„Nun, mein Sohn, wie fühlst du dich?“, schrie der Rancher. „Clint und Jared werden dir jetzt Gesellschaft leisten!“
Jay wollte den Kopf heben, aber es gelang ihm nicht. Doch er merkte, wie das Hämmern des Blutes in seinen Schläfen abzuklingen begann.
„Los, Zattig und Rule an den Holm!“, brüllte der Rancher.
„Nein – nicht!“, schrie Zattig aus Leibeskräften. „Boss, das darfst du nicht tun!“
„Halt die Schnauze!“
„Dazu hast du kein Recht!“, rief Jared Zattig. „Verdammt, warum helft ihr ihm! Lasst mich los! Ihr sollt mich loslassen!“
Ein scharfes Peitschenknallen, und Jared Zattigs gepeinigter Schrei, der in einem erstickten Wimmern unterging.
„Weiter, an den Holm mit ihm!“, befahl die schneidende Stimme Tetleys.
Von Zattig war nur noch ein Wimmern zu hören.
Jay Durango wusste, dass sie den Ranchhof erreicht haben mussten. Alles war umsonst gewesen, und nun hatte er auch Dave in die tödliche Falle verstrickt.
„Bindet Durango und Harmon los. Aber nicht die Handfesseln!“
Stiefel und die verstaubte Hose eines Mannes tauchten in Jays Blickfeld auf. Er hörte, wie ein Messer seine Fesseln zertrennte. Dann wurde ihm gegen den Kopf gedrückt, und er rutschte vom blanken Sattel des Pferdes. Mit den Beinen kam er auf dem Boden auf, taumelte und konnte sich nicht halten, weil seine Füße noch aneinandergebunden waren. Er fiel rückwärts, konnte den Sturz aber mit der Schulter abfangen, ehe sein Kopf auf den harten Boden fiel. So liegend sah er zwischen den Pferden hindurch den Zügelholm vor der Veranda des Hauses.
Dort hatte er das erste mal gehalten und den Rancher gesehen. Und dort stand jetzt Sean im zerfetzten Hemd, mit beiden Händen nach hinten an die blanke Stange gebunden.
Zattig, der neben ihm geschleppt worden war, wurde gerade angebunden.
Die Cowboys traten zurück.
„Nun Rule!“, befahl der Rancher, den Jay Durango nicht sehen konnte.
Es dauerte eine Weile, bis zwei Männer mit Rule kamen. Der Bandit wehrte sich verzweifelt und versuchte, seine Arme aus den Griffen der beiden zu befreien. Aber es gelang ihm nicht. Sie schleppten ihn an den Holm auf Seans anderer Seite. Ein dritter brachte Rohlederriemen, und Clint Rule wurde angebunden. Er versuchte, nach den Cowboys zu treten, und als er einen von ihnen traf, schmetterte der ihm die Faust ins Gesicht, dass Rules ganzer Oberkörper über den Holm nach rückwärts geworfen wurde.
„Das machst du nicht noch mal!“, zischte der Mann und trat zurück.
Die anderen ließen nun ebenfalls von den drei Gefesselten ab und traten auseinander.
Da tauchte der Rancher in Jays Blickfeld auf. Breitbeinig und wuchtig stand er vor seinen Gefangenen und schien seinen Sohn anzustarren. Doch dann wandte er sich jäh um und funkelte Jay Durango an.
„Ich will, dass nur noch seine Hände gefesselt sind!“, schrie er.
Zwei Männer schoben Jays Pferd zurück und hoben ihn dann auf. Einer zerschnitt Jay Durango die Fußfesseln. Sie ließen von ihm ab und zerrten Dave vom Pferd, um ihn neben Jay zu schieben.
„Nat, die Peitsche!“, rief der Rancher.
Jay Durango sah an Tetley vorbei dessen Sohn. Seans Gesicht war verschwollen und voll von blutunterlaufenen Flecken. Dunkle Schmarren zogen sich über seine Brust, die unter dem zerfetzten Hemd teilweise freilag.
„Du brauchst uns nicht vorzuführen, wie grausam du mit deinem eigenen Sohn sein kannst“, sagte Jay verächtlich und ganz bewusst so vertraulich, wie sie hier alle miteinander sprachen.
Nat Brock, der die Peitsche geholt hatte, blieb unentschlossen stehen.
„Sagt es dir nichts?“, knurrte der Rancher an Jay Durango gewandt.
Der schüttelte den Kopf.
„Gar nichts, Tetley. Es kann keine Gerechtigkeit ersetzen. Du kannst ihn prügeln, bis er tot ist, und dann hast du einen Verbrecher ermordet.“
„Durango, du bist verrückt!“, zischte Tobe Tetley.
Jay Durango schwieg.
Tetley blickte Nat Brock an, dann griff er sichtlich unentschlossen nach der Peitsche, die der ihm entgegenstreckte. Er wandte sich um.
„Nein!“, schrie Mandy Bacon. „Sean, bitte ihn, es nicht zu tun!“
Tetley hatte sich zurückgedreht.
„Er hörte nur auf sich selbst“, sagte Sean. „Er hat nie eine andere Stimme gelten lassen. Halte dir die Ohren zu und schließe die Augen, Mandy.“
Tobe Tetley fluchte, wirbelte herum und schlug zu. Das Mädchen schrie gellender als Sean, dessen Oberkörper über den Holm geschleudert wurde. Tetley hob die Peitsche und schlug wieder zu.
„Nein!“, rief das Mädchen. „Tut doch etwas! Steht doch nicht herum und seht zu, wie er ihn totschlägt!“
Die Männer schwiegen verbissen.
Tetley hob wie von Sinnen die Peitsche und schlug wieder auf Sean ein, bis der in die Knie brach und nur von seinen nach hinten gestreckten Armen gehalten wurde.
Rule und Zattig waren schneeweiß in den spitzen Gesichtern, in denen die Augen unnatürlich tief in den schwarzgeränderten Höhlen lagen.
Sean brüllte, als wäre ein Messer in seine Brust gefahren. Die langen Strahlen der im Westen stehenden Sonne ließen das frische Blut auf seinem Rücken glitzern.
„Willst du das noch einmal tun?“, schrie der Rancher.
„Nein!“, brüllte Sean aus Leibeskräften.
Tetley ließ die Peitsche fallen, drehte sich steif und kam auf Jay Durango zu.
Vor ihm blieb er stehen. Sein Gesicht war grau wie Asche. Schweiß schimmerte auf seiner Stirn.
„Haben Sie es gehört?“, fragte er steif. „Er wird es nie wieder tun. Ich werde dafür sorgen, solange ich lebe.“
„Und wenn Sie tot sind?“, fragte Dave. „Keiner hat das ewige Leben, Tetley.“
Tobe Tetley fuhr scharf zu Dave Harmon herum.
„Geht es Sie jungen Specht auch etwas an?“, knurrte er gereizt und nur mühsam beherrscht.
„Es geht ihn an“, sagte Jay Durango kühl. „Aber es geht nicht danach, wie lange Sie leben, Tetley, und was später sein wird. Gerechtigkeit lässt sich nicht aufschieben und nicht aufheben. Wenn Ihr Sohn sich auf diese Art der Verantwortung entziehen könnte, dann müssten es tausend andere Männer auf tausend andere Arten auch können.“
„Sie wollen nicht, Durango.“ Es arbeitete wild im Gesicht des Ranchers. „Hoffentlich wissen Sie wenigstens, dass es die letzte Chance war, die ich Ihnen geben kann.“
Jay Durango presste die Lippen, auf denen ihm der Staub brannte, zusammen.
„Sechs Mann umstellen die Ranch“, befahl der Rancher. „Nat, du teilst die Wachen ein. Wer die Ranch verlassen will, wird angerufen. Wer nicht antwortet, wird erschossen.“
„In Ordnung, Boss“, knurrte Nat Brock mit einem Seitenblick auf die beiden Rancho Bravo-Männer. Dann wandte er sich ab und rief sechs Namen. „Mitkommen!“
Jay sah ihn mit den Männern zum Bunkhaus gehen.
„Jago, bring sie ins Haus“, kommandierte Tetley an Kidd gewandt.
„Du musst sie töten!“, schrie Sean. „Sonst entkommen sie dir vielleicht noch einmal.“
Tetley ging zu seinem Sohn hinüber