Blick auf den Nil. Karim Lardi. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Karim Lardi
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783749778676
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bis es endlich nachgab.

      Stolz führte er sie hinein und merkte, dass sie die Nase rümpfte. Beide mussten husten, als sie den Staub und die stark nach Putzmittel riechende Luft einatmeten.

      „Maalisch! Maalisch! Es macht Nichts!“, sagte er tröstend mit einem verlegenen Grinsen. „Just polish! Just polish!“, sagte er sanft und schenkte er ihr ein freundliches Lächeln.

      Als ihm klar war, dass sie seine Worte nicht mehr aufnahm und die Hand vor den gähnenden Mund hielt, machte er sich davon.

      Sie fing sich und in der Tür stehend warf sie ihm noch ein Wort des Dankes hinterher. Dann schloss sie Tür und Fenster und schob den Riegel vor, obwohl der Geruch penetrant war. Den Vorhang ließ sie offen, er war sowieso nur Zierrat. Sie merkte wie die Müdigkeit in ihr hochkroch und eine große Mattigkeit über sie kam. Die Fahrt vom Flughafen kam ihr ewig lang vor, länger als der Flug an sich.

      So kickte sie ihre Schuhe weg und ließ sich auf das kleine quietschende Bett niedersinken. Sofort fiel sie in einen unendlich tiefen Schlaf.

       -2-

       Nile View

      Sie erwachte erst gegen Mittag mit rasenden Kopfschmerzen in ihrem verschwitzten Bett. Draußen rauschten die Klimaanlagen der Nachbarn. An heißen Tagen kann man nirgendwo in Kairo diesem Lärm entkommen. Von allen Seiten her erklangen dann auch noch wütende Hupsignale und das Motorendröhnen vorbeirasender Autos, Gehämmere und Geklopfe. Diese Kakophonie zusammen mit dem Gebrüll der Bawwabs und Polizisten gellten in ihrem Kopf und machten ihn zu einem Hexenkessel, in dem alles brodelte.

      Der lange Flug steckte ihr noch in den Gliedern. Es dauerte eine Weile, bis ihre Erinnerungen zurückkehrten und sich ihr Kopf nach und nach klärte.

      Wie in aller Welt können die Menschen diesen Lärm aushalten!?

      Sie blickte sich um. Ihr kleines Zimmer war spartanisch eingerichtet, mit kahlen weißen Wänden und abgenutzten Dielen. Es hatte alles, was eine angehende Wissenschaftlerin so braucht: ein kleines Bett, einen Stuhl, einen Tisch und ein Regal. Eine kleine Kochnische, ein Spülbecken und eine separate Toilette waren auch dabei.

      Laura stand langsam auf und öffnete, wenn auch noch total zermürbt, hoffnungsfroh das Fenster, durch dessen Gitter einige Kabel gezogen waren. Ihr Zimmer führte auf eine große Terrasse, auf der ein Meer von Kabeln, Fernsehantennen und Satellitenschüssel aller möglichen Größen installiert war.

      Es kam ihr alles ganz unwirklich vor, als hätte man sie auf einem fremden Planeten ausgesetzt. Über der Stadt lag ein beißender Geruch von verbranntem Reisstroh und Müll. Kairo hatte wieder gerülpst. Es war sehr trübe und man sah keine Sonne. In der Ecke stand eine alte Kommode unter einer kleinen Pergola. An der unverputzten Wand hing ein kleiner uralter Fernseher. Daneben war ein Käfig voller Tauben, um den räudige Katzen im Taubenmist lungerten. In der Mitte der Terrasse standen ein mit Tuch bedeckter Allzwecktisch und ein paar wurmstichige Stühle. Überall lagen Strohmatten und von langen Dienstjahren ausgeblichene Kopfkissen.

      Ihr Blick schweifte eine Weile über die Dächer, die wie ein graues Häusermeer aussahen. Wie erstarrt stand sie da und verspürte eine gewisse Enttäuschung. Voller Hoffnung suchte sie mit den Augen nach dem versprochenen Nilblick. Und je länger sie suchte, desto düsterer und enttäuschter wurde ihre Miene. Langsam spürte sie, wie ihre gesamten Orientträume wie ein angestochener Luftballon schrumpften. Dort hinten, wo sich eine Öffnung zwischen den hohen Gebäuden auftat, da erschien ihr ein kleines silbern schimmerndes Stück Wasser! Ansonsten blickte sie nur über ein Meer von heruntergekommenen, farblosen Wohnblöcken. Sie schienen alle schwer in Mitleidenschaft gezogenen zu sein.

      An vielen Stellen fiel der Putz von ihnen ab und manche standen einfach im nackten Mauerwerk da. Auf den Flachdächern lagen Unmengen alten Gerümpels, ohne dass irgendjemand es für nötig hielt, irgendetwas aufzuräumen. Kleine Mädchen spielten unbekümmert und ahnungslos Blindekuh, Jungs tollten herum und befehdeten sich einander mit Stöcken. Sie hörte die plappernden Stimmen der Frauen, die gerade die Wäsche auswrangen und aufhängten und alte Teppiche klopften. Sie sah wie der Staub in die Luft wirbelte. Sie winkten ihr freundlich zu und lachten herzlich.

      Laura beschloss, nicht schwermütig zu werden und einfach erstmal alles auf sich zukommen zu lassen. Die Tatsache, für den Anfang eine Bleibe zu haben, wenn auch spartanisch ausgestattet, spendete ihr irgendwie etwas Trost. Sie war froh, denn das entlastete ihr dünnes Portemonnaie erheblich und ersparte ihr die zermürbende Sucherei und den nervenaufreibenden Ärger mit Maklern und Hausbesitzern, die denken jeder Europäer sei ein zweibeiniger Geldautomat. Am schlimmsten trugen die Expatriates zu diesem Bild bei. Sie galten als penibel und sehr wählerisch. Alle suchten und wollten stattliche, herrschaftliche Häuser oder Wohnungen, von denen man in alle vier Himmelsrichtungen blicken konnte, weitläufige Gärten, am liebsten noch mit Swimmingpool und waren bereit, dafür schwindelerregende Preise zu zahlen. Wenn man zu alldem auch noch einen Blick auf den Nil in seiner prächtigen Schönheit haben konnte, kletterten die Preise noch höher. Mit ihnen explodierten die Immobilienpreise. Aber was sollte es! Solange sie selber nichts hinblättern mussten, tangierte sie das nicht.

      Nur eins besaß oberste Priorität bei den Expatriates: Spieglein, Spieglein an der Wand, wer hat das schönste Haus im ganzen Land.

      Die kleine von jahrelangem Gebrauch abgenutzte Wohnung gehörte Professor Sander. Laura schaute sich in dem alten Raum um. Die Möbel waren in schreienden Farben gestrichen, dazu ein altertümlicher Schaukelstuhl, und die bunt bemalten Kaffeetassen, all dies stammte sicherlich aus Eric Sanders Studienzeit. Vom Sekretariat ihres Instituts wusste sie, dass das Zimmer dem großen deutschen Professor und Archäologen gehörte, der sich seit langer Zeit in Ägypten aufhielt und bei dem sie nun ihr Forschungsjahr absolvieren wollte.

      Er hatte es in seinen frühen Studienjahren günstig einem Kollegen abgekauft und nun stellte er es seinen deutschen Studenten und Praktikanten aus aller Welt als provisorische Unterkunft zur Verfügung. Für sie war das natürlich eine einmalige Chance, schließlich hat nicht jeder Archäologe die Forschungsbedingungen eines Ludwig Borchardts oder Howard Carters. Und von der Archäologie allein kann ehrlich gesprochen kaum einer leben. Jeder, der in der Branche tätig ist, weiß, dass sie eine brotlose Kunst ist, und man kann sich glücklich schätzen, wenn man es in diesem Fache zu etwas bringt. Viele hatten jahrelang studiert und als sie fertig waren, standen sie mit leeren Händen da. „Ein Beruf, der bloß Leiden schafft“, rieben ihr ihre Eltern unter die Nase, jedes Mal, wenn sie von ihrer Leidenschaft für die Ägyptologie zu sprechen kam. Für die Leidenschaft ihrer Tochter hatte ihre Familie nichts übrig, außer Vorurteile, wonach Archäologie eine schmutzige Arbeit sei, die in gottverlassenen Ausgrabungsstätten und unter den sengenden Sonnen der fernen Wüsten stattfindet. „Viel Staub, wenig Kohle!“ Für Laura aber war Archäologie das einzige Fach, das sie interessierte. Die anderen Studiengänge, die für sie in Frage gekommen wären, waren oft theorieorientiert und von geringem praktischem Wert. Die Archäologie war und blieb für sie eines der wenigen Berufsfelder der Welt, die noch von der Leidenschaft lebten oder überhaupt wussten, was Berufsleidenschaft bedeutete.

       -3-

       Zwischen Räucherstäbchen und Dieseldämpfen

      Laura schluckte ihre Enttäuschung hinunter und brauchte einen Moment, um sich zu fangen. Um nicht in Trübsinn zu verfallen, packte sie ihre Tasche und ging hinunter. Sie musste hinaus auf die Straße, um den Pulsschlag der Stadt langsam zu zählen. Trübsal blasen war ja eher nicht ihr Ding. Sie hatte sich ja schließlich Kairo ausgesucht und niemand hatte sie dazu gezwungen, hierher zu kommen.

      Sie trat auf die Straße und schlug eine Richtung ein, ohne zu wissen, wohin sie lief. Sie traute einfach ihrem Instinkt ohne groß zu überlegen und ihre Füße bewegten sich wie von selbst und wandten sich in die Richtung, die sich ihr gerade auftat. Von Neugier getrieben, begab sie sich einfach in das Straßengewirr und folgte dem allgemeinen Strom.

      Unten wie oben pulsierte das Leben. Überall herrschte ein großes Gedränge und lebhafter Betrieb.

      Auf den ersten Blick