Steine spritzten, die ganze Geröllhalde geriet in Bewegung, Staub quoll auf. Das Wunder geschah. Es war eine zirkusreife Meisterleistung. Mr. Brown knickte zwar nach hinten ein, aber seine Vorderläufe blieben wie Pfähle durchgestreckt, während die Hufe auf dem prasselnden Gestein dahinschlitterten. Wie ein überdimensionaler Osterhase, der statt des Eierkorbs den wie hingeklebten Reiter auf dem Rücken trug, hockte das Pferd auf dem rutschenden Geröllteppich. Staubschwaden umhüllten es. Seine Augen waren entsetzt verdreht.
»Brav, mein Junge, großartig!«, schrie Larry, weil er sich einfach Luft machen musste.
Ein ohrenbetäubendes Getöse war um ihn. Droben gellten die Flüche der Verbrecher. Schüsse krachten. Bleibrocken surrten wie Riesenhornissen vorbei. Die Felsblöcke und Sträucher am Fuß der Halde rasten erschreckend schnell heran. Es war die höllischste Rutschpartie, die Coltpoker-Larry je erlebte.
Morristers Schießer knallten einfach drauflos, noch immer überzeugt, dass Langtry diese Talfahrt sowieso nicht überstehen würde. Sie schienen noch im letzten Augenblick recht zu behalten. Zu plötzlich wurde die immer schneller werdende Rutscherei gestoppt. Zu jäh hatte der Braune festen Boden unter den Vorderhufen. Der Schwung riss das Pferd hoch und nach vorne. Larry sah das Unheil kommen und brachte gerade noch geistesgegenwärtig die Füße aus den Steigbügeln. Da hob es ihn schon aus. Die unsichtbare Faust eines Riesen schien Mr. Brown inmitten wirbelnder Steine und brodelnden Staubs hochzuschleudern. Dann lag er auf der Erde, alle vier schlegelnden Hufe in der Luft.
Die Banditen hatten bereits ihre Waffen sinken gelassen. Morrister war abgesprungen und um die Biegung zurückgehastet.
»Schießt, verdammt noch mal!«, schrie er, weil er dem, was er sah, nicht traute.
Vielleicht war es sein Wolfsinstinkt, der ihm sagte, dass den beiden da unten, Mann und Pferd, nur mit gut gezielten Kugeln beizukommen war. Morristers Revolverschwinger trauten ihren Augen nicht: Da kam nicht nur das große, braune Pferd wie eine Katze wieder auf die Beine, sondern auch der sich eben noch überkugelnde Reiter! Dabei hätten die Schurken gewettet, dass der Mann keinen heilen Knochen mehr besitzen konnte. Und jetzt nicht mal ein Schwanken. Kein Luftschnappen, kein Anzeichen einer auch noch so flüchtigen Benommenheit.
Mit einem Satz, als hätte er Stahlfedern in den Fußgelenken, sauste Larry in den Sattel, rammte die Stiefel in die Bügel und hielt auch schon die Zügel, als wären sie ihm von selber in die Hand gesprungen.
Morrister hatte bereits abgedrückt. Die Stichflamme aus seinem Colt verwandelte sein Gesicht in eine rote Teufelsfratze. Die Kugel schmetterte dort in den Boden, wo Larry eben noch gelegen hatte. Der zweite Schuss ... Larry entging ihm knapp durch die blitzschnelle Drehung, die Mann und Pferd so wendig ausführten, als wären sie zu einem Fabelwesen verschmolzen.
Nun flogen auch die Revolver der anderen Halunken hoch. Da machte Mr. Brown einen so gewaltigen Satz, dass auch Morristers sofort hinterhergejagter dritter Schuss nichts mehr ausrichtete. Ein Bleihagel prasselte gegen die Felsen. Losgefetzte Blätter und Zweigstücke wirbelten. Doch Coltpoker-Larry war im Schatten verschwunden. Pulverdampf vernebelte die Gestalten auf dem Felsband über der Geröllhalde. Die Sonne lugte nur mehr eine Handbreit über die Felszinnen. Wo Larry ein paar Yards weiter sein Pferd zügelte, herrschte bereits Dunkelheit. Hastig kramte er die Patronen für seinen 38er zuunterst aus der Satteltasche.
Er grinste, als er feststellte, wie seine Finger jetzt erst zu zittern anfingen. Nachträglich stieg ihm ein Würgen in die Kehle. Er tätschelte dem Braunen den Hals.
»Du warst großartig, Amigo. Wenn wir je lebend aus dieser verflixten Geschichte herauskommen, werde ich nicht ruhen, bis ich die saftigste Weide und die schönste Stute für dich gefunden habe, mein Junge. Aber jetzt, Mr. Brown, wirst du nochmals alles hergeben müssen, was in dir steckt! Für ...«
Der Knall eines Schusses auf dem Felspfad riss seinen Kopf herum. Es war Reillys schwerer Körper, der dort, wo Mr. Brown eine Bahn auf dem steinigen Hang gepflügt hatte, leblos herabwirbelte.
»Lauf, Browney!«, feuerte Larry Langtry seinen Hengst mit rauer Stimme an.
Droben ließ Morrister mit eisiger Miene den rauchenden Peacemaker sinken. Seine Stimme traf die vor Schreck erstarrten Männer wie ein Peitschenschlag.
»Er hätte besser auf ihn aufpassen sollen. Ich hab's satt, mich mit Versagern rumzuärgern! Roscoe!«
Der Wildäugige mit dem Indianerstirnband fuhr herum.
»Boss?«
»Nimm dir die Hälfte der Crew, Roscoe! Mit den anderen werd’ ich es Big Joe auch ohne diesen Höllenhund von Kartenhai so gründlich besorgen, dass ihm ein für allemal Hören und Sehen vergeht! Ihr aber reitet, als hätte sich die Hölle hinter euch aufgetan!« Die Augen des Banditen funkelten noch wilder.
»Keine Sorge, Boss, wir erwischen ihn, egal, wo er sich auch verkriecht! Wir werden ihn hetzen, bis ...«
»Du bist ein Narr, Roscoe!«, fuhr Dean Morrister ihn an. »Er wird sich nicht verkriechen. Du brauchst auch gar nicht lange nach seiner Fährte zu suchen. Kannst du denn, verdammt noch mal, nicht zwei und zwei zusammenzählen? Alles, worauf es diesem Bastard ankam, war, uns aus dem Camp wegzulotsen. Er will die Frau befreien! Die Pest an seinen Hals!« Er stieß dem Halunken den Zeigefinger gegen die Brust. »Du wirst es verhindern, Roscoe, wenn du nicht willst, dass es dir so ergeht wie Reilly!«
Mit einem wilden Grinsen schwang sich der Zottelhaarige in den Sattel.
»Ich bin nicht Reilly, Boss - und Coltpoker-Larry ist bereits ein toter Mann!«
10
Der Vollmond goss bleiches Licht auf die Zelte, den Conestoga Wagen und die im Seilcorral zurückgebliebenen Pferde. Zwischen den Weidenbüschen glitzerte das Silberband des Bluebird Creek. Ein Bild so friedlich, dass Coltpoker-Larry sich für einen Moment wie im Traum fühlte, als er sein Pferd auf einer grasbewachsenen Höhe über dem Camp zügelte. Er hatte weder sich, noch den Hengst geschont. Hemd und Jacke klebten ihm auf der Haut. Das Herz schlug ihm noch vom harten Ritt bis in die Kehle, und in seinen Ohren war noch immer das Hämmern der Hufe, das ihn Stunde um Stunde durch die Felsenwildnis der Sangre de Christo Mountains begleitet hatte.
Mitternacht war längst vorbei. Gläserne Stille lag auf dem mondbeschienenen Tal. Zwei, drei Sekunden verstrichen, bis Larry begriff, dass es weder das Pochen seines Herzens, noch der Nachhall des Hufgetrappels war, was er da hörte.
Das war keine Einbildung, sondern wirklicher Hufschlag. Ein Trommeln, das rasch anschwoll. Einer von Morristers Killern hatte das Wettrennen zum Camp am Bluebird Creek fast gleichzeitig mit ihm geschafft. Das hieß, dass die anderen auch nicht mehr weit sein konnten.
Larry schnellte halb herum. Seine Hand zuckte zum Revolver. Keine Sekunde zu früh. An dem vom Lager abgewandten Fuß der Anhöhe brach ein Reiter aus dem Schatten der Büsche und Felsen. Roscoe! Der Mond beschien sein vor Hass und Anstrengung zerwühltes Gesicht. Die Nüstern seines Schecken waren schaumverklebt.
Doch Larry sah nur den funkelnden, blanken Stahl, der sich auf ihn richtete. Seine Rechte stieß hoch. Der Revolver blitzte. Gleichzeitig verließ ein Feuerstoß den Karabiner des Banditen. Die Detonationen verschmolzen zu einem Knall, der auch den im tiefsten Schlaf Liegenden wie die Posaunen des Jüngsten Gerichts wecken musste. Ein heißer Luftzug streifte Larrys rechte Wange. Sekundenlang war dumpfe Leere in seinem Gehirn. Eine Sekunde, in der sich die beiden schwarz vom mondhellen Hintergrund abgezeichneten Reiter reglos anstarrten.
Dann begann Roscoes Gewehr zu wackeln. Die gedrungene Reitergestalt neigte sich langsam nach links. Die Füße rutschten aus den Bügeln. Dann kam