Mit der Linken packte ich ihn an der Hemdbrust und zerrte ihn auf die Beine. Der Stoff krachte, aber er hielt. „Lass es dir eine Lehre sein, mein Freund!“, stieß ich hervor. „Und nun setz dich auf dein Pferd, und dann verschwindet. Solltest du mir irgendwann noch einmal unangenehm auffallen, bringe ich dich nach Amarillo hinter Schloss und Riegel und du wirst die Stunde verfluchen, in der du dich mit mir angelegt hast.“
Bei dem Burschen schien der befreiende Atemzug gekommen zu sein. Die dunkle Farbe verlor sich aus seinem Gesicht, der entsetzte Ausdruck in seinen Augen machte einem gehässigen Funkeln Platz, und als es in diesen Augen verräterisch aufblitzte, war ich gewarnt. Ich versetzte dem Burschen einen derben Stoß, im selben Moment, als er das Knie hochzog, um es mir gegen eine sehr empfindliche Stelle zu rammen.
Der Stoß ging ins Leere, der Weidereiter strauchelte und ruderte mit den Armen, aber es gab nichts, woran er sich festhalten konnte, und so setzte er sich auf den Hosenboden. „Du dreckiger Bastard!“, heulte er auf.
Mit meiner Geduld war es zu Ende. Ich trat vor ihn hin, hielt ihm die Gewehrmündung gegen die Stirn und knurrte: „Tätlicher Angriff auf einen Bundesmarshal und Beleidigung, dazu kommt die Bedrohung der Neusiedler. Steh auf, dreh dich um und leg die Hände auf den Rücken. Sobald die Siedler ihren Grund und Boden abgesteckt und in Besitz genommen haben, bringe ich dich nach Amarillo.“
„Das lässt Thompson nicht zu!“, knirschte der Cowboy, erhob sich aber und wandte mir den Rücken zu. Ich fesselte ihn mit Handschellen. „Und ihr –„ rief ich den anderen Reitern der Triangle-S zu, „- verschwindet!“
Sie zerrten die Pferde herum, spornten sie an und gaben ihnen die Köpfe frei.
Die Siedler ließen die Waffen sinken, mit denen sie die Reiter bedroht hatten.
„Die Triangle-S Mannschaft wird nicht lange auf sich warten lassen“, prophezeite John Cassidy mit belegter Stimme. „Hätte ich geahnt, was für einen Ӓrger ich mir einkaufe, als ich den Vertrag unterschrieb, hätte ich sicherlich die Finger davon gelassen.“
Zustimmendes Gemurmelt erklang.
*
Ich fasste einen Entschluss und teilte ihn den Siedlern mit. „Wir warten nicht darauf, dass Porter Kelly seine Revolvermannschaft schickt“, gab ich zu verstehen. „Ich reite zu ihm und mache ihm einige Dinge klar. In eure Obhut übergebe ich diesen Dummkopf.“ Ich wies mit dem Kinn auf den gefesselten Cowboy, dessen Gesichtsausdruck man als verkniffen bezeichnen konnte. Seine Backenknochen mahlten.
„Der Boss wird dich mit der Peitschte von der Ranch jagen, Logan!“, giftete der uneinsichtige Bursche. „Vielleicht hetzt er aber auch Dave Thompson auf dich. Der wird dich aufgeblasenen Sternschlepper auf deine richtige Größe zurecht stutzen. Auf das Stück Blech an deiner Weste spuckt er.“
„Als ihr vor einigen Tagen den Heimstättern geraten habt, nicht zum Walnut Creek zu ziehen, wart ihr zu sechst“, konstatierte ich und schaute den Weidereiter scharf an. „Wer war der sechste Mann?“
„Dreimal darfst du raten.“
Ich nickte. „Schätzungsweise war es Dave Thompson persönlich. Na schön, nur noch eine Frage, mein Freund: Wie heißt du?“
„James Clark.“
„Gebt gut Acht auf den Burschen“, sagte ich an Cassidy gewandt. Dann ging ich zu meinem Pferd, das ich an das Fuhrwerk gebunden hatte, löste die Leine und saß auf. „Ihr könnt nach dem Mittagessen langsam weiterziehen“, rief ich. „Wir treffen uns an der Quelle des Walnut Creeks.“
Zum Zeichen dafür, dass er verstanden hatte, hob Cassidy die rechte Hand. Mit einem Schenkeldruck trieb ich mein Pferd an. Den Weg zur Triangle-S Ranch kannte ich. Es hatte in der Vergangenheit immer wieder Verdruss mit der Ranch gegeben. Sie war eine der Hauptranches der Panhandle Cattle Company, die ihren Sitz in Chikago hatte. Die Gesellschafter der Company lebten irgendwo im Osten der Staaten, teilweise sogar im Ausland.
Die PCC warf einen mächtigen Schatten im Panhandle. Die Ranchbosse schrieben oftmals ihre eigenen Gesetze und praktizierten sie. Sie waren mächtig, reich, unduldsam und autoritär, unerbittlich und oftmals skrupellos, wenn es galt, die Interessen der Gesellschaft durchzusetzen.
Nach fast drei Stunden Ritt erreichte ich die Ranch. Auf dem Weg hierher waren mir immer wieder Rudel von Rindern mit dem Brandzeichen der Triangle-S begegnet. Das Land, auf dem sie weideten, war Regierungsland.
Alles hier verriet Reichtum. Das Haupthaus war stöckig, aus Stein erbaut und wirkte protzig. In dem flachen Bunkhouse konnten wohl fünfzig Männer unterkommen. In drei Corrals tummelten sich an die hundertfünfzig Pferde. Es gab große Ställe und Scheunen, eine Reihe von Schuppen und eine Remise, in der sieben Fuhrwerke verschiedener Größe standen.
Aus Esse der Schmiede stieg Rauch. Helle Hammerschläge verkündeten, dass der Schmied bei der Arbeit war. Ich sah auch einige Ranchhelfer, die irgendwelche Tätigkeiten verrichteten. Das hohe Windrad beim Brunnen drehte sich leise knarrend und quietschend.
Die Helps hielten inne und beobachteten mich. Einer, der ein Corralgatter ausbesserte, warf den Hammer zu Boden und lief zu dem kleinen Gebäude, in dem das Ranch Office untergebracht war. Der Bursche verschwand durch die Tür.
Ich zügelte vor dem Haupthaus und saß ab, führte das Pferd zum Holm und schlang den Zügel um den Haltebalken. In dem Moment verließ ein hoch gewachsener Mann, der mit einer braunen Hose und einem grünen Hemd bekleidet war, das Ranch Office. Um seine schmalen Hüften lag ein Revolvergurt aus schwarzem Büffelleder. In den Schlaufen glänzten matt die Böden der Patronen. Im Holster an seinem rechten Oberschenkel steckte ein schwerer Coltrevolver.
Das war Dave Thompson. Er war Vormann auf der Triangle-S, er war aber auch Porter Kellys Kettenhund Nummer eins.
Ein bemerkenswerter Mann, der schwer zu durchschauen war. Von ihm ging etwas Raubtierhaftes aus. Niemand brauchte mir zu sagen, dass Thompson tödlich gefährlich war.
Ich wandte mich ihm zu. Er näherte sich mir mit kurzen, abgezirkelten Schritten. Sein Gesicht war unbewegt und verriet nichts von dem, was bei meinem Anblick hinter seiner Stirn vorging.
Von allen Seiten näherten sich nun auch die Ranchhelfer. Aus der Mannschaftsunterkunft traten vier Cowboys.
Zwei Schritte vor mir hielt der Vormann an, maß mich von oben bis unten, schürzte die Lippen und stieß hervor: „Sicher kommen Sie nicht grundlos auf die Triangle-S, Logan.“
Die Feindschaft, die von Thompson ausging, streifte mich wie ein heißer Atem.
„Ich bin mit fünf Siedlerfamilien auf dem Weg zum Walnut Creek“, versetzte ich. „Fünf Ihrer Leute stellten sich uns zwischen Pampa und der Quelle des Creeks in den Weg. Wie ihre Aktion endete, wissen Sie sicherlich, Thompson.“
„Das Land, auf dem sich diese Schollenbrecher ansiedeln möchten, nimmt die Triangle-S in Anspruch.“
„Es ist Regierungsland, und die Neusiedler haben Verträge mit der Regierung. Sie haben für das Land bezahlt, und sie haben vor, es fünf Jahre lang zu bewirtschaften, damit es endgültig in ihren Besitz übergeht.“
„Das interessiert mich einen feuchten Staub, Logan!“, sagte Thompson mit klirrender Stimme. „Als die Verträge geschlossen wurden, hätte die Triangle-S involviert werden müssen, denn ihre Interessen werden mit dem Verkauf des Landes stark tangiert. Man hätte der PCC ein Vorkaufsrecht einräumen müssen. Man hat das außer Acht gelassen.“
„Woraus leiten Sie diesen Anspruch ab?“, fragte ich kühl.
„Aus dem Recht der Gewohnheit. – Okay, Logan, spucken Sie aus, was Sie hergeführt hat. Ich kann es mir zwar denken, ich möchte es aber aus Ihrem Mund hören.“
„Das ist mit einem Satz gesagt, Thompson: Ich will, dass die Triangle-S die Neusiedler in Ruhe