Nach dem Liebesspiel befand sich Gerold in einer solchen Hochstimmung, dass er in Versuchung geriet, der Magd für ihre Gefälligkeit haltlose Versprechungen zu machen. Doch wie weltklug und erfahren das junge Mädchen bereits war, zeigte sich darin, dass sie seinen Mund schnell mit ihren heißen Lippen verschloss, seine Hand zwischen ihre Beine führte und selbst nach seiner Männlichkeit griff. Danach gab es keine Versprechungen und keine unnützen Worte mehr, nur noch Lust, Lust, Lust!
All das erzählte Gerold Mathilde, und sie hörte ihm aufmerksam zu.
Dann kuschelte sie sich an ihn und seufzte. „Gerade jetzt in diesem Augenblick wünschte ich, dass ich die Alma wär und nicht die Mathilde.“
„Mathilde!“, stieß Gerold mit erstickter Stimme hervor. Er legte seinen Arm um ihre Schulter und zog sie fest an sich. Dann strich er behutsam über ihr Haar und ihren Nacken.
Eine Welle von heftig aufbrechendem Gefühl baute sich vor ihm auf wie ein Schutzschild; ein starker, undurchdringlicher Schild, der Mut machte, das Undenkbare zu denken, das Unwagbare zu wagen.
„Dein Verlöbnis mit dem Arnesberger …“, begann er, unterbrach sich dann aber und verstummte für einige Augenblicke, bevor er mit belegter Stimme fortfuhr, „könnte man es wieder lösen?“
„Nein!“ Mathilde schüttelte entschieden den Kopf. „Die Familien sind sich einig, und ich habe dem Arnesberger mein Wort gegeben.“
„Dann ist also alles hoffnungslos!“, brachte Gerold mühsam hervor.
„Wer weiß“, antwortete das Mädchen leise, „wir sind noch jung und in Gottes Hand. Viel kann passieren.“
*
Als Egino und Frau Sigena am frühen Nachmittag zur Konradsburg zurückkehrten, wurden sie vom Herrn von Mansfeld und vierzig gerüsteten und berittenen Männern begleitet. Während die mansfeldische Mannschaft am Fuße der Burg ein Feldlager aufschlug, begleiteten Graf Hoyer und sein Knappe Wiprecht von Freckleben Sigena und Egino auf die Burg, um gemeinsam mit ihnen das Abendmahl einzunehmen.
Der Graf von Mansfeld begrüßte seine Nichten Mathilde und Margarete mit großer Herzlichkeit und reichte auch dem ihm unbekannten Gerold ohne jedes Zögern die Hand. Er war zwar von kleinem Wuchs, aber kräftig wie ein Bär und hart wie Eichenholz. Mit Ende dreißig stand er zwar nicht mehr ganz in der Blüte seiner Jahre, aber in seinen langen, dunkelblonden Haaren und in seinem rötlich schimmernder Bart war noch kein einziges silbernes Fädchen zu erkennen.
Da am kommenden Tag in aller Frühe zur Heimburg aufgebrochen werden sollte, fiel das Abendmahl recht kurz aus und die Männer und Frauen begaben sich diesmal schon sehr zeitig zur Ruhe.
Am nächsten Morgen saßen die Männer bereits beim ersten Hahnenschrei zum Kampf gerüstet in den Sätteln und sprengten aus dem Tor. Der Graf, Egino und Gerold setzten sich an die Spitze der reisigen Schar, die durch fünfzehn Konradsburger Krieger trefflich vermehrt worden war. Nach einem wahnwitzigen Gewaltritt, der die Kräfte von Pferden und Reitern gleichermaßen bis aufs Äußerste erschöpfte, trafen die Männer noch vor dem Dunkelwerden bei der Heimburg ein, wo sie vom Burgherrn und seiner Familie begeistert empfangen wurden.
Erfreut über den zahlreichen Zuzug wies Anno von Heimburg den Ankömmlingen in den geräumigen Gebäuden des unterhalb der Burg gelegenen Wirtschaftshofes trockene und saubere Unterkünfte zu und sorgte für eine reichliche Verpflegung.
Die Heimburger waren von der Missetat des Regensteiners so entrüstet, dass sie zu allem bereit waren und die Felsenburg Poppos lieber heute als morgen angegriffen hätten.
Dies galt natürlich auch für Otto von Konradsburg, dem Anverlobten der entführten Mechthild, der beim Gedanken an das, was seiner Braut alles widerfahren konnte, wahre Höllenqualen litt. Er hielt die Ungewissheit über das Schicksal Mechthilds kaum noch aus und drängte auf ein schnelles Handeln.
So versammelten sich die Adligen ohne jeden Verzug in dem größten Raum des schönen Fachwerkhauses, in dem der Burgherr und seine Angehörigen wohnten, zur Beratung.
Nach einer Weile fruchtlosen Pläneschmiedens meldete sich plötzlich der Jüngste in der Runde zu Wort.
„Verzeiht, ihr Herren“, begann Gerold von Falkenburg, „wenn ich es wage, in dieser Runde von erfahrenen, kampferprobten Männern zu sprechen, aber mir ist da ein Einfall gekommen, der uns vielleicht weiterhelfen könnte.“
Einen Augenblick herrschte überraschtes Schweigen, dann machte Herr Anno eine aufmunternde Geste in Richtung des Falkenburgers. „Nur zu, junger Mann, sprecht frei von der Leber weg. Wir hören Euch zu.“
Zuerst noch etwas stockend, doch dann schnell immer sicherer werdend, begann Gerold vor den erstaunten Kämpen seinen Plan zu entwickeln, den er während des vergangenen Abends und während des langen Rittes zur Heimburg bis in alle Einzelheiten ausgeheckt hatte. „Da wir, wie es hier auch schon gesagt worden ist, den Regenstein auch mit unseren vielen Kriegern kaum erstürmen können, müssen wir zu einer List Zuflucht nehmen. Dazu habe ich mir folgendes gedacht: Wir bereiten noch heute zwei Bauernwagen vor, ganz so, als ob wir auf ihnen Verwundete fortschaffen wollen. Noch in dieser Nacht bringen wir diese in Richtung Halberstadt, bis zum Hoppelberg, wo wir außer Sicht der Turmwächter des Regensteins sind. Von unseren verfügbaren Kriegern begleiten etwa ein Dutzend die Wagen, die anderen begeben sich morgen früh in den Wald gegenüber dem Aufgang zum Regenstein und halten sich dort versteckt.
Am darauffolgenden Mittag schicken wir einen Boten zum Regensteiner mit der Nachricht, dass ein verwundeter Edelmann, ein Graf von … Irgendwas, am besten wäre eine möglichst weit weg von hier liegende Grafschaft, der mit einigen seiner Miles bei einem Kampf gegen die Wenden zu Schaden gekommen ist, um eine Unterkunft für die Nacht ersucht.
Damit man unsere List nicht durchschaut ist es wichtig, dass nicht nur der Bote, sondern auch die Männer mit den Wagen von Osten, also aus Richtung des Wendenlandes kommen.
Natürlich werden auf den Wagen keine wirklichen Verwundeten oder Kranken liegen, sondern gesunde, kampfbereite Männer. Rechnen wir zu dem angeblich kranken Grafen, der natürlich allein auf dem Gefährt liegen muss, noch zwei Fuhrleute und zwei berittene Begleiter dazu, und verstecken wir im Stroh, mit dem wir den Karren reichlich auspolstern, noch einmal zwei Männer, dann haben wir schon beim ersten Wagen sieben Krieger. Beim zweiten könnten es sogar drei oder vier „Verwundete“ sein. Dass es unbedingt zwei Wagen sein müssen, liegt daran, dass der Regenstein, wie mir Herr Egino berichtete, von zwei Toren gesichert wird, dem Tor der Vorburg und dem der Hauptburg.
Wenn uns der Burgherr erlaubt, die Nacht auf dem Regenstein zu verbringen - und wie könnte er diese Hilfeleistung einem Höherstehenden verweigern - dann fahren wir mit dem ersten Wagen durch das Tor der Vorburg und weiter bis zum Tor der inneren Burg. Den Abstand zwischen den Wagen müssen wir so halten, dass in dem Augenblick, in dem der zweite Wagen den Torgang des vorderen Tores erreicht, der erste Wagen geradewegs vor dem Tor der Hauptburg steht.
Sobald wir mit unseren beiden Wagen bei den Toren sind, fallen wir über die Wachen her und rufen mit einem Hornsignal unsere Männer aus ihrem Waldversteck zu Hilfe.
Bis die Verstärkung heran ist, müssen wir die Tore gegen die Regensteiner halten, danach stürmen wir alle gemeinsam die Hauptburg.“
Der Graf von Mansfeld war der Erste, der die nachdenkliche Stille, die Gerolds Worten folgte, durchbrach. „Das ist großartig!“, rief er dröhnend und schlug mit der Hand auf den Tisch. „Ganz gleich, welcher Engel oder Teufel Euch diesen Plan eingegeben hat, er ist großartig!“
Auch Abbo, der Sohn Annos von Heimburg, war sofort Feuer und Flamme. „Wenn du erlaubst, Vater, dann lasse ich sogleich zwei Bauernwagen in der von Herrn Gerold beschriebenen Weise zurechtmachen.“
„Und ich“, verkündete der Mansfelder und klopfte sich an die Brust, „spiele den kranken Grafen, und zwar den