„Und dann gibt es Whisky, den ich bezahle!“, brüllte der Rancher.
John Slade blickte suchend über die Galerie, soweit er sie überblicken konnte. June Silver stand unten auf der Treppe und lächelte, seit das Wort vom Whisky erklungen war. Von Ina war nichts zu sehen. John fragte sich, ob sie die Waffen schon in den Stall gebracht und die Pferde gesattelt haben konnte und bereits in ihrem Zimmer war.
„Wenn ihr meine Würde als Richter missachtet, breche ich die Verhandlung ab!“, rief Josuah Baile.
„Nein, nein, Euer Ehren!“ Bronson lachte polternd. „Fahren Sie nur fort, Euer Ehren!“
Baile hustete und blätterte in seinem Buch. „Nach dem Gesetz muss einem Beschuldigten die Tat nachgewiesen werden. Und zwar lückenlos. Der Marshal hat aber ausgesagt, dass sie auf der Ranch keine Spuren fanden. Die Beschuldigten sind auch von Vera Bronson und dem Vormann nicht als die Banditen erkannt wurden. Wir brauchen …“
Der Vormann gähnte so laut, dass Baile abbrach. Dann sagte Flint Hollag, der Vormann: „Der langweilt mich so sehr, dass ich gleich einschlafe, Boss.“
John blickte wieder zur Wand hinauf, weil es ihm war, als würde sich an der Wand zwischen den Türen etwas bewegen. Da sah er Ina Gillams Gesicht. Sie schien ihm zuzunicken, schob sich weiter und verschwand. Lautlos bewegte sich auf der Galerie eine Tür und schloss sich wieder.
„Euer Ehren, Ihre Zuhörer langweilen sich“, sagte Bronson grinsend.
„Dann seht mal her, vielleicht macht euch das munter!“, rief John scharf.
Sie warfen die Köpfe herum und sahen das mörderische Gewehr auf sich gerichtet.
„Na los, die Hände hoch!“, rief John schroff. „Wird’s bald, Bronson?“
„Verdammt, der macht keinen Spaß!“, zischte ein Cowboy.
„Niemand verlässt seinen Platz!“, rief John. „Bronson, ich zähle bis drei! – Eins …“
Bronson und die Männer auf der Theke hoben die Hände über die Köpfe.
„Los, haut ab und seht zu, dass ihr Land gewinnt!“, rief John.
Die drei fremden Männer sprangen von den Stühlen vor der Theke auf und rannten hinaus.
„Marshal, das ist ungeheuerlich“, sagte der Friedensrichter. „Sie maßen sich Rechte an, die Sie nicht haben!“
„Heben Sie die Hände, Euer Ehren!“, gab John kalt zurück.
Der Friedensrichter hob die Hände über den Kopf. „Das ist ungeheuerlich! Das werde ich Ihren Vorgesetzten in Cheyenne melden, Marshal!“
Draußen waren die Schritte der drei Männer bereits verklungen.
Flint Hollag blickte über die Schulter.
„Bis hinter die Theke kommst du nicht“, sagte John. Er versuchte, sie alle im Auge zu behalten, weil er nicht genau wusste, wie verrückt sie darauf waren, das zu tun, was Bronson wollte.
„Das bricht Ihnen das Genick, Marshal“, sagte der Rancher. „Dafür werde ich sorgen!“
Plötzlich sprang der Vormann von der Theke und warf sich zu Boden. John konnte ihn nicht mehr sehen. Bronson blickte hinunter zu dem Mann.
„Sagen Sie ihm, dass ich auf euch schieße“, sagte John gepresst.
„Was haben Sie sich eigentlich dabei gedacht?“, knurrte Bronson. „Hier geht doch alles nach dem Gesetz zu, dem Sie dienen sollen, Mann!“
„Ihrem Gesetz kann ich nicht dienen, Bronson. – Sagen Sie Hollag, er soll aufstehen und die Hände heben!“
„Wenn Sie seinetwegen auf uns schießen, muss Euer Ehren Sie aufhängen lassen!“, zischte der Rancher. „Das wissen Sie hoffentlich.“
John Slade brach langsam der Schweiß aus, lief ihm über das Gesicht, den Hals, den Rücken und die Brust. Er wusste, dass er auf niemanden schießen würde, weil es dafür keine Handhabe für ihn gab, aber er hoffte, dass er sie doch noch eine Weile hinhalten und bluffen konnte.
Flint Hollag war immer noch nicht aufgetaucht.
John bewegte sich langsam auf die Stuhlreihen zu.
Da sprang Hollag mit dem Revolver in der Hand vor ihm auf.
John schlug mit dem Gewehr zu. Die Läufe trafen den Vormann gegen die Schulter und warfen ihn auf eine Frau, die einen gellenden Schrei ausstieß.
Da sprangen sie alle gleichzeitig von der Theke und fielen über ihn her. Er schlug den ersten mit dem Gewehr nieder, dann fiel ihm die Waffe aus der Hand und ging mit einem solchen Donner los, dass er meinte, es würde den Saloon in Fetzen reißen. Das gehackte Blei fuhr neben der Theke in die Wand und verletzte niemanden.
John sah ein verzerrtes Gesicht vor sich, wollte zuschlagen und bekam eine Faust ins Gesicht. Er flog zurück, verlor den Halt und stürzte zu Boden. Der Cowboy wollte sich auf ihn werfen, aber John fing ihn mit den angezogenen Füßen auf und streckte sich mit aller Kraft. Der Kerl flog schreiend zurück und gegen den nächsten.
Kreischend waren Frauen aufgesprungen. Männer schrien wüst durcheinander.
John sprang auf und warf sich dem Rancher entgegen. Aber als er zuschlagen wollte, traf ihn Hollags Faust von der Seite gegen die Schläfe. Er taumelte gegen die Wand, hatte das Gefühl zu schweben und stürzte auf die schmutzigen Dielen zurück. Ein Tritt traf ihn, er wurde aufgehoben, mit dem Rücken gegen die Wand geschleudert, und vor ihm war Bronsons vom Hass verzerrtes Gesicht.
„Darüber reden wir noch, Freundchen“, zischte der Rancher und schlug zu.
John Slade bekam den Schlag mitten ins Gesicht. Jäher Schmerz zuckte wie Feuer durch seinen Körper, in seinem Kopf schien etwas zu explodieren, und das hassverzerrte Gesicht des Ranchers tauchte in einer schwarzen Wand unter. Wie er zu Boden stürzte, merkte John Slade nicht mehr.
Fluchend trat der Rancher zurück. Zwei seiner Männer waren schon hinausgelaufen. Einer schrie: Da hinten reiten sie, Boss!“
„Los, alle mitkommen!“, bellte Bronson und stürmte hinaus.
*
Er wälzte sich stöhnend herum, öffnete die Augen und sah Inas Gesicht verschwommen über sich. Das Mädchen lächelte ein wenig.
John Slade blickte weiter, erkannte eine weiße Decke, eine Lampe, die an einer Schnur aus großen Perlen hing, und dann das mürrische Gesicht des Keepers.
„Sie müssen doch von allen guten Geistern verlassen worden sein“, sagte McDowell finster.
John hob die Hände und rieb sie über das immer noch schmerzende Gesicht.
„So was macht doch nur ein Verrückter!“, schimpfte der Salooner.
„Ich weiß gar nicht, was Sie haben, Boss“, sagte das Mädchen. „Den Männern war doch der Überfall offensichtlich nicht nachzuweisen. Die hätte man gehenkt, ohne zu wissen, ob sie es auch wirklich gewesen sind!“
„Das ist Männersache, verstanden!“, knurrte der Keeper.
John rieb sich wieder den Kopf. „Etwas leiser reden könnten Sie schon, McDowell.“
„Sie werden schon sehen, was Sie davon haben!“, zischte der Keeper. „Warten Sie nur, bis Bronson zurückkommt!“
Er fluchte wütend, ging zur Tür und verließ das Zimmer.
John setzte sich stöhnend auf und sah sich um. Er war in Inas Zimmer, einem geräumigen Raum mit dunklen Tapeten an den rauen Holzwänden, einem Schrank, einem Frisiertisch mit verschnörkeltem Goldrahmenspiegel und anderen Gegenständen.
John stand auf, schleppte sich bis zur Waschschüssel, tauchte die Hände in das laue Wasser und wusch sich vorsichtig das Gesicht.
Ina