1.3 Die Planung der eigenen Nachfolge
Die Planungsphase ist für den Unternehmer und den Erfolg seiner Nachfolgeregelung von ganz zentraler Bedeutung, weil bereits hier frühzeitig grundlegende Erkenntnisse und Voraussetzungen erarbeitet werden, auf deren Basis später wesentliche verkaufsrelevante Entscheidungen getroffen werden müssen. In Kapitel 3. „Die Geschäftsübergabe – ein Phasenmodell mit System“ bekommt der Leser einen Überblick über alle Phasen, die in einem derartigen Projekt durchlaufen werden und durch welche Frage- bzw. Problemstellungen, aber auch Zielsetzungen und Herausforderungen diese Phasen dann jeweils geprägt sind. So helfen Ihnen als Unternehmer und angehender Verkäufer die Antworten auf die Fragen im Kapitel 6. „10 Fragen zur Planung der eigenen Nachfolge“, die Sie als Einstieg in den Gesamtprozess beantworten sollten.
Auf die Notwendigkeit zur selbstreflektierten Offenheit und Ehrlichkeit bei der Beantwortung der Fragen muss hier wohl nicht explizit hingewiesen werden.
Es ist besonders wichtig, dass der gesamte Nachfolgeprozess grundsätzlich immer in derartiger Weise geplant wird, dass der Ausstieg des Inhabers aus dem operativen Geschäft nach dem erfolgten Verkauf zum bestimmten Tag X gegeben ist. Immer häufiger habe ich es in jüngster Vergangenheit beobachtet, dass sich bereits während der Vertragsverhandlungen auf die operative Funktion des Verkäufers verlassen und nach erfolgtem Verkauf mit eingeplant wird. Das kann unter Umständen mittel- bis langfristig zu enormen Schwierigkeiten führen. Wenn der Verkäufer gleichzeitig Inhaber und Geschäftsführer in einer Person ist, dann sollte der Verkäufer den Betrieb – abhängig von der Gesamtkonstellation – nach einer intensiven Übergabe- und Einarbeitungsphase von drei bis maximal sechs Monaten mit abnehmendem Arbeitspensum verlassen haben. Auch wenn es noch so schwerfällt. Wenn kein Nachfolger geplant würde, dann sitzt der Verkäufer hier im operativen Bereich unter Umständen genauso fest, wie vorher.
Sollten sich Verkäufer und Käufer an dem besagten Tag X noch immer sehr gut verstehen und haben beide Parteien mittlerweile vielleicht bestimmte Vorstellungen darüber, wie die weitere Zukunft für einen bestimmten Zeithorizont gemeinsam zu gestalten ist, dann einigt man sich auf eine – am besten sehr flexible Form – der Zusammenarbeit. Für den Fall, dass der ehemalige Unternehmer zukünftig als Angestellter im dann ehemals eigenen Betrieb arbeiten kann und dazu auch gewisse operative Aufgabenbereiche übernimmt, die nicht zur Geschäftsübergabe gehören, sollte eine bestimmte „Probezeit“ vorgesehen werden.
Das liest sich hier gerade vielleicht etwas einfach und selbstverständlich, wird in der Praxis aber immer wieder nicht ausreichend konsequent genug umgesetzt. Das hat in der Vergangenheit teilweise schon zu fatalen Konsequenzen geführt, die ich miterleben musste. Die Gründe dafür sind vielfältig. Oft ist es der Käufer, der denkt, nach dem Vollzug der Transaktion nicht ohne den Verkäufer auskommen zu können. Daher wird nichts unternommen, den operativ tätigen Verkäufer systematisch aus dem Geschäft zu nehmen. Das stößt unter Umständen auf das Wohlwollen des Verkäufers, da ihm das „Loslassen“ des Tagesgeschäftes schwerfällt. In solchen Situationen wurde ich schon unfreiwillig Zuschauer von diversen Streitfällen, die dann nachträglich einen sehr negativen Einfluss auf den gesamten Unternehmenserfolg bewirkten.
In einem konkreten Fall habe ich es sogar erlebt, dass der Verkauf rückabgewickelt werden musste und der Verkäufer seinen Betrieb letzten Endes wieder zurückgenommen hat. Die Suche nach einem operativen Nachfolger war nach zwei Jahren immer noch nicht von Erfolg gekrönt und es kam somit letztendlich zu erheblichen Streitigkeiten zwischen alter und neuer Eigentümerschaft. Im Falle des Erwerbs einer Unternehmung durch einen Finanzinvestor ist es nicht damit getan, zunächst die Transaktion abzuwickeln und dann die Suche des operativen Nachfolgers mit Jobanzeigen zu starten. Der Verkauf sollte erst dann vollzogen werden, wenn der Nachfolgeprozess mit den dafür vorgesehen Personen im operativen Bereich auch ganz konkret umgesetzt werden kann.
Vor Jahren begleitete ich ein Unternehmen aus dem Bereich Maschinenbau, in dem der Eigentümer eine sehr zentrale Stellung innehatte, obwohl die Unternehmung CHF 20 Mio. Umsatz erwirtschaftete und rund 90 Mitarbeiter beschäftigte. Der Betrieb hatte eine führende internationale Marktstellung und ich hatte eine ganze Menge an Finanzinvestoren, die am Kauf interessiert waren. Aber nur wenige konnten frühzeitig die Personen benennen und den organisatorischen Ablauf aufzeigen, die den Eigentümer zukünftig ersetzen konnten. In der konkreten Lösung, die wir gemeinsam umsetzten, wurde die eine Person des Eigentümers letztendlich mit 300 Stellenprozent ersetzt, der Prozess dauerte insgesamt etwas mehr als 12 Monate. Nach dem Verkauf entstanden Lücken in der Entwicklung der technologischen Innovationen und der internationalen Betreuung der Kunden. In diesen Fällen muss vor einem Verkauf die neue Ablauforganisation sehr detailliert geplant und dann umgesetzt werden, wenn die Transaktion vollzogen ist.
Wenn die Funktionen Geschäftsführung und Eigentümerschaft im zum Verkauf stehenden Unternehmen durch unterschiedliche Personen besetzt sind, d. h. es gibt einen angestellten Geschäftsführer, der den Betrieb auch nach dem Verkauf, unabhängig von der Eigentümerschaft weiterführt, dann stellt sich diese Frage in der Regel nicht. In diesen Fällen wäre dann aber unbedingt zu prüfen, inwieweit und in welcher Art und Weise der alte Inhaber in der Vergangenheit Einfluss auf die Geschäftsführung genommen hat. Es ist auch dann sehr wichtig, dass eine bislang erfolgreiche Geschäftsführung nach einem erfolgten Verkauf nicht unbedingt mehr in ihren Entscheidungskompetenzen eingeschränkt werden sollte, als vorher und die Führungskultur somit keinen Schaden nehmen kann. Und umgekehrt müssen Entscheidungen genauso mitgetroffen und kontrolliert werden, wie es vor dem Verkauf der Fall war. Hier müssen ein Käufer und ein neuer Eigentümer entsprechendes Fingerspitzengefühl entwickeln, um zukünftig weiterhin vom Erfolg profitieren zu können.
Nach dem erfolgten Verkauf sollte sich der ehemalige Inhaber ausschließlich mit Arbeiten und Aktivtäten befassen, die in einem direkten Zusammenhang mit der Geschäftsübergabe stehen und somit die operativen Tätigkeiten des Alltagsgeschäfts sukzessive zurückfahren und delegieren. Aus diesem Grund müssen Tätigkeiten, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten des Altinhabers sorgfältig dokumentiert und dann Schritt für Schritt auf den neuen Geschäftsführer oder auch bestehende Mitarbeiter übertragen werden. Manchmal ist es möglich, dass durch eine derartige Reorganisation positive Effekte erzeugt werden, weil somit alte eingefahrene Prozesse aufgedeckt und effizienter gestaltet werden konnten. Oftmals führt eine zentrale Stellung des Eigentümers mit der Zeit zu einer Komplexität höheren Grades, die früher im «Ur-Zustand» niemandem aufgefallen ist, aber einen negativen wirtschaftlichen Effekt erzeugte, sei es in der Kundenbetreuung, der Produktentwicklung, Mitarbeiterführung o. ä.
Wie wir bereits oben feststellten, sollte – wenn der Verkäufer operativ im Unternehmen tätig ist – die Position des Verkäufers komplett, an einem Tag X an eine neue Person übergeben werden, der dann auch für diese Anstellung entlohnt wird. Das Entgelt an den Verkäufer für eine klassische, zeitlich überschaubare Übergabezeit, sollte mit dem Verkaufspreis abgegolten sein und bereits bei den Vertragsverhandlungen berücksichtigt werden.
Wenn der Verkäufer nach dem Verkauf einfach in seiner ursprünglichen Situation weiterarbeitet, um die Aufgaben seines Tagesgeschäfts (gratis) weiter zu erledigen, dann entsteht ein faktisches Arbeitsverhältnis. Durch eine solche Situation könnten dann die Sozialversicherungen und Steuerbehörden auf den Plan gerufen werden. Diese Situation erlebte ich in der Vergangenheit häufiger. Die jeweilige Ursache für die Entstehung dieser Situationen war vor allem, dass sich der Verkäufer aus emotionalen Gründen nicht trennen konnte und der Käufer sich diese Situation zunutze machen wollte und gern akzeptierte. Die Folge war fast immer, eine sich stetig anwachsende gefühlsmäßige Anspannung, die sich erst dann wieder völlig lösen konnte, als der alte Besitzer des Unternehmens sich definitiv aus dem Betrieb verabschiedete.
1.4 Und immer wieder: Beratung
Da persönliche Meinungen und Einstellungen naturgemäß aus einer subjektiven Sichtweise heraus entstehen, ist es äußerst wichtig mindestens eine externe Meinung, für die Vorbereitung der eigenen Nachfolge einzuholen, um aus einer objektiven Perspektive heraus, in emotionaler Hinsicht neutrale Entscheidungen für eine zielorientierte Planung und Umsetzung