine mit Abstand die schickste Uniform. Also meldete ich mich freiwillig zur Marine. Zu der Zeit war die Volljährigkeit noch erst mit einundzwanzig Jahren erreicht, und da ich zum Zeitpunkt der Verpflichtung erst neunzehn Jahre alt war, mussten meine Eltern noch dafür unterschreiben, dass sie nichts gegen meine Verpflichtung bei der Bundeswehr hätten. Mein Vater war nicht sonderlich begeistert, aber er sagte, dass ich meinen Weg selbst finden müsse. So machte ich den Eignungstest damals in der Wiege der Marine, in Wilhelmshaven. Der Test bestand aus einem sportlichen, einem schulischen und einem psychologischen Teil. Man musste also körperliche Fitness genauso unter Beweis stellen, wie, dass man eins und eins zusammenzählen konnte. Und einen deutschen Hauptsatz musste man ebenfalls unfallfrei zu Papier bringen können. Diesen Test bestand ich und war stolz wie Oskar. Mensch ich war in einer Marinekaserne und ich sah Offiziere mit Kolbenringen (die Dienstgradstreifen am Sakko) und Mannschaften, wie sie von einem Unteroffizier geführt wurden.

      Mittags konnten wir Prüflinge in der Kantine essen. Die Kantine diente offenbar auch zur allgemeinen Versorgung der Soldaten, denn dort wurden allerhand Dinge angeboten, die man normalerweise in gut sortierten Lebensmittelläden kaufen an. Darüber hinaus aber auch Dinge, die der Marinesoldat an Bord gebrauchen kann, wie zum Beispiel ein Schiffchen, das ist eine Kopfbedeckung, die man an Bord trägt, um nicht mit der weißen Tellermütze durch die Gegend zu rennen. So ein Teil kaufte ich mir. Wollte ich doch schon mal etwas Maritimes mit nach Hause nehmen. Unterwegs, wieder in der Bahn nach Hause, setzte ich dieses Schiffchen auf, ich wollte der Welt doch zeigen, dass ich ab jetzt schon fast dazu gehöre.

      Lange dauerte es nicht mehr, die Bundesmarine wollte haben, was sich freiwillig anbot und eines schönen Tages kam der Einberufungsbefehl. Ab jetzt gab es Befehle, von jetzt an war ich de jure schon Soldat und hätte mich nur mit ganz triftigen Gründen und nur für eine auf die entschuldbare Situation bezogene Zeit abmelden können. Ich hatte mich am 01. Juni 1966 bis 16: 00 Uhr in Glückstadt, in Schleswig-Holstein, einzufinden. Mit Tränen auf beiden Seiten nahm ich am 01. Juni 1966, am Bahnhof von Hildesheim, Abschied von meinen Eltern, von meiner unbekümmerten Jugend und vom Zivilleben. Irgendwann, die Zeit weiß ich heute nicht mehr, traf mein Zug in Glückstadt ein. Dort auf dem Bahnsteig standen zwei oder drei Unteroffiziere, die den ganzen Bahnsteig zusammenbrüllten. Man sagte später, dass vor lauter Schreck und dem Brüllen gehorchend, auch ein junger Mann mit den Rekruten mitgefahren sei, der gar nicht dazu gehörte. Jedenfalls mussten wir in einen bereit stehenden Bus einsteigen, und einer der Unteroffiziere, die am Bahnhof so rumgebrüllt hatten, stieg mit ein. Als der Bus das Kasernentor passierte und die Schranke sich hinter uns schloss, war das so ein Moment, wo man innerlich abschloss. Dieser Moment wurde noch dadurch gekrönt, dass der begleitende Unteroffizier sagte: „So, meine Herren, damit hat sich für Sie das Zivilleben, das Lotterleben, das Sie geführt haben, erledigt, ab hier ist die Demokratie zu Ende, hier hat nur einer zu sagen und das ist Ihr Vorgesetzter.“

      Vorhin, als ich daran zurückdachte, musste ich innerlich lachen. Abgesehen davon, dass man heute sowieso keinen Respekt mehr vor Uniformen hat, stellte ich mir meinen ältesten Enkel vor, wie der an meiner statt reagiert hätte. Der wäre auf den Schreihals zugegangen und hätte nur ganz deutlich gesagt: „ÄE! Nun mach hier mal nicht den Lauten.“ Allerdings würde heute auch niemand mehr schreien, aber damals, 1966, da hatte man noch vor allen und allem was Uniform trug Respekt. Wie gesagt es war eine andere Zeit und Willy Brandt hatte den Satz, der die innere Demokratie wirklich ins Rollen brachte, noch nicht gesagt – mehr Demokratie wagen. Und auch später, als dieser Satz gesagt war hatte er längst noch keinen Einfluss auf die soldatischen Untertanen.

      Damals war der Zugschaffner eben auch als Uniformträger durchaus ebenfalls noch jemand der mal einen Reisenden, der sich nicht richtig benehmen konnte, zurechtwies. Heute machen Zugschaffner damit von sich reden, dass sie Kinder aus dem Zug weisen, wenn die zufällig ihre Schülerkarte vergessen haben. Die Zeiten ändern sich und wenn nicht einmal mehr ein uniformierter Polizist Beachtung findet, dürfte sich das Thema Uniform über kurz oder lang sowieso erledigt haben.

      Ich war nun also Marinesoldat. Wir Frischlinge, die jungen Rekruten, mussten gleich vor dem Kasernengebäude das erste Mal Antreten. Wir hatten noch keine Uniform, aber wir sollten gleich erfahren, wo der Weg lang geht. Der Kompaniechef, ein junger Oberleutnant, erklärte uns neben dem weiteren Procedere, wie das Leben in der Kaserne läuft, wann wir die Uniform bekommen und so weiter, dass wir erst wieder an Land kommen, wenn wir grüßen können – ja so paradox war der Sprachgebrauch – wir waren ja bei der Marine und alles was umschlossener Raum war, war an Bord, auch wenn es unverrückbar an Land stand. Fenster waren Bulleys, Türen waren Schotten und wenn man die Kaserne verlassen wollte, beantragte man Landgang und vergaß man im Beisein eines Ausbilders mal die maritimen Ausdrücke dann musste man gleich zehn Liegestütze machen. Ja, und wenn man dann Landgang beantragte, wurde erst einmal geschaut, ob die kleine, weiße Fliege, die den Marinehalstuchknoten ziert, auch richtig gebügelt war, ob man ein Taschentuch dabei hatte; ja, manche Ausbilder gingen sogar soweit, die Sauberkeit der Fingernägel zu prüfen. Allerdings muss ich gestehen, dass das bei manchem Zeitgenossen auch nötig war, so bekamen manche Kameraden das erste Mal mit, was eigentlich Körperkultur ist.

      Apropos Körperkultur, morgens, nach dem Wecken ging man erst einmal unter die Dusche oder man machte eine ordentliche Wäsche. Aber es gab durchaus Kameraden, die ungewaschen in ihre Uniform stiegen. Da solche Leute aber