Er kam einen Schritt vor und zuckte mit den Schultern.
"Wo wir schon bei effektvollen Auftritten sind, Follet... Sie stehen mir in dieser Hinsicht ja wohl nicht nach! Glauben Sie vielleicht, ich käme ohne Grund?"
Bridger runzelte die Stirn.
"Was soll das heißen?"
Arthur Dickson holte eine Zeitung unter dem Arm hervor und warf sie auf das Bett.
Bridger holte tief Luft.
"Vielleicht erklären Sie mir mal...
"Heute schon Zeitung gelesen?"
"Nein."
"Es ist ein schönes Bild von Ihnen drin!"
"Was?"
"Ja. Eine Phantomzeichnung. In der Regel ist auf solchen Dingern ja nicht allzuviel zu sehen, aber wegen Ihrer Narbe ist das in diesem Fall etwas anderes..."
"Aber...", Bridger stockte und schüttelte energisch den Kopf.
"Das ist doch völlig unmöglich!"
"Jemand muss Sie gesehen haben, als Sie Brady erschossen haben!"
"Nein!"
"Stecken Sie nicht den Kopf in den Sand, Mann!" Bridger dachte an die Frau, die ihn so angestarrt hatte. Es war ihm unmöglich gewesen, das richtig zu deuten, aber jetzt verstand er...
Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen!
Und er begriff auch, dass ihn bald noch mehr Menschen anstarren würden, wenn er sich auf der Straße zeigte.
"Wie ist es übrigens heute gelaufen?", hörte er dann Dickson fragen.
Bridger nahm es kaum wahr.
32
Sie hatten eine ganze Weile lang geschwiegen. Dickson wollte seinem Gegenüber etwas Zeit geben, um die neue Lage zu verarbeiten. Blieb nur zu hoffen, dass der Mann mit der Narbe auch die richtigen Konsequenzen zog.
"Wie geht es jetzt weiter?", fragte Dickson.
"Es war nicht meine Idee, auch den jungen Mister Kostler auszuschalten, Mister Dickson!"
"Ja, das stimmt. Und? Sie sind gescheitert!"
"Ja, so kann man es nennen. Da war jemand, der plötzlich eine Pistole herausriss. Was sollte ich machen?"
Dickson zuckte mit den Schultern.
"Jedenfalls steht fest, dass es jetzt noch mehr Stories in den Zeitungen über Sie geben wird, Narbengesicht! Die Sache mit Mr. Kostler werde ich erledigen müssen, auch wenn das für mich nicht ohne Risiko ist. Aber ich denke, aus der Rechnung der Polizei und dieses Privatdetektivs Reiniger bin längst heraus...
"Tun Sie, was Sie für richtig halten, Dickson!" Dickson lachte freudlos.
"Nein, nicht, was ich für richtig halte, sondern was ich tun muss, um meine Zukunft zu sichern. Seit dieser Veruntreuungssache hat Miss Kostler mich quasi in der Hand und kann von mir verlangen, was sie will..."
"...und das wollen Sie nicht ewig mitmachen, nicht wahr?" Der Narbige nickte verständnisvoll. "Leuchtet mir ein. Es ist mir im Übrigen auch lieber, wenn ich um diese Sache nicht mehr zu kümmern brauche. Einer steht noch auf meiner Liste: O'Malley. Und wenn ich den erwischt habe, tauche ich endgültig unter." Aber damit schien Dickson ganz und gar nicht einverstanden zu sein.
"Vergessen Sie O'Malley!"
"Was?"
Der Mann der sich Bridger nannte, runzelte die Stirn und starrte Arthur Dickson ungläubig an. Dann meinte er: "Ich kann O'Malley nicht vergessen! Ich kann ihn ebensowenig vergessen, wie ich die anderen vergessen konnte!" Er deutete auf seine Narbe und sein Gesicht verzog sich zu einer grimmigen Maske.
"Das hier wird mich mein Leben lang an diese Männer erinnern, Dickson! Bis ans Ende meiner Tage! Haben Sie mich verstanden!"
Dickson blieb ruhig, seine Stimme hatte einen eiskalten Klang, als er antwortete.
"Ich hoffe, Sie haben mich verstanden!"
"Ich werde die Sache zu Ende bringen, davon hält mich niemand ab!"
"Unter den gegebenen Umständen ist das zu gefährlich!", meinte Dickson. "Ihr Phantombild steht in den Zeitungen und wenn man Sie schnappt, dann hänge ich auch mit drin!"
"Das ist Ihr Problem, Dickson!"
"Ist das wirklich Ihr letztes Wort?"
"Ja."
"Bedenken Sie, wer Sie aus der psychiatrischen Anstalt geholt hat, wer Sie versorgt hat, bis Sie wieder in der Lage waren, einigermaßen klar zu denken, wer für Sie ausgekundschaftet hat, wo sich die Männer befinden, die Ihnen soviel angetan haben." Bridger verzog den Mund zu einem zynischen Lächeln.
"Ganz ohne Eigeninteresse war das ja schließlich nicht, Mister Dickson! Sie sind kein barmherziger Samariter!"
"Gewiss nicht! Aber das gilt nur für Larry Kostler!"
"Und bei Miss Geraldine Kostler! Sie stand schließlich nicht auf meiner Liste!"
"Sie wäre Ihnen aber früher oder später ebenso gefährlich geworden wie mir! Nicht nur wegen des Privatdetektivs, den sie engagiert hat..." Dickson machte eine Pause und musterte sein Gegenüber abschätzig. "Was ist nun, tauchen Sie unter?"
"Ich habe Ihnen bereits geantwortet. Ich tauche unter, wenn O'Malley tot ist."
Dickson zuckte mit den Schultern.
"Wie Sie wollen! Dann gibt es wohl keine andere Lösung. Tut mir Leid, aber ich muss zuerst an meine eigene Sicherheit denken!"
Dickson machte eine schnelle Bewegung.
Bridger begriff nicht gleich. Im letzten Moment sah er dann die Schalldämpfer-Pistole in der Hand seines Gegenübers. Den Bruchteil einer Sekunde später blitzte ein grelles Mündungsfeuer. Ein dumpfes, hässliches Geräusch war zu hören, ein Geräusch, dass Bridger nur zu gut kannte.
Bridger hatte nicht im Traum damit gerechnet, dass Dickson eine Waffe herausreißen und auf ihn schießen würde... Aber nun war es geschehen und so musste sich Bridger blitzschnell zur Seite werfen.
Arthur Dickson war kein besonders guter Schütze, selbst auf diese kurze Entfernung nicht.
Der Schuss verfehlte Bridger knapp und schlug hinter ihm in die Wand, wo das Projektil ein Loch riss.
Bridger rollte sich am Boden herum, während eine weitere Kugel dich neben ihm in den Boden ging.
Dann hatte er seine eigene Waffe hochgerissen und augenblicklich abgefeuert... Arthur Dickson stieß einen unterdrückten Schrei aus und wurde nach hinten gerissen, so dass er gegen das Fenster prallte. Bridger hatte ihn mitten in der Brust erwischt und gab nun noch einen zweiten Schuss ab, der Dickson genau zwischen den Augen traf. Dickson war tot. Bridger atmete tief durch. Er hatte keine andere Wahl gehabt, aber nun fragte er sich, wie es weitergehen sollte. Zunächst einmal verschwinden!, dachte er. Er konnte hier möglich bleiben, nachdem dies hier geschehen war.
33
Als Bount Reiniger das CHEZ NOUS betrat, herrschte dort Dämmerlicht. Es war nichts los in jener Bar, die Joel Gardener gehört hatte - einem der Namen, die zu der Liste von Mordopfern gehörten, die der Killer mit der Narbe offenbar auf dem Gewissen hatte.
"Hey, ist da jemand?", rief Bount.
Es musste jemand da sein, denn die Tür war offen gewesen.
"Que quisiera, Senor?", war eine kehlige Frauenstimme