»Trotzdem wirst du nicht Clay, sondern mir gehören«, knirschte er wie von Sinnen.
Da erwischte sie seinen im Gras liegenden Colt. Clinton erstarrte, als sie ihm die Mündung vors Gesicht hielt. Das halbirre Feuer in seinen Augen erlosch. Noch pfiff der Atem zwischen seinen Lippen. Er erkannte die Entschlossenheit in ihrem Blick. Noch härter jedoch traf ihn der Ekel, der sich deutlich auf ihrer Miene abmalte.
Er ließ sie los, richtete sich auf, belauerte sie aber noch immer. Gerade sein Begreifen, dass er sie nun nie mehr für sich gewinnen konnte, höchstens durch Gewalt, machte ihn gefährlich. Das Knattern der Schüsse in dem weit hinter ihnen liegenden Tal lag wieder in seinen Ohren.
»Na schön, reite zu ihm!«, höhnte der Revolvermann wild. »Vielleicht kommst du gerade noch zurecht, um zuzusehen, wie die Cheyennes ihn skalpieren. Weißt du auch, was dir bevorsteht, wenn die Rothäute dich erwischen?«
Joanas Gesicht glich einer Kreidemaske.
»Ich muss verrückt gewesen sein, als ich einmal glaubte, ich könnte mit dir glücklich werden, Rhett.«
Clinton lachte schrill.
»Viel verrückter ist es, wenn du nicht begreifst, dass ...«
Er sprang so blitzschnell auf sie zu, dass sie nicht mehr reagieren konnte. Sein Schlag prellte ihr die Waffe aus der Hand. Sein Anprall schleuderte sie abermals nieder. Diesmal ließ er sich nicht von seiner Gier und Wut hinreißen. Rasch hob er seinen Colt auf. Als Nächstes steckte er die Winchester in den Scabbard am Sattel des Braunen zurück. Dann erst fuhr er herum. Er stand einen Moment wie versteinert. Joana hatte Bancrofts schwarzen Holzkoffer gepackt und in die Flammen geworfen.
»Nein!« Rhett Clintons Schrei klang, als wäre er von einer Kugel getroffen worden. Er stürzte an der Frau vorbei zum Feuer.
Flink wie ein Reh sprang Joana auf, lief zu dem Pferd und schwang sich in den Sattel. Clinton hatte den angesengten Koffer ins Gras geschleudert. Keuchend, Panik in den Augen, riss er sich die Jacke herab und erstickte mit ihr die letzten züngelnden Flammen. Dann erst hörte er den Hufschlag. Joana stob im Galopp davon.
Eisiges Erschrecken durchfuhr Clay, als Scobey plötzlich schlaff gegen ihn sank. Dann sah er, dass der Zeitungsmann die Besinnung verloren hatte. Seine rechte Hüfte war blutig. Clay blieb jedoch keine Zeit, nach der Verletzung zu sehen. Drüben am Waldrand sprangen mehrere Indianer zwischen den Bäumen hervor. Ihre Bogensehnen schwappten. Sie rannten auf die von Clay niedergeschossenen Mustangs zu. Gleichzeitig wurde Clay auch von links beschossen. Verzweiflung packte ihn. Sein Karabiner knallte. Steinsplitter und zerfetztes Moos umwirbelten ihn. Bevor er richtig zielen konnte, lagen die Cheyennes hinter den Pferdekadavern auf der Erde und legten neue Pfeile auf.
Kehlige Rufe flogen von Talhang zu Talhang. Clay lud sein Repetiergewehr nach. Der Streifschuss an seinem Oberschenkel schmerzte. Aber es war nur ein Kratzer, der jetzt keine Bedeutung für ihn besaß. Schlimmer war, dass Scobey noch immer Blut verlor.
Clay feuerte auf die schattenhafte Bewegung zwischen den Tannen. Wenn die Indianer so weit vordrangen, dass sie seine ohnehin karge Deckung einsehen konnten, war alles aus. Hohngeschrei gellte zu ihm. Sie wussten jetzt, dass nur mehr er als Gegner übrig war. Nun ließen sie sich Zeit. Keiner wollte mehr sein Leben für einen Skalp riskieren, der ihnen sowieso sicher war.
Clay zog Scobey die Jacke aus. Eine Kugel hatte eine tiefe Fleischwunde gerissen und Scobeys Hüftknochen gestreift. Clay presste sein zusammengeknäultes Halstuch darauf und schlang einen Verband aus Streifen von seinem Hemd darüber. Scobey bewegte sich stöhnend. Seine Lider zuckten.
Dann musste Clay wieder zum Karabiner greifen. Die Krieger hinter den toten Pferden schnellten hoch, jagten ihre Pfeile von den Sehnen und warfen sich sofort wieder nieder. Brandpfeile! Die Schäfte waren mit Harz bestrichen, mit Stofffetzen, Grasbüscheln und irgendwelchen Kräutern umwickelt. Das Ganze qualmte mehr, als dass es richtig brannte.
Zuerst grinste Clay nur wütend darüber, dass sie es auf diese verrückte Tour versuchten. Als aber die nächsten Pfeile heranschwirrten, wieder nicht gegen den Felsen prallten, sondern gezielt in der Erde daneben steckenblieben, begriff er. Immer mehr stinkender Rauch quoll empor und verschleierte ihm die Sicht. Genau darauf kam es den Cheyennes an.
Panik erfasste den Weißen. Die Schwaden trieben auf ihn zu, bissen in seinen Augen. Er schoss wild drauflos. Wieder zischten Geschosse heran, die einen Schweif aus Funken und Rauch hinter sich herzogen. Diesmal klatschten sie links von ihm in die Erde. Der Qualm verdichtete sich zu einer grauen Wolke. Sie nahm ihm nicht nur die Sicht, sondern auch die Atemluft.
Clay nahm sich gerade noch die Zeit, erneut das Gewehr nachzuladen. Dann zerrte er Scobey hoch.
»Wir müssen zur Kutsche, Partner!«, schrie er ihm zu.
Aber Scobey war zu erledigt, dass er begriff, was vorging. Clay wusste, die Cheyennes warteten nur darauf, dass er aus dem Qualm hervorkam. Wahrscheinlich war es sein und Scobeys Tod. Aber ihm blieb keine Wahl. Es war auch besser, als ihnen lebend in die Hände zu fallen. Er umklammerte Scobey mit dem linken Arm. In der Rechten hielt er den Remingtonkarabiner.
Die Schüsse waren verstummt. Plötzlich schrillte durchdringendes Geheul durch das Tal. Einen Moment befürchtete Clay, der letzte Angriff der Cheyennes hätte begonnen. Da hörte er das rasende Wirbeln von Hufen. Es kam aus der entgegengesetzten Richtung auf die Postkutsche zu. Dann knallten wieder die Gewehre. Der Fetzen einer verzweifelten, hellen Stimme durchbrach den Lärm. Eine Stimme, die seinen Namen schrie.
Joana!
Clay stolperte mit Scobey aus dem Rauch heraus. Seine Augen brannten, er rang nach frischer Luft. Von den Talhängen blitzten Mündungsfeuer. Bronzehäutige Gestalten tauchten dort hinter Felsen und Baumstämmen auf.
Doch Clay sah nur die fTau. Ihr dunkelblondes Haar flatterte, als sie sich vom Pferderücken auf den Kutschbock schwang. Sie hielt die Winchester 66, sein Gewehr.
»Clay, um Himmels willen, schnell! Ich geb dir Feuerschutz!«, schrie sie. Die Waffe flammte über dem Kutschendach. Der Lauf schwang hin und her.
Aufgeregt zerrten die Kutschenpferde an den Seilen. Clay lief mit Scobey auf das Fahrzeug zu, während ringsum die Hölle aufzubrechen schien. Scobeys Füße schleiften über den Boden. Mit verzweifelt hingeschmetterten Schüssen trieb Joana die aus dem Wald hervorbrechenden Indianer zurück. Nun war es ein Nachteil der roten Krieger, dass sie ihre Pferde am Taleingang zurückgelassen hatten. Außerdem behinderte der Qualm, der Clay zum Verhängnis hatte werden sollen, nun auch ihre Sicht. Clays Herz schlug zum Zerspringen, als er die Stagecoach erreichte. Der Wagenschlag stand offen. Nicht weit davon lagen Bancroft und Mclntosh. Doch Clay hatte jetzt keinen Blick für sie.
Joana war zurückgekommen! Sie setzte ihr Leben aufs Spiel, um ihn zu retten!
Keuchend zerrte er den halb bewusstlosen Zeitungsmann in die Kutsche. Joanas Winchester schwieg - leergeschossen. Joana besaß keine weitere Munition.
Atemlos packte sie die Zügel, rastete gleichzeitig den Bremshebel aus. Nur fort hier! Das Geschrei und die Schüsse von den Talhängen erfüllten sie mit Panik.
In dem Moment, als die Räder nicht mehr blockiert wurden, rannten die Pferde mit einer Heftigkeit los, die Joana fast vom Bock schleuderte. In der Kutsche fiel Clay halb über Scobey, den er auf die lederne Rückbank gebettet hatte. Joana schrie. Die Zügel entglitten ihr.
Zwei Sekunden lang schoss die Kutsche auf nur zwei Rädern dahin.
Entsetzt klammerte Joana sich an der Seitenlehne des Fahrersitzes fest. Die Zügel schleiften unter der Deichsel auf dem Boden.
Stampede!, durchglühte es Clay, als er die Felsen und Bäume wie Schatten vorbeiwischen sah. Die Pferde rasten wie auf der Flucht vor einem Präriebrand dahin. Sie rissen die Concord-Kutsche wie eine Pappattrappe hinter sich her.
»Clay!«, schrie Joana gellend. Sie wagte nicht, die Seitenlehne loszulassen. Ihre Augen waren schreckgeweitet. Wenn nur ein Rad jetzt gegen ein Hindernis