4. Bubenreuther Literaturwettbewerb 2018. Christoph-Maria Liegener. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Christoph-Maria Liegener
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Зарубежные стихи
Год издания: 0
isbn: 9783746992471
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Magier hat es nicht geschafft.

      Kommentar: Interessanter Ansatz., der leider nicht weiterverfolgt wird.

       Meike Hoffmann (Irland)

       VATER MOND

      Ich sah Dir ins Gesicht

      Ich verlor meine Tränen vor Dir

      tief im Herzen hast Du

      mich berührt

      Ich weiß, ich habe Sehnsucht

      nach Dir

      Wird sie je gestillt werden?

      Deine Schönheit kenne ich

      vom Meer

      von den Bergen

      von der Wüste

      immer lachst DU zu mir

      gibst mir Vertrauen

      leuchtest im Dunkeln

      für mich.

       Daniel Zöllner

       Weltende

      Diesen Frühling blieben die Bäume kahl; man zählte die Tage und schaute auf den Kalender, es war Mai, doch die Bäume blieben kahl. Die Vögel saßen träg und fett in den Zweigen und sangen nicht. Und wenn ein Adler kam, dann flohen sie nicht und wurden gerissen. Doch auch die Adler gingen nur noch selten auf Jagd und schrien nicht länger ihre Schreie.

      Der Amokläufer, der die Menschen niedergemäht hatte wie reifes Korn, wurde nach seinem Amoklauf mit einem nachsichtigen Schulterklopfen empfangen, wie der Fußballspieler nach dem verschossenen Elfmeter. Dann schickte man ihn wieder zur Arbeit.

      Auch die eingefleischtesten Materialisten machten sich jetzt Gedanken darüber, was sie nach dem Tod erwarten würde. Man begann sich vorzubereiten aufs Weltgericht; jeder wollte die besten Plätze ergattern. Zur Bestechung des Richters hortete man sein Vermögen und gab es nicht länger aus. Statt Torten aß man Knäckebrot. Man begann in stinkenden alten Kleidern umherzulaufen und verzichtete auf die tägliche Portion Schokolade.

      Die Schauspieler nahmen die Masken ab, da es ja ohnehin bald aus sein würde. Man sah plötzlich überall Schafsköpfe umherlaufen. Die Models wurden hässlich, die Frohnaturen versanken in Depressionen, die Konservativen wurden zu Anarchisten und die Revolutionäre zu Duckmäusern, die Moralisten hielten ausschweifende Orgien ab. Der Schüchterne sang plötzlich Lieder auf dem Marktplatz, und manche stimmten mit ein oder warfen Dreck auf den Singenden.

      Man brach den Engeln am Kirchportal den Kopf ab und hängte ihn zur Dekoration über den eigenen Herd. Reichskanzler Bismarck und Kaiser Barbarossa bekamen Narrenkappen und rote Clownsnasen aufgesetzt. Niemand lachte darüber, nur über die Bettler lachte man, und über die Verkrüppelten und die Verrückten.

      Uhrmacher gingen pleite, Propheten wurden Millionäre. Sie sagten auf ihren Seminaren voraus, dass morgen die Welt untergehen werde, berichteten, wie man sich retten könne, und alle lagen sie immer falsch.

      Manche dachten, die Welt sei schon untergegangen, sei vielleicht schon immer untergegangen gewesen, und man verlebte in einer Art Hölle seine Tage. Vielleicht sogar in einer Art Paradies. Aber das konnte niemand nachweisen.

      Morgen soll es so weit sein. Ich werde mich und meine Kleider waschen und in Würde sterben –

      Da lacht doch nicht etwa jemand?

      Kommentar: Grotesk und doch eingängig.

       Romy Salvagno

       Schlaflos

      Die nachtblauen Fensterscheiben

      spiegeln Erlebnisse

      als buntes Zirkustreiben

      unaufhörlich

      wälzen Flugschreiber

      Erinnerungen durch die Nacht

      im feinmaschigen Fliegengitter

      ein abgebrochener Schnabel

      verstummt.

       Torsten Krippner

       Begegnung

      In Benares schob ich mich durch die engen Gassen der Märkte. Nicht um etwas zu kaufen, allein aus Behagen. Wenn ich etwas aß, dann allein, um die Speisen zu kosten, die mich an nichts erinnerten, mit nichts zu vergleichen waren. Dann die vielen verschiedenen Hautfarben von hellgelb über oker, dunkelbraun bis schwarz. Dann die vielen Sprachen und Dialekte, die sich zu einem Stimmengewirr vermischten. Händler zogen mich zu ihren Ständen, präsentierten stolz ihre Ware, wohlwissend, dass ich nichts kaufen konnte. Denn das konnte ich ihnen klarmachen, darin hatte ich schon Übung. Aber offensichtlich ging es ihnen gar nicht ums Verkaufen. Sie freuten sich über meine anerkennende Gestik. Kinder zerrten an meinen Armen, wollten die weiße Haut sehen und ertasten. Es war wohl ihre Art der Orientierung.

      Vom Markt führen alle Straßen hinunter zum Ganges. Je näher ich dem Fluss kam, desto häufiger sah ich sah ich nun alte Menschen am Straßenrand oder Sterbende oder Tote, die hinunter zum Ufer des Ganges getragen werden. Die alten Menschen haben eine lange Reise hinter sich, die sie auch oft zu Fuß zurückgelegt haben. Und das was nach dieser langen Reise an Geld noch übriggeblieben ist, reicht gerade noch, um ein Bündel Holz zu kaufen, auf dem sie sich dann verbrennen lassen. Sie kommen nach Benares, mit der Absicht zu sterben und werden bis dahin mit milden Gaben am Leben erhalten. Ich war oft in diesen Straßen der Sterbenden. Ich setzte mich still und in respektvollem Abstand auf eine Stufe, damit sie es nicht bemerkten, von mir beobachtet zu werden. Einmal wurde ich doch entdeckt: von einer alten Frau, die mir freundlich zuwinkte. Ich empfand es als eine Aufforderung, zu ihr herüberzugehen. Doch es war ein Missverständnis. Ich versuchte ihr klarzumachen, dass ich gerne etwas für sie tun würde, ihr etwas zu essen, zu trinken - oder was immer sie wollte - zu bringen. Aber sie lächelte nur vor sich hin und sagte kein einziges Wort. Am nächsten Tag war sie nicht mehr da. Vielleicht brachte man sie auch schon hinunter zum Ganges-Ufer, um ihr dort mit den paar Rupien, die ich ihr gegeben hatte, ein Bündel Holz zu kaufen. Auf das Bündel würde man sie dann legen, ganz so wie sie war, wie sie gefunden wurde. Dann würde ein kahlköpfiger Brahmane kommen, nur bekleidet bis zur Gürtellinie oder einem Lendenschurz mit einer Brahmanen- Kordel, die ihm rechts über der Schulter hängt. Er kippt eine Flasche duftendes Öl über sie und das Holz. Dann entfacht er das Feuer und schiebt mit einer langen Stange die Holzscheite immer wieder in die richtige Lage, damit das Feuer nicht seine Intensität verliert. Dann wird es plötzlich nach verbranntem Haar riechen und die Haut wird sich vom Fleisch lösen und das Fleisch von den Knochen. Und es wird nur noch Asche übrigbleiben. Diese wird in ein Tuch gewickelt und zum Ganges hinuntergebracht, wo die Asche dem Fluss übergeben wird.

      Am Ganges angelangt beobachtete ich riesige Fische. Ich sah Rücken von Fischen auftauchen, deren Größe mich an Delfine erinnerte. Vielleicht werden diese Fische besonders dick und groß, weil sie sich von noch nicht gänzlich verbrannten Fleischfetzen ernähren können.

      Ich blieb nicht lange an dem Ufer, wo die Feuer Tag und Nacht brennen. Ich wollte noch einmal in die Gasse, wo ich die alte Frau tags zuvor getroffen hatte. Der Platz, auf dem sie saß, war immer noch leer. Ebenso am Tag darauf. Ich setzte mich noch eine Weile und ließ die Erinnerung an sie an mir vorüberziehen. Diese Art, wie sie mir zugewunken hat und ihr leichtes Erstaunen, dass ich dies als Aufforderung interpretierte. Jetzt erschien mir dieses Winken wie die freundliche Geste einer Königin, die einem armen Kerl eine Gunst erweist. Natürlich kannte sie genau ihren Weg. Vielleicht saß sie auch oft unten am Ufer, sah den Verbrennungen zu, wohlwissend, was mit ihr innerhalb der nächsten Tage geschehen wird. Und doch hatte sie die absolute Gelassenheit, ja sogar Überlegenheit. Etwa wie jemand, der zwar mit Verständnis, aber ohne jegliche Zugehörigkeit auf das Treiben der Welt herabblickt. Und als ich ihr dann die paar Rupien in die Hand drückte, nahm sie diese zwar an, aber ohne eine Geste der Dankbarkeit. Sie akzeptierte das Geld wie eine moralische Pflicht,