Odenwälder Frauensagen. Miriam und Peter Seisler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Miriam und Peter Seisler
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Изобразительное искусство, фотография
Год издания: 0
isbn: 9783347066458
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vielleicht den Gral finden könnte. Besonders unser Jüngster liebt die Erzählungen von Siegfried, den Nibelungen, dem Drachenkampf und Hagens Mordtat an einer Odenwälder Quelle.

      Aber auf dem Rückweg fragten wir uns oft: „Und wo sind die Frauen?“ So begann die Suche nach den weiblichen Sagengestalten des Odenwaldes. Und je länger wir suchten, desto zahlreicher tauchten sie auf. Die Wasserweiblein, die in den Quellen hausen, wilde Frauen, die sich ihre Heimstatt zwischen den Felsen gesucht hatten, Nonnen, Heilige und Maria selbst mit ihren Wundern und wundersamen Geschichten. Frauen an deren Schicksal Mord- und Sühnekreuze erinnern, Hexen und ihre Zauberkünste und natürlich die zahlreichen weißen Frauen, die den Menschen an vielen Orten im Odenwald erschienen sind.

      Was steckt hinter den Sagen?

      Oft werden wir gefragt, welche Bedeutung bestimmte Sagenmotive haben, welche Hintergründe oder historische Bezüge es zu den einzelnen Geschichten gibt oder welche besonderen Orte mit ihnen in Verbindung stehen. Deshalb haben wir jedem Kapitel mit einer Gruppe von Sagen eine kurze Einleitung vorangestellt, die einen kleinen Einblick in die mythologischen oder historischen Wurzeln der Erzählungen geben soll.

      Leider fehlt uns in der heutigen Zeit oft die Gelegenheit die alten Sagen und Mythen mündlich weiterzugeben. Dieses Büchlein soll dazu beitragen, die vielleicht jahrhundertealten Geschichten vor dem Vergessen zu bewahren. Viele Sagen ähneln einander, doch jede einzelne ist so besonders wie der Ort, an dem sie sich zutrug.

      Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen,

      Miriam und Peter Seisler

      Von

      weißen Frauen,

      edlen Fräulein

      und

      Schatzhüterinnen

      Überall im Odenwald tauchen an den unterschiedlichsten Orten weiße Frauen auf, manchmal als hilfreiche Geister, oft als Hüterinnen von gewaltigen Schätzen oder auch als Todesbotinnen. Handeln all diese Sagen lediglich von weiblichen Gespenstern, welche Kinder davon abhalten sollten, in der Dunkelheit das Haus zu verlassen?

      Nein, die Sagengestalt der weißen Frau ist tief in unserer Kultur verwurzelt und ihre Geschichte führt uns weit in die Vergangenheit.

      Vor langer Zeit gab es die eine große Muttergöttin. Jahrtausende lang wurde sie einzeln oder in Form von unzähligen weiblichen Gottheiten auf der ganzen Welt verehrt. Sie erschien als jungfräuliche Göttin, Muttergöttin oder die weise Alte, die Todesgöttin. Ihr waren die Farben Weiß, Rot und Schwarz zugeordnet.

      Die Orte ihres Kultes lagen in der für unsere Vorfahren heiligen Landschaft. Oft sind es Quellen, Berge, Felsen oder Höhlen gewesen, an denen sich die Menschen ihr besonders nahe fühlten und sich an sie wandten. Vielleicht sind die vielen weißen Frauen unserer Sagen die guten Geister und Hüterinnen vorchristlicher Kultorte. So ist es auch nicht verwunderlich, dass wir sie nicht nur an Quellen und Bächen, sondern auch bei Burgen und Klöstern finden, die oft auf dem Boden älteren vorchristlichen Heiligtümer erbaut wurden.

      Die Verehrung der Muttergöttin in ihrer dreifachen Erscheinung gab es nachweislich im Odenwald. Auch hier war der keltischrömischgermanische Matronenkult weit verbreitet. In der Kirche von Mümling-Grumbach ist zum Beispiel noch heute ein entsprechendes Relief erhalten. Einen Hinweis auf eine weiße Göttin gibt auch der im nahen Osterburken gefundene römische Gedenkstein für die Dea Candida Regina, die weiße göttliche Königin.

      Die Erinnerung an die dreifache Göttin und ihre Erscheinungsformen als gütige, hilfreiche Jungfrau, als fruchtbare Segen und Reichtum spendende Mutter und als Göttin des Totenreiches, welche die Seelen ins Jenseits geleitet, findet ihren Widerhall im Sagenkreis der weißen Frau. Dieser hat sich im Lauf der Jahrhunderte gewandelt. In den älteren Mythen sind diese weiblichen Sagengestalten noch gütig, hilfreich und schön und tragen göttliche Züge. In den jüngeren, schon christlich geprägten Überlieferungen werden die Erscheinungen dann oft als bösartig dargestellt und müssen für schreckliche Taten bestraft oder erlöst werden.

      Das Burgfräulein von Windeck

      Während einer Jagd verfolgte ein Ritter einenstattlichen Hirsch in den Wäldern rund umWeinheim. In der Nähe der Burg Windeck verschwand das edle Tier plötzlich. Müde erreichte der Edelmann die Burg und wollte sich am Tor eine kurze Rast gönnen. Er war sehr durstig und sprach vor sich hin, wie schön es wäre, wenn er jetzt einen kühlen Becher Wein aus dem Keller der Burg hätte. Wie aus dem Nichts trat eine weißgekleidete Jungfrau zu ihm und überreichte ihm ein Trinkhorn voll mit köstlichem Wein. Doch im selben Moment, in dem er ausgetrunken hatte, verschwand sie wieder.

      Die Begegnung mit dieser außergewöhnlichen Frau ließ ihn nicht mehr los. Sehnsuchtsvoll suchte er regelmäßig die Burg auf, um das edle Fräulein wieder zu sehen. Und endlich, an einem schönen Tag, sah er sie wirklich noch einmal. Aber sie blickte ihn sehr traurig an, während der Ritter sein Glück nicht fassen konnte. Er breitete die Arme aus, um sie freudig zu begrüßen. Doch was geschah dann? Sein Körper wollte ihm nicht mehr gehorchen, er war wie gelähmt. Das Fräulein beugte sich zu ihm und küsste ihn, so dass er kaum bemerkte, wie er sein Leben aushauchte.

      Die trauernde Jungfrau

      Einst lebte ein Rittersmann mit seiner Frau auf der BurgWindeck. Doch bei der Geburt der gemeinsamenTochter verstarb die Ärmste und so blieb der Ritter mit dem Neugeborenen zurück. Er gab das Kind zu einer Amme in einen benachbarten Ort. Diese hatte kurz zuvor ein Söhnchen entbunden. Die Kinder zusammen wuchsen auf und aus dem Mädchen wurde eine schöne junge Frau. So etwas sprach sich herum und viele Edelmänner wollten sie zur Ehefrau haben. Doch das Ritterfräulein hatte ihr Herz längst an den Freund aus Kindertagen verloren und war in den Sohn der Amme verliebt. Der Burgherr war davon alles andere als begeistert. Eines Tages wies sie wieder einmal einen besonders reichen Freier ab. Vor Zorn wollte der Windecker seine Tochter zur Rede stellen, suchte sie überall und hörte schließlich Stimmen aus dem Burggarten. Dort traf sich seine Tochter gerade mit dem Sohn der Amme. Der junge Mann flehte das Ritterfräulein an, von ihm zu lassen. Deshalb wolle er sich freiwillig zu einem Krieg in fernen Landen melden. Das Burgfräulein war außer sich wegen dieser Aussage und meinte, dass dies ihr Tod wäre. Der Vater, der hinter einer Hecke gelauscht hatte, hatte nun genug gehört. Er zückte seinen Dolch, sprang hervor und stieß ihn dem jungen Recken direkt ins Herz. Das Fräulein verlor nun jeglichen Lebensmut und schwand vor lauter Liebeskummer dahin, bis sie kurze Zeit später starb. Bis heute soll man sie in einigen Nächten den Pfad von der Burg herabkommen sehen. Sie geht in Richtung des Weilers, wo die Amme einst mit dem Sohn lebte, um diese zu trösten und ihre Schuld an dessen Tod zu sühnen.

      Die weiße Frau in der Säugasse

      In der Säugasse in Weinheim gab es einst eine weiße Frau. Sie soll am untersten Haus erschienen sein, von da aus schwebte sie dann bis zur Mitte der Gasse und verschwand. Besonders zur Weihnachtszeit konnte man die Erscheinung jede Nacht sehen. Die Bewohner versuchten deshalb die Gasse nach Einbruch der Dunkelheit, wenn irgendwie möglich, zu umgehen. Ob sie heute noch dort spukt, kann niemand sagen.

      Die weiße Frau vom Grundelbach

      Einst führte nur ein kleiner Fußweg am Grundelbach vorbei. Den ging ein Mann entlang, der auf dem Weg nach Weinheim war. Dort sah er eine Jungfrau mit langem, schwarzem Haar, ganz in weiß gekleidet auf einem großen Stein mitten im Bach sitzen. Sie lockte ihn mit ihrer Hand und wollte, dass er zu ihr in den Bach steige. Der Mann blieb wie gebannt stehen und machte sogar einige Schritte auf das zauberhafte