Beschützerin des Hauses (Neuauflage). Marlene Klaus. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Marlene Klaus
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783862827565
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die Schultern. Es konnte durchaus die Wahrheit sein, dass der Königsmann den Lehrer nicht kannte. Und dennoch konnte er auf Zahns Weisung bei ihr sein. Und der Kräuterkauf nur ein Vorwand. Sie rief sich in Erinnerung, was Baumann ihr gestern erzählt hatte, als sie seinen Verband wechselte: Er war in Heidelberg gewesen, um Bücher zu kaufen. Er hatte ihr gegenüber nicht einmal erwähnt, dass er den Umweg über St. Leon gemacht hatte. Solch vertrauliche Dinge besprach er nicht mit ihr und dass sie es wusste, behielt sie für sich. Womöglich hätte er es nicht gut gefunden, zu hören, dass Friedgard sein Geheimnis weitererzählt hatte. Alles, was sie auf ihre Fragen hin von ihm erfahren hatte, war, dass er meinte, überfallen worden zu sein.

      »Ich bin kein Schöffe«, sagte sie achselzuckend.

      Der Königsmann nickte. »Die Untersuchung wird es an den Tag bringen. Zunächst einmal muss der junge Mann genesen, und das scheint er dank Eurer Künste zu tun.«

      Er besah das Allerlei auf dem Tisch, schien unschlüssig. Als sein nachtschwarzer Blick sie wieder traf, war er klar und entschlossen. Er sagte: »Ich wollte Euch noch etwas fragen.«

      Sie wartete.

      »In einigen Tagen ist Walpurgis. Endlich wieder ein Fest. Und Tanz. Würdet Ihr mich begleiten?«

      »Was?« Sie war so überrascht … nein, damit hatte sie nun wahrlich nicht gerechnet. Kein Dorf der Kurpfalz würde es sich nehmen lassen, zum Tanz aufzuspielen, nachdem das Tanzen so viele Jahre verboten gewesen war. Aber selbst daran teilzunehmen, das war ihr nicht in den Sinn gekommen.

      Der Königsmann bemerkte ihre Zurückhaltung. »Wo Ihr wollt. Auch in Reilingen wird auf dem Dorfplatz getanzt. Oder in Speyer.«

      »Speyer?«

      Er nickte. »Ich meine nur, falls Ihr nicht in Hockenheim …«

      Er beendete den Satz nicht, machte eine vage Bewegung gen Westen, wo die Domstadt lag. Aber sie hatte es gehört. Und er wusste, dass sie es gehört hatte. In Hockenheim wurde über sie geredet und sie würde hier nicht unbeschwert vor aller Augen tanzen wollen. Sie hätte ihn anschreien mögen. Dass sie in ihrem trostvollen Wald sein wollte an diesem Tag, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte und seine Rücksichtnahme nicht brauchte.

      »Ich …«, begann sie stattdessen mit kratziger Stimme, räusperte sich und sagte: »Danke für das Angebot. Ich lehne ab.« Kühl klang das. Geradezu eisig. Sie hörte es selbst.

      »Sicher?«, fragte er.

      Sie neigte den Kopf, sah zu Boden.

      »Es würde mir Freude machen und es wäre mir eine Ehre, Euch einen schönen Abend zu bereiten.«

      Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe zu tun.«

      Er nahm ihre Ablehnung gefasst. Eine Frage, eine Antwort, er anerkannte ihre Entscheidung. Doch war sein Bedauern spürbar und er fasste es in den richtigen Ton, als er hinzufügte: »Schade.«

      Barbara, froh, dass er nicht weiter in sie drang, nickte und sah ihn an. Er erwiderte ihren Blick. Sie las aufrichtiges Bedauern darin.

      »Ich danke Euch, dass Ihr mir behilflich wart«, sagte er abschließend. »Nun möchte ich Euch nicht länger aufhalten, Ihr seid im Aufbruch begriffen. Was schulde ich Euch?«

      Sie nannte ihm den Preis. Er zählte die Münzen auf den Tisch, packte seine Habseligkeiten. »Gott zum Gruß, Heilmännin.« Mit diesen Worten setzte er sich den Hut auf und ging.

      9

      Barbara saß neben Katharina auf dem Schaffell, das sie am Rand der Hube auf dem feuchten Untergrund ausgebreitet hatten, und schaute zum grauen Himmel hinauf. Hin und wieder wagte sich ein frühlingshafter Sonnenstrahl zwischen den Wolken hervor. Dann sahen die sandbraunen Schollen um sie herum gleich viel freundlicher aus. Der Saum des Hardtwaldes erstrahlte dann in einem hellgrünen Schimmer, der die Aussicht auf Frühling und Wärme barg.

      Sie seufzte und biss von einem Kanten Brot ab. Sie hatten den ganzen Vormittag die Flur bearbeitet und ausgesät. Jetzt war Mittag vorbei, sie hielten Einkehr und aßen.

      »Na, ’s gibt nichts zu seufzen. Sieh dich um.«

      Eine junge Amsel hüpfte in einer Erdfurche umher. Aufgeworfene Scholle bedeutete nicht nur für die Menschen Nahrung. Barbara biss vom Käse ab, den sie in der anderen Hand hielt. Katharina und sie waren alleine auf ihrem Teilstück der zwölften Hube. Die Bauern Schütz und Geiß hatten in aller Frühe damit angefangen, ihre jeweiligen Hubanteile zu beackern. Eine Stunde lang hatten sie noch gemeinsam gearbeitet, bevor sich die beiden Hübner Richtung Reilingen aufmachten, da sie im Schloss Wersau zur Fron eingeteilt waren. Etwas, das ihr und Katharina für übermorgen bevorstand. Die 150 Morgen Feld und fast ebenso viele Morgen Wiesen, die zu Schloss Wersau gehörten, mussten bestellt werden. Hockenheimer und Reilinger Dörfler leisteten diese Arbeit.

      »Ein Waldschrat bist du geworden«, sagte Katharina mit vollem Mund. Sie schluckte hinunter und ergänzte: »Lebst in deiner eigenen Welt, hast dich von den Leuten abgesondert.«

      Barbara hörte auf zu kauen und drehte der Mutter den Kopf zu. »Was?« Für einen Augenblick sah sie sich selbst, wie sie da hockte, die Backen voll Käse, glotzend, die ausgestreckten Beine übereinander geschlagen, sorgsam darauf bedacht, das Fell nicht mit den erdverklumpten Schuhen zu beschmutzen.

      »Kannst dich net ewig vom Leben abwenden«, sagte Katharina. »Gibt noch was anderes als Kräutersammeln.«

      »Was …«

      »Was was was. Hab gehört wie der Königsmann dich zum Tanz einlud. Geh halt mit.«

      Katharina griff sich den Trinkschlauch, nahm einen großen Schluck Wasser und rülpste. »Täte dir gut.«

      »Mutter, ich …«

      »Ach geh fort, ein bisschen tanzen hat noch keinem geschadet. Könntest mal wieder lachen.« Katharina sah sie an.

      Barbara lachte gekünstelt. »Recht so?«

      Katharina zupfte an ihrem Barthaar: »Wenn ich jünger wär … na, ich tät’s mir net durch die Lappen gehen lassen. Ist doch ’n stattlicher Kerl, der Königsmann.«

      »Ach Mutter, geh! Ich will nicht tanzen.«

      »Hast nur Angst davor, dass sie sich die Mäuler zerreißen. Aber das tun sie eh.«

      Barbara sah hinüber zum Waldsaum. Das Grasland davor war ein Teil von Hockenheims Allmende, Land, auf dessen Nutzung alle ein Anrecht hatten. Dort grasten Kratzwurms Kühe. Sie deutete zu ihnen und dem Kalb hinüber und sagte: »Kratzwurm schert sich mal wieder nicht drum, dass von St. Georg an bis zu Unsrer Lieben Frauen Tag das Grasen auf der Allmende verboten ist.«

      »Sollte man morgen vorm Ortsgericht rügen«, entgegnete Katharina ohne sonderliche Anteilnahme. »Die Geldbuße von einem Pfund Heller scheint er ja zu verkraften.«

      Man sollte es wirklich rügen, dachte Barbara. Kratzwurm tat das nämlich immer wieder, obwohl er schon zweimal hatte Buße zahlen müssen.

      Sei’s drum, sie hatte nicht vor, morgen beim Ortsgericht zu erscheinen, obwohl auch sie dann Strafgeld zahlen musste, wenn Würth es nicht wieder vergaß. Und da Katharina und sie kein Vieh hatten, das auf der Allmende graste – den Ochsen und fünf Geißen hatten sie verkauft, da sie alleine der Arbeit nicht nachkommen konnten – sollte sich Kratzwurm mit seinem widrigen Verhalten zum Teufel scheren.

      »Ich mein’s ernst«, sagte Katharina und Barbara hörte an ihrem Tonfall, dass es ihr nicht gelungen war, ihre Mutter von ihrer Mahnrede abzulenken. Sie sah Katharina an. Diese erwiderte ihren Blick nicht, sie hielt ihn noch immer auf Kratzwurms Kühe gerichtet als erwarte sie von ihnen Zustimmung. »Der Wald hat dir geholfen, am Leben zu bleiben. Doch die Zeit verstreicht, Sorgen mach ich mir um dich. Hast Steine auf deinem Herzen zu einem Haufen aufgetürmt. Mit der Zeit sind sie Geröllbrocken geworden, die immer schwerer auf deinem Gemüt lasten. Empfindest nichts mehr, läufst wie auf geschmierten Rädern.«

      Die Worte stachen ihr ins Herz. Sie holte Luft. Die Sorge ihrer Mutter,