Keiner von ihnen konnte ahnen, wie dramatisch sich diese Entscheidung noch auf ihr Leben auswirken würde und dass sie Deutschland viele Jahre später tatsächlich verlassen würden.
Jedenfalls war Albert ein pragmatischer Mann und akzeptierte ihre Weigerung.
Kapitel 9
Eine Truppe eifriger, junger schwarzer Männer zu trainieren war eine sehr dankbare Aufgabe und machte Spaß. Sie waren speziell dafür ausgewählt worden, die Flugzeuge der South African Airways zu warten und mechanisch zu überprüfen. Albert liebte ihre spielerische Herangehensweise und ihre Bereitschaft zu lernen und es schien wenig rassenbezogene Spannungen zwischen Lehrpersonal und Auszubildenen zu geben.
Die schwere Aufgabe, diesen kleinen Flughafen zu vergrößern, wurde von abgerichteten Elefanten erledigt, was für Albert immer wieder Anlass zum Staunen bot und für viele Lacher unter den Arbeitern sorgte.
„Sie haben ein fantastisches Gedächtnis“, erzählte einer der Arbeiter Albert. „Verärgern oder verletzen Sie niemals einen, sie erinnern sich nämlich und werden es Ihnen heimzahlen.“ Er fuhr fort: „Einmal hat ein junger Mann einen Elefanten absichtlich am Fuß verletzt, sodass das Tier vor Schmerzen aufbrüllte. Ein paar Monate später wählte derselbe Elefant diesen Kerl aus einer Gruppe Arbeiter aus, hob ihn hoch und rammte ihn in den Boden. Er starb dann kurz darauf.“
„Was habt ihr dann mit dem Elefanten gemacht?“, erkundigte sich Albert.
„Nichts“, erwiderte der Mann. „Das Tier hatte recht! Nicht damit, den jungen Mann umzubringen, aber Elefanten kennen ihre Kraft nicht, und warum sollten wir einen Elefanten bestrafen? Sie sind schwer zu trainieren.“
Albert war von diesen riesigen Tieren beeindruckt und davon, wie umsichtig sie kleine Leckereien mit ihrem Rüssel aufnahmen und dann vor Freude schnauften, während sie die Leckerbissen in ihre Münder beförderten. Er spürte eine wirkliche Beziehung zwischen Tier und Mensch.
An den Abenden saß die Crew zusammen an der Bar, tauschte Geschichten des Tages aus, diskutierte die neusten Neuigkeiten aus Europa mit Sorge und vermissten hauptsächlich ihre Ehefrauen: Vier Monate waren eine lange Zeit, um von ihnen getrennt zu sein.
„Eine Crew kehrt in einer Woche zurück, also wenn ihr ein paar Briefe oder Geschenke mitschicken wollt, dann ist das eure Chance“, wurde ihnen eines Abends verkündet. Sofort erhoben sich alle, versammelten sich um den Rezeptionstresen des Hotels und baten um Briefpapier, Umschläge und Füllfederhalter.
Albert hatte zwei Armbänder für Charlotte besorgt und freute sich darauf, sie ihr zu schicken. Sie bestanden aus Elefantenhaar – den kleinen Enden der wenigen Haare, die am Schwanz abgezupft wurden –, das kunstvoll zusammengeflochten und zum Teil vergoldet worden war. Sie wird sie lieben, dachte er.
Meine geliebte Frau, schrieb er,
Ich hoffe, dieser Brief erreicht dich wohlbehalten und gesund. Ich vermisse euch alle, genieße aber auch meine Zeit hier in Kapstadt und Umgebung. Es gibt hier so vieles zu sehen! Mit diesem Brief sende ich dir zwei Armbänder aus Elefantenhaaren; ich bin mir sicher, dass du sie magst weil sie so einzigartig sind. Noch zwei Monate und dann halte ich dich wieder in meinen Armen. Ich kann es kaum erwarten!!!
Wir sind in einem gepflegten Gasthaus etwas außerhalb von Kapstadt untergebracht. Es ist eine wundervolle Umgebung inmitten einer dschungelartigen Gegend. Es gibt keine Innentoiletten, aber draußen schon; auch gepflegt und sauber, aber eine Herausforderung bei Nacht. Ich muss immer noch lachen, wenn ich dir von meiner ersten Nacht hier erzähle. Es war stockfinster, was hier ganz normal ist, und ich trottete los, um das Klosett zu benutzen. Die Außentoiletten haben keine Türen, und als ich hochblickte, starrte ich in ein Paar grüner Augen. Es war richtig unheimlich, weil ich keinen Schimmer hatte, was es war – es gibt hier natürlich wilde Tiere –, also saß ich die ganze Nacht draußen auf der Toilette und wartete. Ich weiß, dass du jetzt laut lachst, aber Knurren und leises Rascheln zu hören war doch recht erschreckend.
Wie auch immer, die grünen Augen blieben die ganze Nacht bei mir und im Morgengrauen sah ich einen wunderschönen Gepard vor der Außentoilette sitzen. In der Zwischenzeit hatte mich das Personal bereits gesucht. Sie erklärten mir, dass Geparde als herumstreunendes Sicherheitspersonal dressiert worden waren, um andere Tiere zu verscheuchen, dabei aber für die Gäste vollkommen ungefährlich waren. Ich erinnerte mich daran, einige am ersten Tag gesehen zu haben, als ich durch den Park spazierte, hatte ihnen aber keine Beachtung geschenkt. Das war eine ziemliche Erleichterung in vielerlei Hinsicht, wenngleich auch eine lange Nacht.
Ich habe ein hübsches Zimmer mit einem Balkon und tollem Blick auf die Vegetation. Es ist recht heiß hier und die Ventilatoren surren unaufhörlich an den Decken. Moskitonetze sind über die Betten gespannt – ich brauche fast die halbe Nacht, um mich bettfertig zu machen!
Eines Tages kam ich zurück in mein Zimmer und freute mich auf ein kleines Nickerchen vor dem Abendessen, als ich Geräusche aus dem Raum hörte. Und als ich die Tür öffnete, erstarrte ich sofort. Du kannst dir diese Unordnung und das Chaos nicht vorstellen, das mich dort erwartete. Ich sah erschrocken zu, wie kleine, kreischende Äffchen den Raum und seinen Inhalt systematisch auseinandernahmen. Sie kletterten über die Möbel, hingen vom Deckenventilator, aßen Seife, schütteten Rasierwasser und Haarwaschmittel übereinander und kreischten wie verrückt herum – wahrscheinlich vor lauter Freude. Ich habe noch nie in meinem Leben eine so unbeschreiblich lustige Szene miterlebt! Nun ja, das Hotelpersonal war weniger begeistert und schalt mich dafür, dass ich die Balkontür trotz ihrer Warnungen, die ich offenbar missverstanden hatte, offengelassen hatte. Für den Fall der Fälle bin ich jetzt in einem Raum ohne Balkon einquartiert.
Für morgen hat Harry eine Tour durch eine Diamantenmine und einen Besuch bei einem Kraal organisiert – das dürfte spannend werden. Wir werden ein paar Geschenke für die Stammes Älteren mitnehmen; ich bin mir sicher, dass ich dir danach noch mehr Geschichten zu erzählen habe.
Damit, mein Schatz, sende ich dir viele Umarmungen und Küsse. Bitte drück Oma und die Kinder von mir. All meine Liebe an dich, dein Ehemann Albert
Mit der neuen Crew kam auch ein Haufen Briefe von Zuhause an und wurde an die aufgeregt wartenden Empfänger ausgeteilt. Albert nahm seinen Brief entgegen und las ihn alleine für sich.
Mein liebster Albert,
jetzt sind es schon zwei Monate, seit du abgereist bist, und ich vermisse dich immer mehr. Ich hoffe, von dir eine Nachricht zu erhalten, wenn Harry und seine Crew nächste Woche zurückkehren. Der Gedanke daran, zum ersten Mal Weihnachten getrennt zu verbringen, gefällt mir gar nicht, aber andererseits hast du gar keine Familie bei dir. Also will ich mich nicht beschweren, sondern mich darauf freuen, dass wir an Ostern zusammen sein werden.
Das Wetter war ziemlich schrecklich und Mutti hat einen bösen Husten und Fieber; der Arzt ist besorgt, dass sie sich eine Lungenentzündung eingehandelt haben könnte. Dies hat Omama umgehend in Aktion gesetzt: Sie ist sofort für ein paar Tage hergekommen und hat die Sorge für ihre Tochter übernommen. Eigentlich ist es lustig – Omama ist Mitte siebzig und umsorgt ihre „kleine Tochter“. Sie verwendet irgendein Gebräu, das wohl wirksam war, als alle an der Spanischen Grippe erkrankt waren und daran starben. Du willst wirklich nicht wissen, wie es hier gerade riecht! Sie kocht Zwiebeln und füttert Mutti mit dem Saft; das löst den Schleim in ihrer Brust. Aus den weißen Zwiebeln macht sie Wickel für ihre Brust – arme Mutti, sie stinkt wie eine Zwiebel!! Selbst die Putzfrau hält die Luft an, wenn sie herkommt. Ich habe ihr ein paar Tage frei gegeben, damit wir die Wohnung durchlüften können. Ich hoffe nur, dass die Zwiebelkur funktioniert, aber Omama ist streng und Mutti zu schwach, um sich zu wehren.
Hoffentlich geht es ihr bis Weihnachten besser. Wir planen, Heiligabend mit meiner Schwester Hanni, Max und den Kindern zu verbringen. Ich werde Gisela holen, damit sie ihre Ferien mit uns zuhause verbringen kann. Hanni erwartet ihr viertes Kind; Max will noch einen Jungen. Hanni sagt, es ist ihr