Fixin. Rayton Martin Villa. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rayton Martin Villa
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347108936
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      Der zugrundeliegende Effekt war schon vor Jahrzehnten im Pazifik entdeckt worden, lange vor dem Eintreten der Klimakatastrophe. Es gab dort schon seit Jahrtausenden eine periodisch auftretende warme Strömung zwischen West- und Ostpazifik, die weltweit schon immer starke Auswirkungen auf das Wetter hatte.

      Sie gab nämlich die zuvor über Jahre aufgenommene Wärmeenergie immer wieder stoßweise innerhalb von wenigen Wochen an die Atmosphäre ab, was als El-Niño-Ereignis bekannt geworden war. Dieses führte etwa alle vier bis sechs Jahre auf der ganzen Erde zu extremen Dürren, Waldbränden und gewaltigen Überschwemmungen, verbunden mit enormen Missernten.

      Die Menge an Wärmeenergie, die auf diese Weise vom Pazifik an die Atmosphäre abgegeben wurde, hatte in den letzten Jahren stark zugenommen. Luftströmungen verteilten die freigesetzte Wärme, was weltweit zu immer katastrophaleren Wetterlagen führte, zumal ähnliche Effekte immer häufiger auch in anderen Regionen der Ozeane auftraten.

      Das heutige Ereignis in London war eine direkt Folge davon. Jetzt, wo eigentlich jeder die katastrophalen Auswirkungen sehen konnte, war es für Gegenmaßnahmen natürlich viel zu spät.

      Man hätte viel früher erkennen müssen, wie leicht sich der Lauf von Meeresströmungen verändern konnte. Diese waren alle Teil des globalen Strömungssystems, das aus großen Hauptströmungen und vielen Nebenströmungen bestand.

      Seine treibende Kraft hatte darin bestanden, dass ein Teil dieses Systems, der sogenannte Golfstrom, weit im Nordatlantik als sogenannter Nordatlantikstrom von der Meeresoberfläche in die Tiefe sank und auf die Wassermassen hinter sich einen gewaltigen Sog ausübte, der sich weltweit auf alle Meere auswirkte.

      Die Ursache für das Absinken bestand aus mehreren Faktoren. Erstens war das Wasser des Golfstroms anfangs sehr warm, denn es wurde im Golf von Mexiko stark aufgeheizt. Dadurch verdunstete es besonders leicht, was dazu führte, dass es immer salziger und damit schwerer wurde.

      Zweitens kühlte es sich auf seinem Weg in Richtung Norden bis in die Polarregion immer mehr ab, was sein Gewicht weiter erhöhte, sodass es schließlich zwischen Grönland und Island schnell in die Tiefe sank.

      Am Meeresboden angekommen kam ein dritter Faktor hinzu, denn dort war der Meeresboden wie ein überdimensionales Flussbett geformt. Es war so riesig, dass selbst der Amazonas in Südamerika, der größte Fluß der Erde, im Vergleich wie ein Rinnsal erschienen wäre.

      So kanalisiert und weiter durch Gefälle beschleunigt, stürzte das schwere Wasser anschließend noch über eine Felsstufe weitere dreitausend Meter in die Tiefe. Dort strömte es am Ende weiter nach Süden, was den Sog auf den Golfstrom an der Meeresoberfläche und alle Wassermassen dahinter stabilisiert hatte.

      Doch dieser Antriebsmechanismus existierte nicht mehr.

      Er war durch den zunehmenden Treibhauseffekt aufgrund der Nutzung von Erdöl, Kohle und Erdgas zerstört worden. Das dabei freigesetzte Kohlendioxid hatte zu einer Erwärmung der Erde in einem Maße geführt, dass immer größere Mengen an Schmelzwasser aus dem abtauenden Eisschild Grönlands und den Permafrostböden der Arktis ins Nordpolarmeer flossen. Der Salzgehalt des Golfstroms war dadurch immer mehr verdünnt worden, wodurch sein Wasser immer leichter wurde. Es sank daher über die Jahre immer langsamer in die Tiefe, wodurch wiederum sein Sog auf die nachströmenden Wassermassen nachließ. Im Jahr 2039 brach die Strömung dann vollkommen zusammen, was weltweit verheerendste Folgen hatte. Insbesondere, dass das sehr warme Wasser des Agulhasstroms aus dem Indischen Ozean an der Südspitze Afrikas nicht mehr in den Atlantik abgelenkt wurde, sondern stattdessen einfach geradeaus auf die Antarktis zuströmte, was deren Eismassen in unvorstellbarem Tempo abschmelzen ließ, war die allergrößte Katastrophe.

      Dieses schlimmstmögliche Szenario war unverständlicherweise nie simuliert worden, obwohl es eine direkte Folge des schwächer werdenden Antriebs des weltumspannenden Strömungsbandes war.

      In Julie stieg Wut auf, auch wenn sie gerade dabei war einzuschlafen.

       Wie hatte man das alles nur übersehen oder einfach so

       hinnehmen können? Alle wussten doch, dass der Antrieb

       nachließ.

       …..

       Die Welt geht unter!

      Wieso es der Menschheit in ihrer Gesamtheit nicht gelungen war, diese Entwicklung zu verhindern, hatte sie nie verstanden. Schließlich waren die kritischen Kipppunkte und Strömungsgeschwindigkeiten von Wissenschaftlern erforscht und immer wieder öffentlich dargelegt worden.

      Erste Traumbilder entstanden vor ihrem Auge, begleitet vom Tosen und Donnern des Sturms und der Böen.

      Sie schwebte in der Tiefe des Ozeans, umgeben von dessen schwarzblauer Dunkelheit. Unter ihr stürzte ein gigantischer Wasserfall glasklaren Wassers auf der Breite von hunderten Niagarafällen über eine senkrechte Felskante in die unendliche Tiefe. Der Sog des Wassers ergriff sie und obwohl sie mit all ihrer Kraft versuchte, zur Oberfläche aufzutauchen, wurde sie immer schneller auf den Abgrund zugetrieben. In freiem Fall verschwand sie in der Finsternis.

      Völlig durchnässt vom Angstschweiß riss sie die Augen auf. In der sie umgebenden Dunkelheit dauerte es einen Moment, bis sie sich über die Situation klar wurde. Der Orkan tobte immer noch und gab ihr Klarheit darüber, dass sie nur einen schlimmen Traum gehabt hatte.

      Einmal wachgeworden, fand Julie jetzt keinen Schlaf mehr. Obwohl ihr wieder Bilder des riesigen Wasserfalls erschienen, musste sie gleichzeitig an die aktuellen Bilder denken, die sie erst vor wenigen Tagen von der Antarktis gesehen hatte. Forschungsteams waren vor Ort gewesen und hatten die unvorstellbaren Ereignisse dokumentiert.

      Eisberge von hunderten Metern Höhe brachen im Sekundentakt von den Rändern kilometertiefer Eiscanyons ab und stürzten in die riesigen, weiß schäumenden Schmelzwasserströme, die unten zu den Küsten hin donnerten.

      Im Meer angekommen ließen sie den Meeresspiegel inzwischen weltweit durchschnittlich einen Meter pro Jahr ansteigen.

      Julies Gedanken kreisten weiter diffus um die eigene Zukunft. Die Ereignisse in London heute würden sie zwingen, ihr Leben vollkommen neu auszurichten. Die Küstenregionen weltweit würden in den nächsten Jahren auch im Meer versinken und waren nicht mehr zu retten.

      Wie die Folgen unter den dann herrschenden chaotischen Zuständen für hunderte Millionen Menschen zu bewältigen sein sollten, konnte sie sich nicht vorstellen. Schon in den vergangenen Jahren waren die wirtschaftlichen Verhältnisse für immer mehr Menschen existenzbedrohend geworden und es war klar, dass ab nun alles noch viel schlimmer werden würde.

      Julie wünschte sich fast, morgen gar nicht mehr aufzuwachen. Auf das Äußerste erschöpft sank sie doch noch in den Schlaf.

      9. Februar 2203

      Südamerika / Südatlantik / Isla Deceit

      Das riesige Sub war seit gut sechs Stunden in völliger Finsternis in dreihundertfünfzig Metern Tiefe unterwegs.

      Es näherte sich jetzt seinem Ziel und würde zum Aufstieg an die Meeresoberfläche in wenigen Minuten seinen Antrieb drosseln, um sich vom gewaltigen Wasserwiderstand abbremsen zu lassen. Seine Reisegeschwindigkeit hatte enorme einhundertfünfzig Stundenkilometer betragen. Dies war nur aufgrund seines besonders starken Fusionsantriebs möglich, der den großen Langstrecken-Subs der Pole-Klasse vorbehalten war. Mit zweihundert Metern Länge waren sie die größten Transportmittel überhaupt.

      Die letzten Kilometer im flachen Wasser vor der Insel würde es im Cruise-Modus mit fünfundzwanzig Stundenkilometern zurücklegen.

      Es war an den FF-Labs auf Finistere gestartet, der Insel, auf der im Rahmen des Fixin-Projekts in den Bereichen Flora und Fauna sowie über 'Ethische Gene' geforscht wurde und die als nördlichster Außenposten Antarktikas Südamerika am nächsten war.

      An Bord befand sich nur ein einziger Mensch, Jerik Morrisant, der leitende Nature-Scientist dieser Forschungseinrichtungen und Initiator dieser Expedition.

      Er