»Komm' mir nicht nach, Clay!«, warnte er gepresst. »Es wäre dein Tod. Vergiss, was war! Aber vergiss nicht, dass Joana sich für mich entschieden hat!«
»Nicht freiwillig!«, knirschte Clay.
»Das ist nicht wahr, Clay!«, rief die Frau. Aber das Zittern in ihrer Stimme verriet sie. »Ich habe eingesehen, dass Rhett und ich zusammengehören. Deshalb bin ich auch damals mit ihm aus Illinois fortgezogen, als ...«
»Du brauchst dich nicht vor ihm zu rechtfertigen«, unterbrach Clinton sie hart. Er hob den Geldkoffer auf und befestigte ihn am Sattel. Clays Blick blieb am bleichen Gesicht der Frau festgebrannt. Die Verzweiflung in ihren Augen schnitt ihm ins Herz. Er ballte die Fäuste, als Clinton sich in den Sattel schwang und Joana zu sich hinaufzog.
»Sieh zu, Clay, dass wir uns nie wieder begegnen!«, wiederholte Clinton seine Warnung. Er wendete das Tier und ritt rasch davon.
10
Ein Laut wie ein Ächzen entrang sich Pat Scobeys Kehle. Clay lief zu Mclntosh, zog das Messer aus seinem rechten Stiefelschaft und zerschnitt seine und Scobeys Fesseln. Der Hufschlag war schon verklungen. Der drahtige Zeitungsmann massierte seine Handgelenke.
»Welche Chance haben wir, Lorman?«
»Keine, wenn wir die Kutsche nicht schleunigst wieder flott kriegen!« Das Kratzen in Clays Stimme alarmierte Scobey.
Clay stand wie versteinert da, den Blick starr zum Taleingang gerichtet. Genauso versteinert wirkte der Reiter, der dort zwischen den gestrüppumrankten Felsschultern aufgetaucht war. Ein Indianer. Eine sehnige, in fransenverziertes Leder gekleidete Gestalt. Eine Feder steckte schräg über seinem linken Ohr.
Scobey sauste zum Kutschenschlag und riss ein Gewehr heraus. Da war der Cheyenne so lautlos verschwunden wie er gekommen war. Scobey rieb sich die Augen.
»Ich fang doch wohl nicht schon an, überzuschnappen!«
»Lassen Sie sich ruhig Zeit damit, bis der Kerl mit seinen Freunden zurückkommt«, murmelte Clay rau. »Immerhin heißt es, dass die Roten sich an keinem Irren vergreifen.«
Scobey grinste angestrengt.
»Dann haben wir ja beide noch eine Chance, Lorman.«
Entschlossen lud er das Gewehr durch. Dann fiel ihm etwas anderes ein. Clay runzelte schon die Stirn, als Scobey sein Notizbuch hervorholte. Scobey riss die bereits beschriebenen Blätter heraus. Dazu lachte er hart. Aber Clay hörte auch die Verzweiflung aus diesem Lachen heraus.
»Eine Heldengeschichte ohne Happy End taugt ja doch nicht, und tote Helden sind schon gar nicht gefragt. Tut mir leid, Lorman, dass es nun doch nichts mit einer Fortsetzung über den ,Sieger vom Moberty Creek‘ wird! He, Lorman, was suchen Sie denn?«
Clay kniete wieder bei dem toten Büffeljäger und wühlte in seinen Taschen.
»Mir ist da eine Idee gekommen«, keuchte er. Im nächsten Moment sprang er schon auf und hielt den angeblich verlorenen Splint hoch. »Mclntosh' wütendes Getue kam mir gleich nicht ganz lupenrein vor!«
Verblüfft riss Scobey die Augen auf.
»Mclntosh muss den Splint schon beim Aufbruch von der Kette gerissen und in der Nabe gelockert haben«, erklärte Clay hastig. »Während der ganzen Fahrt hat er darauf gewartet, dass er endlich ’rausfällt. Danach ließ er den Splint in seiner Tasche verschwinden. Damit ihn ja niemand fand. Denn Mclntosh wollte diese Rast. Seine Wut und Besorgnis waren nur Theater. Aber dann kam auch Bancroft auf die Idee, die Mclntosh getrieben hat. Er wollte auf meinem Pferd mit dem Geld verschwinden. Ich bin sicher, dass auch Rhett von Anfang an nichts anderes vorhatte. Scobey, wenn wir das Rad hinaufbringen, haben wir eine echte Chance!«
»Leicht gesagt! Dieser Kasten ist schwerer als er aussieht. Beim letzten Mal waren wir immerhin zu dritt.«
Ein durchdringender Schrei kam vom Taleingang. Dann trommelten Hufe. Scobey packte sein Gewehr, und auch Clay schnappte sich einen in der Stagecoach verbliebenen Karabiner. Die Indianer stürmten in dichtem Pulk zwischen den zerklüfteten Hängen heran. Die bunten Bänder und Federn an ihren Lanzen und Gewehren flatterten. Als ihnen die ersten Schüsse entgegen blitzten, brach die Gruppe nach links und rechts auseinander. Schreiend und schießend jagten die Krieger an den Waldrändern entlang, umso von zwei Seiten auf gleiche Höhe mit der Kutsche zu gelangen.
»Deckung!«, schrie Clay dem Zeitungsmann zu.
Sie warfen sich unter das Fahrzeug, schossen, repetierten, schossen und repetierten, bis die Gewehre in ihren Fäusten heiß wurden. Pferde brachen zusammen, Verwundete stürzten aus den fellbezogenen Sätteln. Die Cheyennes warfen ihre Gäule herum. Im selben Höllentempo wie sie angegriffen hatten, preschten sie zum Taleingang zurück. Einige Krieger schleppten ihre angeschossenen Stammesgefährten mit. Dann war der Spuk schon vorbei.
Das Ganze hatte nicht länger als eine Minute gedauert. Clay und Scobey waren in Schweiß gebadet. Dann kroch Clay unter der Kutsche hervor, sprang auf und lief zu den Pferden. Ohne Erklärung begann er die Deichsel mit den Waagscheiten daran auszuhaken. Die Tiere ließ er eingeschirrt. Scobey begriff sofort, dass Clay die Deichsel als Hebelbalken benutzen wollte. Er half ihm, einen Felsbrocken auf die andere Seite der Stagecoach zu rollen, auf dem sie die Deichsel aufstützen konnten. Dabei keuchten und schwitzten sie vor Anstrengung.
Währenddessen formierten sich die Cheyennes erneut zum Angriff. Clay schätzte, dass es an die zwei Dutzend Krieger waren. Vielleicht waren es dieselben, die seit ihrer Flucht durch den Lodgepole Creek hinter ihnen her waren. Möglich auch, dass andere zufällig ihre Spur gefunden hatten. Es spielte jetzt keine Rolle.
»Sie kommen wieder!«, schrie Scobey, kaum dass der Felsen am richtigen Platz lag.
Clay kam gerade noch dazu, die erschreckten Pferde am Durchgehen zu hindern. Scobeys Karabiner peitschte. Scobey schoss so schnell und entschlossen als hätte er sein halbes Leben lang bereits gegen Indianer gekämpft. Diesmal dachten die Cheyennes jedoch nicht daran, im offenen Sturm gegen die von Pulverdampf und Mündungsblitzen umwogte Kutsche anzurennen. Sie sprangen ab, jagten die Pferde zurück und tauchten im Schatten zwischen den Felsen und Bäumen ein.
»Scobey!«, schrie Clay erschrocken. Der drahtige, städtisch gekleidete Mann rannte ein Stück in Richtung der Angreifer von der Stagecoach weg. Dann duckte er sich hinter einen bemoosten Quader.
»Ich halt sie auf, Lorman! Sehen Sie zu, dass Sie die Kutsche startklar kriegen!«
Geschosse klatschten gegen seine Deckung. Sein Gewehr hämmerte. Clay verlor keine Zeit. Er achtete nicht auf die Pfeile und Kugeln, die sich in das Holz der Concord-Kutsche bohrten. Er schob die Deichsel unter dem Fahrzeug durch, bis ihr Ende auf dem Felsklotz auflag. Dabei musste er darauf achten, dass die Zugseile locker durchhingen. Wenn die Pferde anzogen, würden sie die Deichsel und damit die Kutsche hochdrücken. Dass es nicht ohne Schwierigkeiten klappen würde, war Clay klar.
Die beiden ersten Male zogen die Gäule zu heftig an. Die Kutsche hob sich zwar, die Seile hielten, aber dann rutschte die Deichsel ab. Clay musste wieder dafür sorgen, dass sie die richtige Auflage bekam. Das pausenlose Gewehrfeuer machte die Pferde nervös. Unablässig sprach Clay beruhigend auf sie ein. Wenn er jetzt die Nerven verlor und zu fluchen und toben anfing, war alles aus.
Schweißbäche glänzten auf seinem Gesicht. Zähne zusammenbeißen! Nicht aufgeben!, beschwor er sich ständig.
Scobey kämpfte verzweifelt. Aber während er in die eine Richtung feuerte, huschten die Cheyennes von Baum zu Baum, von Fels zu Fels auf der anderen Talseite näher heran. Clay brachte die radlose Achse schließlich nochmals hoch. Nun hätte er jemanden gebraucht, der entweder die Pferde festhielt oder das Rad aufsetzte. Inbrünstig hoffte er, dass die Tiere wenigstens für ein paar Sekunden reglos verharrten. Aber