Odenwälder Frauensagen. Miriam und Peter Seisler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Miriam und Peter Seisler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783347066458
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      Vor noch nicht allzu langer Zeit soll sich diese Geschichte ereignet haben. Eine ärmliche, ältere Frau war mit ihrer Tochter im Kastanienwald bei Weinheim unterwegs, um Laub zu sammeln. Beide waren eifrig bei der Arbeit als sie am „unteren Pfad“ in die Nähe der alten Brunnenstube kamen. Die Säcke waren gut gefüllt und die beiden Frauen wollten sie sich, wie es damals üblich war, zum Tragen auf den Kopf setzen. Die Jüngere hob ihren Sack an und wollte ihn auf den Kopf hieven, doch schlagartig hatte sie jegliche Körperkraft verlassen. Gemeinsam mit der Mutter versuchte sie es wieder und wieder, doch auch zusammen wollte es ihnen nicht gelingen. Da standen die beiden völlig ratlos mit den schweren Säcken im Wald. Auf einmal bemerkten sie bei der Brunnenstube eine Gestalt. Wie aus heiterem Himmel saß dort eine Dame. Sie trug ein weißes Gewand mit einem schönen, langen weißen Schleier. Ein helles rauchloses Feuer loderte dicht neben ihr und im Schoß trug sie ein güldenes Körbchen gefüllt mit goldenem und silbernem Geschmeide. Sie deutete den Frauen an näher zu kommen und sagte dreimal leise: „So nehmt es doch“. Doch die beiden waren auf Grund der außergewöhnlichen Erscheinung so in Panik geraten, dass sie, ohne ihre Säcke mitzunehmen, ängstlich davonrannten.

      Am „eisernen Tor“ angekommen, begegneten sie einem Bekannten. Der ging mit den Frauen gleich noch einmal zur Brunnenstube. Doch die Erscheinung war verschwunden.

      Die weiße Frau im Bickenbacher Schloss

      Zur Mittagsstunde, pünktlich um zwölf, kann man in den Ruinen des Bickenbacher Schlosses bei Alsbach eine weiße Dame sehen. Ein kecker junger Bauer traf sie einmal und war der Meinung es handele sich um ein vornehmes Fräulein. Sie sprach ihn an und fragte ihn, ob er nicht sein Glück machen wolle. Ganz neugierig fragte der junge Mann nach, wie das denn ginge. Nun, meinte die weiße Frau, es wäre eigentlich keine große Sache. Er solle in der folgenden Nacht wieder an Ort und Stelle erscheinen, sie wäre dann auch zugegen. Wenn er ihr drei Küsse geben würde, dann wären alle Schätze der Burg die seinen. Doch er dürfe keine Furcht zeigen, wenn sie ihm in einer anderen Gestalt erscheinen und die Schlüssel überbringen würde. Der junge Landmann, mutig wie er war, erschien Punkt Mitternacht an besagtem Platz. Ganz wohl war ihm nicht in seiner Haut, denn eine große Schlange, mit den Schlüsseln zwischen den Zähnen, kroch auf ihn zu. Doch er überwand sich, beugte sich vor und wollte eben die Schlange küssen, als plötzlich ein riesiger, abscheulicher Bär auftauchte. Doch das war nicht das schlimmste. Zu seinem Grausen bemerkte er, dass im Pelz des Tieres Gabeln steckten und auch Messer sein Fell zerschnitten. Der Bär brüllte: „Zerstechen und zerschneiden!“ und setzte zum Angriff auf den Burschen an. Das war nun sogar für dessen Mut zu viel und er rannte fort vom Ort des Schreckens. Er hörte aus der Ferne noch das Wehklagen der Schlange, die jammerte, dass sie jetzt nicht mehr erlöst werden könne und warten müsse, bis die Wiege aus dem Bäumchen gefertigt wäre, in dem ihr Erlöser gewiegt werden wird.

      Der Schatz im Auerbacher Schloss

      Im Auerbacher Schloss soll es einen Schatz geben, der von einer verwunschenen Königstochter gehütet wird. Und so kann sie erlöst und der Schatz gehoben werden:

      Es wird einmal ein Rabe über das Schloss fliegen. Dieser wird eine Nuss im Schnabel tragen, die er über dem Schlosshof fallen lässt. Die Nuss wird zu einem Baum werden und aus diesem Baum wird man eine Wiege zimmern. Nur das erste Kind, das darin liegen wird, kann dann die Königstochter erlösen.

      Eines Tages hatte sich die Prophezeiung erfüllt und das Kind aus der Wiege war ein junger Mann geworden. Er träumte drei Nächte hintereinander den gleichen Traum, er solle zum Schlosshof kommen. So zog er am vierten Tage hinauf auf das Schloss und betrat den Hof. Es tat einen ohrenbetäubenden Knall und eine weiße Dame von bezauberndem Wesen stand vor ihm. Sie sprach zu ihm: „Nur du kannst mich erlösen und alle Schätze des Schlosses sollen dein sein. Doch zeige keine Furcht! Der Schatz wird von einem feurigen Hund bewacht. Den vertreibe mit einer Rute, die neben dem Schatz liegt. Kehre morgen zur gleichen Zeit wieder, doch verliere nicht den Mut, denn ich werde dir in einer anderen Gestalt erscheinen.“

      Am nächsten Tag genau um die Mittagszeit kam der junge Mann zurück. Und es geschah wie am vorherigen Tag, denn wieder knallte es und der junge Mann begann auf das Erscheinen der weißen Dame zu warten. Doch, oh Schreck, was kam da aus dem Gang auf ihn zu, aus dem gestern noch das liebreizende Fräulein erschienen war? Eine große Schlange zischte hervor, die einen Schlüsselbund im Maul trug. Der Bursche fürchtete sich über alle Maßen und rief laut: „Helf Gott!“, worauf mit einem Mal der ganze Spuk vorüber war.

      Die weiße Dame wartet noch immer auf ihre Erlösung und es muss sich alles noch einmal genauso zutragen, wie es zu Beginn der Geschichte geschrieben steht.

      Die weiße Frau vom Maiberg

      Auf dem Maiberg bei Heppenheim soll man früher des Öfteren eine weiße Frau gesehen haben. Manchmal konnten die Anwohner des Nächtens auch nur ein unheimliches Licht dort oben sehen.

      Eines Tages hatte eine Erbacher Bauer geschäftlich in Heppenheim zu tun und es war spät geworden. Er machte sich auf den Rückweg, wollte aber zu dieser Stunde nicht mehr am Friedhof vorbei und ging deshalb über den Maiberg. Als er dann plötzlich die weiße Frau auf sich zukommen sah, fuhr ihm ein entsetzlicher Schrecken durch Mark und Bein. Er nahm seine Füße in die Hände und rannte so gut er konnte den Hang hinab, über Büsche und Hecken, bis er ganz zerschunden unten ankam.

      Die weiße Frau auf der Starkenburg

      Drei junge Burschen gingen einmal zur Starkenburg bei Heppenheim hinauf. Es war Frühling und sie wollten Palmen für den Palmsonntag schneiden. Sie wussten, dass oben im Burggraben schöne Weiden standen. Also gingen sie fröhlich ans Werk. Einer kletterte hinauf und schnitt, die anderen hoben die Äste auf. Plötzlich hörten die zwei Kameraden am Boden ihren Freund von oben schreien, er hätte die weiße Frau gesehen. Schnell schauten sie auf, konnten aber nur noch einen weißen Schemen erkennen. Doch der Bursche auf dem Baum hatte die weiße Frau erblickt und gesehen, wie sie ihm mit einem Schlüsselbund in der Hand zugewinkt hatte. Das alles hatte die jungen Männer doch sehr erschreckt und so rannten sie so schnell sie konnten hinab in die Stadt. Wäre einer von ihnen mutig genug gewesen und wäre zur weißen Frau gegangen, sie hätte ihm erzählt, wo man den Burgschatz hätte finden können.

      Die Wiesenjungfrau

      In der Nähe des Auerbacher Schlosses gab es früher eine schöne, große Wiese. Da hütete ein Knabe die Kühe des Vaters. Wie er da so saß und seine Tiere beobachtete, spürte er, wie ihn plötzlich zwei weiche Hände von hinten sanft an den Wangen berührten. Er zuckte zusammen und drehte sich um. Da stand eine wunderschöne, in hauchdünne Schleier gewandete Jungfrau vor ihm. Sie lächelte ihm beruhigend zu und wollte zu einer Rede ansetzten. Aber das war schon zu viel für den Jungen. Er bekam Angst, machte auf dem Absatz kehrt und lief so schnell er konnte Richtung Heimat. Kurz blieb er noch stehen, um die Jungfrau noch einmal zu erspähen, doch sie war schon verschwunden. Am nächsten Tag kam er mit seinen Kühen wieder und auch am übernächsten. Aber die Erscheinung zeigte sich nicht wieder und so vergaß er sie langsam.

      Als längere Zeit vergangen war, saß er am Waldrand bei der Wiese und etwas raschelte vor ihm. Er blickte hinab und eine kleine, eine blaublühende Blume im Maul tragende, Schlange wand sich vor ihm. Sie sprach zu ihm, er solle doch bitte nicht wieder weglaufen, denn er könne sie erlösen. Dazu müsste er nur die blaue Blume nehmen und damit im Schloss ihre Kammer aufschließen. Dort würde er viele Schätze finden. Doch auch dieses Mal fürchtete sich der Bub so sehr, dass er schnell weglief.

      Von nun an wollte der Junge nicht mehr auf dieser Wiese die Kühe hüten. Doch der Vater war auf seine Hilfe angewiesen und so musste er es trotzdem tun. Und als ob sich seine schlimmsten Ängste bewahrheiten würden, legten sich am anderen Tag abermals die zarten