„Also?“, fragte der Burgherr, „was sagst du, meine Schönste? Wirst du mit mir vor den Altar treten? Es ist alles vorbereitet, noch in dieser Nacht kannst du als mein Weib bei mir liegen.“
„Niemals“, schleuderte Mechthild dem selbstzufrieden grinsenden Mann entgegen, „niemals werde ich einem so widerlichen Räuber wie Euch die Hand zum ewigen Bunde reichen!“
„Du wirst es, oder ich werde dich ins Verließ werfen und dich solange hungern und frieren lassen, bis sich dein starrer Sinn gebeugt hat. Du wirst mit mir vor den Altar treten, so wahr ich Poppo von Regenstein bin.“
Mechthild warf stolz ihren Kopf in den Nacken. „Eher will ich in eurem Kerker Hungers sterben, als Euch ein Leben lang anzugehören. Schon die Vorstellung das eure Hände mich berühren, bereitet mir unausstehlichen Ekel!“
„Dann soll es so geschehen, wie du es willst“, zischte Poppo mit vor Wut kreidebleichem Gesicht. „Du wirst dein kaltes Verließ erst wieder verlassen, wenn du handzahm geworden bist und mich auf Knien anflehst, dich zum Weibe zu nehmen!“
Er rief die Wache und befahl ihr, die nun doch etwas blass gewordene Jungfrau ins Burgverlies zu werfen. Die Knechte packten Mechthild derb an den Armen und zogen die Halbohnmächtige mit sich fort.
Der Regensteiner schnaufte missmutig und stürzte einen Becher Wein in sich hinein.
„Verdammte Metze“, knurrte er verbittert, „ich werde dich schon kirre kriegen, so wahr ich Poppo von Regenstein heiße!“
*
Der langgezogene Ruf eines Urhorns riss Gerold aus dem Schlaf. Er richtete sich auf und sah sich um. Das oberste Stockwerk des Wohnturms, in dem ihm Mathildes Mutter am gestrigen Abend eine mit Fellen bedeckte Bank als Lager zugewiesen hatte, lag noch weitgehend im Dunkeln, doch hinter den schmalen Fenstern stand schon eine Spur von Helligkeit.
Bevor der Turmwächter, der auf der Plattform des Burgos seinen Dienst versah, seinem ersten Weckruf einen zweiten folgen ließ, warf Gerold die Decke zur Seite und stand auf. Gähnend ging er zu einem der Fenster, hob den mit Schweinsblase bespannten Laden aus der schmalen Maueröffnung und schaute hinaus.
Draußen war es bereits taghell, der Himmel zeigte sich in einem durchscheinenden feinen Türkis. Ein herrlicher Frühlingstag kündigte sich an. Durch das nach Westen zeigende Fenster fiel der Blick des jungen Mannes auf das hinter waldbedeckten Hügeln und Bergen mächtig emporragende Massiv des Brockens, dessen Spitze noch im Wolkendunst verborgen lag.
Nachdem Gerold den majestätischen Anblick einige Augenblicke lang in sich aufgenommen hatte, ging er wieder zu seinem Lager zurück und kleidete sich an. Er war gerade dabei, in seine Stiefel zu schlüpfen, als er hörte, dass jemand schnellen Schrittes die hölzerne Treppe heraufgestiegen kam. Kurz darauf erschien der Kopf Mathildes in der Treppenluke.
„Guten Morgen“, rief sie fröhlich, „darf ich unseren Gast zum Morgenmahl bitten?“
„Ich komme.“ Schnell schloss Gerold seinen Schwertgurt und folgte Mathilde in die zwei Stockwerke tiefer gelegene Halle, in der er am vorigen Abend mit den Konradsburgern zusammengesessen hatte.
Die Familie Mathildes war bereits um die große Tafel versammelt. Das Fräulein führte Gerold zu einem freien Stuhl neben dem ihren.
Eine Magd tischte warmen, mit Honig gewürzten Brei auf, dazu gab es Brot, Schinken und Frischkäse. Bier und frische Milch standen in bauchigen Krügen bereit.
Mathildes Brüder und ihre Mutter hatten es eilig, sobald sie sich einigermaßen gesättigt hatten, verließen sie die Tafel, um nach Mansfeld und zur Heimburg aufzubrechen.
Mathilde hingegen ließ sich reichlich Zeit mit dem Essen und Gerold, der so unversehens mit der Jungfrau allein geblieben war, erfreute sich insgeheim am Anblick ihres hübschen Gesichts und an ihren ungezwungenen, natürlichen Bewegungen.
Plötzlich flog der schwere Vorhang, der die Halle vom Treppenflur schied, zur Seite und herein wuselte ein kleines, blondes Etwas, ein Kugelblitz, der mit atemberaubender Geschwindigkeit um Gerolds Stuhl wirbelte. Als der Irrwisch endlich zur Ruhe kam, schaute Gerold in ein von seidigen, hellblonden Haaren umrahmtes, niedliches Gesichtchen, aus dem ihn ein Paar leuchtendblauer Augen prüfend ansah.
„Du bist das“, sagte das hübsche Kind schließlich.
„Wer bin ich denn?“, fragte Gerold zurück.
„Du bist der“, sagte die Kleine, „der meine Schwester, die Mathilde, vor den bösen Männern gerettet hat.“
„So, und wer hat dir das erzählt?“
„Na, die Friderun.“
„Und wer ist die Friderun?“
„Na die Amme, wer sonst.“
„Und wer bist du?“
„Ich bin die Margarete“, erklärte die Kleine hoheitsvoll. Dann stieß sie den jungen Burschen an. „Du, heb mich mal zu dir hoch.“
Gerold fasste die kleine Person, die nur ein leinenes Hemd trug, unter die Achseln und stellte sie mit ihren nackten Füßen auf seine Oberschenkel. Margarete sah ihn durchdringend an, dann streckte sie ihren Arm aus und streichelte Gerolds leicht stopplig gewordene Wange. „Du“, sagte sie schließlich mit großem Ernst, „wenn ich groß bin, dann heirate ich dich.“
„Ho ho“, lachte Gerold, „du machst die Sache aber schnell ab.“
„Jaaaa, das ist doch ganz einfach. Die Mathilde, die kann dich nicht heiraten, die ist schon einem Ge… Ge… mahl versprochen.“
Gerold spürte einen Stich in der Brust. Er sah zu Mathilde. Die nickte und sagte: „Ja, das stimmt. Ich bin dem Arnulf von Arnesberg versprochen. Seit zwei Jahren schon.“
„Arnesberg “, wiederholte Gerold, nur um etwas zu sagen, „das liegt doch nicht weit von unserer Burg entfernt.“
„Siehst du“, mischte sich die kleine Margarete ein, „also heiratest du mich, wenn ich groß bin.“
„Hmm“, machte Gerold, „aber wenn du groß bist, dann bin ich alt und grau.“
„Ach, das macht nichts, der Ge… Ge…„
„Gemahl“, half Gerold aus.
„Der Mahl von Mathilde ist auch schon alt. Und hat schon ein paar graue Haare und außerdem fehlt ihm ein Zahn, hier vorne …“ Sie riss ihren Mund weit auf und zeigte auf ihre kleinen weißen Zähne.
„Margarete!“ Eine ältere Frau mit einer großen Haube auf dem Kopf betrat die Halle und sah sich suchend um. „Margarete, wo bist du denn schon wieder, du Wildfang?“
„Hier bin ich Amme, bei meinem zukünftigen Gemahl“, rief die Kleine fröhlich.
„Grundgütiger“, stöhnte die Frau mit der Haube, „dieses Teufelchen bringt mich noch mal ins frühe Grab.“
„Lass es gut sein, Friderun“, rief Mathilde lachend, „unser süßes Gretchen ist doch so eine Liebe, der man einfach nicht böse sein kann!“ Sie nahm ihre kleine Schwester von Gerolds Schoß, drückte sie an sich und wirbelte mit ihr durch den Raum.
„Genug, genug Mathilde“, rief die Amme, „du machst mir ja das Kind noch ganz wirr im Kopf.“ Sie nahm die von Mathilde wieder auf den Boden gesetzte Margarete bei der Hand und zog sie mit sich aus der Halle.
„Hast du noch mehr solche lieben, jüngeren Geschwister?“, fragte Gerold lächelnd.
„Nur noch einen zwölfjährigen Bruder, aber der ist zurzeit als Jungherr beim Mansfelder zur Ausbildung in den Tugenden eines Miles.“
Nachdem sie mit gutem Appetit gegessen hatte, schob Mathilde ihren Teller von sich, tupfte sich den Mund mit einem Leinentüchlein ab und sah Gerold erwartungsfreudig an. „Und was machen wir jetzt, mein